Forschungsförderung: Meinung: Das Geld muss nach oben
Der Fall des klimaforschungskritischen Astrophysikers Willie Soon, dessen Finanzierung durch Energieunternehmen jetzt Gegenstand einer internen Untersuchung der Harvard University ist, ist ein spektakuläres Beispiel klimaskeptischer Lobbyarbeit. Aber er zeigt vor allem exemplarisch, dass der Umgang der Wissenschaft mit ihrer Finanzierung ihrer Position in Gesellschaft und Politik nicht mehr gerecht wird.
Bisher steht in jeder Veröffentlichung ganz weit oben, von wem die Arbeit ist und an welchen ehrwürdigen Institutionen die Autorinnen und Autoren arbeiten. Das war angemessen in einer Zeit, in der Forschung weit überwiegend auch vom Staat und eben jenen genannten Institutionen getragen wurde. Heute jedoch ist das keineswegs mehr klar. Deswegen muss an dieser prominenten Stelle in Zukunft auch stehen, aus welcher Quelle das Geld stammt.
Willie Soon macht in seinen Arbeiten die Sonne für den Klimawandel verantwortlich und sieht kaum menschlichen Einfluss am Werk. Entsprechend beliebt ist er bei Gegnern des Klimaschutzes als Kronzeuge ihrer Thesen. Jetzt zeigen neu veröffentlichte Unterlagen, dass er wohl mehr als eine Million Dollar Spenden von Energieunternehmen nicht kenntlich machte. Dazu passt auch, dass der Wissenschaftler seine Forschung den Dokumenten nach fast ausschließlich mit Industriegeldern finanzierte. Soon selbst besteht darauf, dass seine Geldgeber keinen Einfluss auf die Ergebnisse und Schlussfolgerungen seiner Arbeit hatten.
Selbst wenn die in der Forschergemeinschaft heftig kritisierten Arbeiten damit wohl diskreditiert sind, wäre es falsch, jetzt zur Tagesordnung überzugehen. Es handelt sich in dieser Schwere zwar um einen Sonderfall, nichtsdestotrotz wirft er ein Schlaglicht auf ein größeres Problem. Solche so genannten Drittmittel der Industrie finanzieren heute sehr viel Forschung. Damit bewegen sich immer mehr Arbeiten nahe an jener Grenze, die Soon so deutlich überschritten hat.
Deswegen ist es so wichtig, dass immer mehr Zeitschriften jene Offenlegung von möglichen Interessenkonflikten verlangen, die dem Astrophysiker jetzt wohl zum Verhängnis wird. Aber reicht die Form, in der das heute passiert, langfristig aus? Neben dem Trend zu immer größerer privater Forschungsfinanzierung ist Wissenschaft auch immer enger mit großen politischen, gesellschaftlichen, ideologischen Debatten verknüpft. Nicht nur, dass Kontrahenten in solchen Debatten sich auf Forschungsergebnisse berufen, inzwischen fordern Politik und Gesellschaft solche relevanten Ergebnisse als Grundlage für Entscheidungen direkt ein.
Dabei schafft es der Hinweis auf Finanzierung und Interessenkonflikte nur selten aus der Veröffentlichung in die allgemeine Diskussion. Schuld daran ist auch das Selbstverständnis der Wissenschaft – ihre Ergebnisse seien wenn nicht objektiv, so doch letztendlich in der physischen Realität verankert. Interessenkonflikte sind dabei zwangsläufig ein Nachgedanke, Beeinflussung die absolute Ausnahme: Die entsprechende Offenlegung steht in einem kleinen Kästchen ganz am Ende einer Veröffentlichung.
Das reicht nicht mehr aus. Die Geldquellen sind heute so vielfältig wie die Interessen, die dahinterstehen, und eine Fachveröffentlichung kann heutzutage ein Politikum sein. Grundbedingung für die Glaubwürdigkeit der Wissenschaft ist Transparenz. Und Transparenz bedeutet, dass die Finanzierung nicht einfach irgendwo im Kleingedruckten steht, sondern an einem Ort, der ihrer Bedeutung angemessen ist: ganz oben, wo es alle sofort sehen können.
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