Gravitationslinse: Das galaktische Horus-Auge
Als Gravitationslinse bezeichnen Astronomen ein Phänomen, bei dem die Masse eines großen Vordergrundobjekts – beispielsweise einer Galaxie – das Licht eines weit dahinter befindlichen Objekts ablenkt. Durch diesen Linseneffekt wird das entfernte Objekt stark ringförmig verzerrt, aber gleichzeitig auch stark vergrößert. Bei dieser Struktur, die die Entdecker jetzt wegen seiner Ähnlichkeit zum altägyptischen Symbol das "Auge des Horus" tauften, findet sich jedoch eine entscheidende Besonderheit: Hier lenkt die Vordergrundgalaxie (gelb) das Licht von gleich zwei entfernten Welteninseln ab. Sie erscheinen in der Aufnahme als doppelter Ring. Dass die drei Objekte sich in direkter Sichtlinie zur Erde befinden, ist ein extrem seltenes Phänomen.
Entdeckt wurde das himmlische "Auge" auf einer vom Subaru-Teleskop organisierten Sommerschule für Studenten im September 2015 in Mitaka, Tokyo. Eine Gruppe von Astronomen und jungen Studenten analysierte dabei Daten, die mit der Hyper Suprime-Cam (HSC) aufgenommen wurden. Die Kamera durchmustert einen großen Himmelsbereich mit nie da gewesener Tiefe. "Als ich mir die HSC-Bilder zusammen mit den Studenten ansah, stießen wir auf eine ringförmige Galaxie und erkannten sie sofort als Zeichen einer starken Gravitationslinse", sagt Masayuki Tanaka, der Hauptautor der ersten Veröffentlichung über die Doppellinse.
Eine Gruppe von Wissenschaftlern, darunter auch Forscher am Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching, hat jetzt die Struktur analysiert. Demnach ist die Linsengalaxie rund 6,8 Milliarden Lichtjahre entfernt, die zwei dahinter befindlichen Galaxien sind ausweislich ihrer Rotverschiebung 8,9 beziehungsweise 10,5 Milliarden Lichtjahre entfernt.
Aus dem Licht der Galaxien lassen sich Rückschlüsse über den Aufbau und die Entwicklung von Galaxien ziehen. Interessant sind aber noch einige weitere Merkmale, erläutert Sherry Suyu vom MPI in Garching. Dass das Abbild in zwei Komponenten aufbreche, sei "ein aufregender Hinweis auf die mögliche Anwesenheit eines unsichtbaren Objekts aus Dunkler Materie", so die Forscherin. Dunkle Materie lässt sich nicht direkt beobachten, lenkt aber auf Grund ihrer Masse ebenfalls das Licht ab und führt so zu einer messbaren Verzerrung des Hintergrundbilds. "Unser 'Auge des Horus' liefert uns eine großartige Gelegenheit, die Dunkle Materie indirekt zu sehen!"
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