Biodiversität: Das große Krabbeln
Wer ist der eigentliche Herrscher der Tropen: Jaguar, Tiger, Elefant oder Gorilla? Weit gefehlt: Die Insekten sind es. Unüberschaubar ist ihre Zahl, unersetzlich ihre Funktion im Ökosystem. Jetzt gibt es erste Antworten, warum sie gerade im Regenwald so artenreich sind.
Zu Besuch in der Grünen Hölle: mächtige Stämme im Halbdunkel, hin und wieder Lianengewirr, dann und wann ein einzelner Pilz am Boden, vielleicht einmal farbenprächtige Orchideen und Bromelien auf einem abgebrochenen Ast. Doch Tiere? Wo sind die Tiere in diesem angeblich so vielfältigen Lebensraum Regenwald? Gut, ab und an ertönt ein entfernter Vogelruf, bewegt sich etwas im Laubdach oder kreuzt eine Kröte den Weg des noch unerfahrenen Besuchers – nicht unbedingt das, was unter Artenfülle zu verstehen ist.
Die tropischen Regenwälder mögen Weltspitze in ihrer Sammlung an Vogel-, Frosch- oder Affenarten sein, ihr Ruf als globales Vielfaltszentrum fußt in Wirklichkeit jedoch auf dem Myriadenvolk der Käfer, Falter oder Hautflügler. Worin liegt der Grund dieser exorbitanten Diversität an Insekten, die alles andere in den Schatten stellt? Entomologen um Vojtech Novotny von der Universität im tschechischen Branisovska machten sich nun an diese vermeintliche Sisyphosarbeit und verglichen Zahl wie Artenspektrum von Blätter konsumierenden Krabbeltieren in einem Auwald Mährens mit jenen eines Tieflandregenwalds in Papua-Neuguinea.
Ein Vorhaben, das gar nicht so einfach ist, da nicht nur unübersichtlich viele Kerbtiere, sondern auch tausende Baumarten die Tropen besiedeln – auf einem Hektar können in ungestörten Regenwäldern mehr Holzpflanzen beheimatet sein als in ganz Mitteleuropa. Deshalb beschränkten sich die Forscher auf jeweils vierzehn unterschiedliche Gewächse, von denen sie in Handarbeit möglichst alle Grünzeug fressenden Kerfe pflückten – insgesamt knapp 27 000 Tiere aus 850 Spezies mit Schmetterlingsraupen und ausgewachsenen Käfern als jeweils beherrschenden Elementen.
So nutzt ein vegetarischer Kerf auf Neuguinea im Schnitt eine Wirtspflanze, in Europa aber auch nur zwei; Rindenkäfer oder Buckelzikaden waren in Mähren sogar wählerischer als ihre pazifischen Kollegen. Eine dichtere Nischenpackung scheidet also wohl zumindest bei dieser Insektengruppe als Grund für ihre höhere Diversität in den Tropen aus.
Was erklärt aber dann die immer noch im Dunkeln liegende hohe Vielfalt der Insektenarten im Regenwald, die von manchen Experten in die Millionen geschätzt wird? Novotnys Antwort ist denkbar einfach: Sie nimmt linear mit der Zahl der Pflanzenspezies zu. Und da in den Tropen nicht nur mehr Baumarten wachsen, sondern mit Epiphyten oder Lianen auch Gewächstypen, die hierzulande praktisch überhaupt nicht vorkommen, existieren schon allein deshalb dort mehr Kerbtiere.
Wer schnell größeres Getier im Regenwald sehen möchte, der sollte deshalb auch die Nähe von Ameisen suchen. Denn gerade wenn sich die Heerscharen der Treiberameisen auf Säuberungstour durch den Wald machen, werden sie in ihrem Umfeld immer von einigen Vögeln begleitet, die von den aufgescheuchten und verzweifelt fliehenden Käfern, Schrecken und Faltern profitieren möchten. Nur direkt in den Zug hinein stellen sollte sich der Naturfreund vielleicht nicht.
Vielleicht muss der Entdecker nur sein Visier und sein Gehör etwas feiner stellen: Mal abgesehen von dem penetranten Sirren der nicht loszuwerdenden, beständig um einen kreisenden Geschwader Blut saugender Moskitos – flackert dort im Lichtfeld einer kleinen Lichtung nicht immer wieder das leuchtende Blau eines Morpho-Falters auf? Am gerade passierten Stamm sitzt eine Vogelspinne und macht Jagd auf getarnte Motten. Und in der Nähe verläuft auch eine Straße emsiger Blattschneiderameisen, die unermüdlich handliche Blattstücke in ihr unterirdisches Reich schleppen, um sie dort an ihre Pilzschrebergärten zu verfüttern – überall zirpt und raschelt es.
Die tropischen Regenwälder mögen Weltspitze in ihrer Sammlung an Vogel-, Frosch- oder Affenarten sein, ihr Ruf als globales Vielfaltszentrum fußt in Wirklichkeit jedoch auf dem Myriadenvolk der Käfer, Falter oder Hautflügler. Worin liegt der Grund dieser exorbitanten Diversität an Insekten, die alles andere in den Schatten stellt? Entomologen um Vojtech Novotny von der Universität im tschechischen Branisovska machten sich nun an diese vermeintliche Sisyphosarbeit und verglichen Zahl wie Artenspektrum von Blätter konsumierenden Krabbeltieren in einem Auwald Mährens mit jenen eines Tieflandregenwalds in Papua-Neuguinea.
Ein Vorhaben, das gar nicht so einfach ist, da nicht nur unübersichtlich viele Kerbtiere, sondern auch tausende Baumarten die Tropen besiedeln – auf einem Hektar können in ungestörten Regenwäldern mehr Holzpflanzen beheimatet sein als in ganz Mitteleuropa. Deshalb beschränkten sich die Forscher auf jeweils vierzehn unterschiedliche Gewächse, von denen sie in Handarbeit möglichst alle Grünzeug fressenden Kerfe pflückten – insgesamt knapp 27 000 Tiere aus 850 Spezies mit Schmetterlingsraupen und ausgewachsenen Käfern als jeweils beherrschenden Elementen.
Überraschenderweise schnitten dabei beide Gebiete bezüglich ihrer Artenzahl pro Flächeneinheit und Pflanze annähernd gleich gut ab: Am Äquator teilen sich zumindest die herbivoren Insekten ihre jeweiligen Nahrungsgründe nicht feiner auf als in höheren Breiten – etwa indem die eine Art nur junge Blätter frisst, die zweite nur Blattspitzen und die dritte eher die Stängel.
So nutzt ein vegetarischer Kerf auf Neuguinea im Schnitt eine Wirtspflanze, in Europa aber auch nur zwei; Rindenkäfer oder Buckelzikaden waren in Mähren sogar wählerischer als ihre pazifischen Kollegen. Eine dichtere Nischenpackung scheidet also wohl zumindest bei dieser Insektengruppe als Grund für ihre höhere Diversität in den Tropen aus.
Was erklärt aber dann die immer noch im Dunkeln liegende hohe Vielfalt der Insektenarten im Regenwald, die von manchen Experten in die Millionen geschätzt wird? Novotnys Antwort ist denkbar einfach: Sie nimmt linear mit der Zahl der Pflanzenspezies zu. Und da in den Tropen nicht nur mehr Baumarten wachsen, sondern mit Epiphyten oder Lianen auch Gewächstypen, die hierzulande praktisch überhaupt nicht vorkommen, existieren schon allein deshalb dort mehr Kerbtiere.
Wie bei den Wirbeltieren zeigt sich auch bei den Wirbellosen aber noch ein weiteres Merkmal der tropischen Natur: viele Arten, doch nur wenige Individuen. Die Gesamtmenge der Pflanzenkonsumenten war in Papua-Neuguinea deutlich kleiner als in Mähren, wo sich ganze Legionen Raupen, Käferlarven und der Nachwuchs verschiedenster Hautflügler über das Laubwerk hermachten, während im Süden eher wenige ausgewachsene Exemplare vorherrschten. Kein Wunder, schließlich lag hier der Feinddruck nach Zählungen der Forscher 18-mal so hoch wie im temperierten Auwald – vor allem Ameisen taten sich als Ungeziefervertilger hervor.
Wer schnell größeres Getier im Regenwald sehen möchte, der sollte deshalb auch die Nähe von Ameisen suchen. Denn gerade wenn sich die Heerscharen der Treiberameisen auf Säuberungstour durch den Wald machen, werden sie in ihrem Umfeld immer von einigen Vögeln begleitet, die von den aufgescheuchten und verzweifelt fliehenden Käfern, Schrecken und Faltern profitieren möchten. Nur direkt in den Zug hinein stellen sollte sich der Naturfreund vielleicht nicht.
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