Struktur der Galaxis: Das Innere unserer Milchstraße in 3D
Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik haben die erste detaillierte drei-dimensionale Karte der Sternverteilung in den inneren Regionen unserer Milchstraße erstellt, indem sie öffentlich zugängliche Daten des VVV-Surveys aus dem Wissenschaftsarchiv der ESO analysierten. Das Ergebnis ist ein erdnussförmiger sogenannter Box/Peanut-Bulge mit einem länglichen Balken und einer ausgeprägten X-förmigen Struktur, die sich bereits in früheren Studien abgezeichnet hatte. Dieses Ergebnis legt nahe, dass die Milchstraße ursprünglich aus einer reinen Sternscheibe bestand, in der sich dann ein dünner Balken bildete bevor durch eine weitere Verbiegungsinstabilität der Box/Peanut-Bulge entstand, den wir heute sehen. Die neue Karte kann nun genutzt werden, um weitergehende detaillierte Untersuchungen der Dynamik und Evolution unserer Milchstraße durchzuführen.
Unsere Sonne befindet sich innerhalb der galaktischen Scheibe, etwa 27 000 Lichtjahre vom Zentrum unserer Milchstraße entfernt. Da dichte Gas-und Staubwolken die Sicht auf das galaktische Zentrum behindern, ist es schwierig, genaue Informationen über die Form und die Eigenschaften der inneren Regionen unserer Galaxie zu bekommen. Mit Hilfe einer großen Zahl von so genannten "Red Clump"-Riesensternen aus dem neuen VVV-Survey ist es Wissenschaftlern am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik nun gelungen, eine dreidimensionale Karte des galaktischen Bulge zu erstellen.
"Einige frühere Studien mit Red Clump-Sternen und anderen Methoden haben bereits Beweise dafür gefunden, dass der galaktische Bulge eine Struktur mit drei unterschiedlichen Achsen bildet. Die Tiefe dieses Sternkatalogs übersteigt aber die bisherigen Arbeiten bei weitem und wir können praktisch die gesamte Population der Red Clump-Sterne sehen, ausgenommen in den am stärksten staubabsorbierten Regionen", erklärt Christopher Wegg am MPE. "Aus dieser Sternverteilung können wir dann direkt eine drei-dimensionale Karte der Dichte ableiten, ohne die Beobachtungen mit theoretischen Modellen vergleichen zu müssen."
Die Wissenschaftler verwendeten den mit dem VISTA-Teleskop in Chile erstellten Nahinfrarot VVV-Survey des inneren Bereichs unserer Milchstraße ("VISTA Variables in the Via Lactea Survey"), mit dem sie in der Lage sind Sterne zu beobachten, die bis zu dreißig Mal schwächer sind als in früheren Surveys des galaktischen Bulge. Die Beobachtungen wurden durch das VVV-Team gemacht, das anschließend alle Bilder und Sternkataloge als Datenprodukte im ESO-Wissenschaftsarchiv der internationalen Wissenschaftsgemeinschaft zur Verfügung stellte.
Die Red-Clump-Riesensterne wurden für diese Studie ausgewählt, da sie als Standardkerzen verwendet werden können: In diesem Stadium des Sternlebens ist ihre Leuchtkraft nahezu unabhängig von ihrem Alter oder ihrer chemischen Zusammensetzung. Die Säulendichte des Staubs, der die Sterne verdeckt, wird direkt aus den beobachteten Farben der Red Clump-Sterne berechnet, so dass man die korrigierte Verteilung der Helligkeiten dieser Sterne messen kann. Da Red Clump-Sterne alle fast die gleiche intrinsische Helligkeit aufweisen, kann somit die ungefähre Entfernung jedes einzelnen Sterns bestimmt werden. Die gute räumliche Abdeckung des VVV-Survey erlaubte es den Wissenschaftlern, solche Messungen im gesamten inneren Bereich der Milchstraße durchzuführen, und daraus die drei-dimensionale Struktur des Bulges zu rekonstruieren.
"Unsere Analyse zeigt uns, dass der innere Bereich unserer Galaxie die erdnussartige Form eines Box/Peanut-Bulge hat, mit einem sehr länglichen Balken und einer ausgeprägten X-förmigen Struktur", sagt Ortwin Gerhard, der Leiter der Dynamik-Gruppe am MPE. "Es ist das erste Mal, dass wir dies deutlich in unserer eigenen Milchstraße sehen können, und die Simulationen in unserer Gruppe zeigen, dass diese Form für eine Balken-Spiralgalaxie recht charakteristisch ist." In diesen Simulationen, die von Inma Martinez-Valpuesta durchgeführt wurden, war die Milchstraße einst eine reine Sternscheibe, die vor Milliarden Jahren einen flachen Balken bildete bevor der innere Teil durch eine Verbiegungsinstabilität die drei-dimensionale Struktur ausbildete, die wir heute als Box/Peanut-Bulge in der Karte sehen.
Die Wissenschaftler erwarten, dass diese Messung der drei-dimensionalen Dichteverteilung des Bulges dazu beitragen wird, Modelle zur Galaxienentwicklung sowohl für unsere Milchstraße als auch allgemein für Spiralgalaxien weiter einzugrenzen. Daneben werden auch Studien über andere Sternpopulationen, Gasflüsse oder Microlensing davon profitieren.
MPE / Red.
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