News: Das Klima und die Winzlinge
Je ausgeprägter die Temperaturschichtung in den tropischen und subtropischen Ozeanen ist, desto größer werden die darin schwebenden Foraminiferen. Dieser Zusammenhang zeigt, wie die Größenzunahme einer dominanten Einzellergruppe während der Erdneuzeit von der unbelebten Umwelt gesteuert wird.
"Im Wesentlichen geht es bei meiner Forschung um die Wechselbeziehung zwischen Organismen und der Umwelt", meint Hans Thierstein. Der Mikropaläontologe an der ETH und Universität Zürich untersucht dafür unter anderem Foraminiferen. Diese im Meer lebenden, einige 100 Mikrometer kleinen Winzlinge bilden Gehäuse und sind aufgrund ihrer ungeheuren Formenfülle prädestiniert als Leitfossilien. Das heißt, sie eignen sich für die relative Altersbestimmung verschiedener Gesteinsschichten. Doch nicht nur bezüglich der Form sind die Foraminiferen sehr vielfältig, sondern auch in der Größe.
Der "triviale" Parameter "Größe" wurde aber gemäß Thierstein bis jetzt kaum beachtet. Dies, obwohl die Größenmessungen – im Gegensatz zu den Formbestimmungen – viel seltener von subjektiven Ansichten beeinflusst werden. Diesen Vorteil wollte der ETH-Forscher nutzen. Zusammen mit Mitarbeitern entschloss er sich, die Größe der im Meer schwebenden, also planktischen Foraminiferen vom Ende des Erdmittelalters vor 70 Millionen Jahre an bis heute zu messen und sie mit möglichen Umweltparametern in Verbindung zu bringen. Die inzwischen an der University of London forschende Daniela Schmidt analysierte über 1000 Sedimentproben aus Tiefseebohrlöchern, die von früheren wissenschaftlichen Expeditionen aus den Polargebieten bis in die Tropen zur Verfügung standen.
Die rund eine Million gemessenen Foraminiferengehäuse bedeuteten aber nicht unzählige schlaflose Messnächte für Daniela Schmidt, sondern waren das "Futter" für das ALFA-Mikroskop. Dank dem Einsatz von automatischer Bildanalytik vermisst das motorisierte und rechnergesteuerte Gerät die Größe der in Probenschalen gestreuten Foraminiferen. Dabei scheidet es auch Bruchstücke und andere Sandpartikel aus, da es Ecken und Kanten erkennt.
Thierstein gesteht ein, dass es einer gewissen akademischen Frechheit bedurfte, einfach die Foraminiferen auf grobem Niveau ohne Berücksichtigung der verschiedenen Arten zu vermessen. Doch die Resultate demonstrieren, dass sich das Vorgehen lohnte. Als erstes fiel den Forschenden auf, dass die Größenänderungen der Foraminiferen in den verschiedenen geographischen Breiten sich bis vor 42 Millionen Jahren ähnlich entwickelte. Danach aber kam es zu einer Größenzunahme bei den Foraminiferen in den Tropen und Subtropen, die sich vor allem ab dem späten Miozän vor 12 Millionen Jahren akzentuierte.
Dieser letzte Befund wies darauf hin, dass die Oberflächentemperatur der Ozeane nicht der Grund für die Größenzunahme sein konnte. Denn seit dem späten Miozän nahm die Durchschnittstemperatur in mittleren und hohen Breiten ab, und in den Tropen wurde es auch nicht wärmer. In dieser Zone wurde aber in dieser Zeit durch die Abkühlung des polaren Tiefseewassers der vertikale Temperaturgradient in den tropischen und subtropischen Ozeanen stärker, was zu einer stärkeren Schichtung des Wassers führte. Die Wasserschichtung rekonstruierten die Forschenden anhand von Sauerstoffisotopen-Messungen an Calcitgehäusen von Foraminiferen, die in verschiedenen Tiefen leben. Verglich man nun den Temperaturgradienten der Ozeane mit der Foraminiferengröße, zeigte sich eine hohe Korrelation.
"Man kann sicher die Interpretation wagen, dass über die verschiedenen Temperaturgradienten das Klima eine treibende Kraft für die Größenentwicklungen der Foraminiferen darstellt“, schließt Thierstein aus der Studie seiner Gruppe. Biologische Faktoren wie Konkurrenz oder Parasiten scheinen in dieser Einzellergruppe eine weniger dominante Kraft der Evolution gewesen zu sein. Eine Frage, die mit der Studie nicht beantwortet werden könne, bleibe aber: Wieso führt ein größerer Temperaturgradient zu größeren Foraminiferen? Eine Vermutung von Thierstein ist, dass durch die Temperaturschichtung mehr Nischen entstehen, in denen sich verschiedene Foraminiferenarten optimal entwickeln können. So wie verschiedene Baumarten in verschiedenen Klimazonen ihre größten Exemplare ausbilden, so könnten möglicherweise auch die Foraminiferenarten ihre Prachtexemplare nur in einer bestimmten Temperaturnische ausbilden.
Mit weiteren Untersuchungen an lebend gesammelten Foraminiferen wollen die Forscher diese Nischenhypothese überprüfen. Zudem sollen auch die in der durchgeführten Studie verwendeten Foraminiferen weiter analysiert werden, beispielsweise auf die Größenverteilung der verschiedenen Arten. Entsprechend sollen auch die Computerprogramme zur Formenerkennung weiter entwickelt werden. Denn freiwillig zurück zum Handauswerten will man verständlicherweise in Zürich nicht, da man hier bereits einmal die enormen Vorteile der maschinellen Methode erfahren hat.
Der "triviale" Parameter "Größe" wurde aber gemäß Thierstein bis jetzt kaum beachtet. Dies, obwohl die Größenmessungen – im Gegensatz zu den Formbestimmungen – viel seltener von subjektiven Ansichten beeinflusst werden. Diesen Vorteil wollte der ETH-Forscher nutzen. Zusammen mit Mitarbeitern entschloss er sich, die Größe der im Meer schwebenden, also planktischen Foraminiferen vom Ende des Erdmittelalters vor 70 Millionen Jahre an bis heute zu messen und sie mit möglichen Umweltparametern in Verbindung zu bringen. Die inzwischen an der University of London forschende Daniela Schmidt analysierte über 1000 Sedimentproben aus Tiefseebohrlöchern, die von früheren wissenschaftlichen Expeditionen aus den Polargebieten bis in die Tropen zur Verfügung standen.
Die rund eine Million gemessenen Foraminiferengehäuse bedeuteten aber nicht unzählige schlaflose Messnächte für Daniela Schmidt, sondern waren das "Futter" für das ALFA-Mikroskop. Dank dem Einsatz von automatischer Bildanalytik vermisst das motorisierte und rechnergesteuerte Gerät die Größe der in Probenschalen gestreuten Foraminiferen. Dabei scheidet es auch Bruchstücke und andere Sandpartikel aus, da es Ecken und Kanten erkennt.
Thierstein gesteht ein, dass es einer gewissen akademischen Frechheit bedurfte, einfach die Foraminiferen auf grobem Niveau ohne Berücksichtigung der verschiedenen Arten zu vermessen. Doch die Resultate demonstrieren, dass sich das Vorgehen lohnte. Als erstes fiel den Forschenden auf, dass die Größenänderungen der Foraminiferen in den verschiedenen geographischen Breiten sich bis vor 42 Millionen Jahren ähnlich entwickelte. Danach aber kam es zu einer Größenzunahme bei den Foraminiferen in den Tropen und Subtropen, die sich vor allem ab dem späten Miozän vor 12 Millionen Jahren akzentuierte.
Dieser letzte Befund wies darauf hin, dass die Oberflächentemperatur der Ozeane nicht der Grund für die Größenzunahme sein konnte. Denn seit dem späten Miozän nahm die Durchschnittstemperatur in mittleren und hohen Breiten ab, und in den Tropen wurde es auch nicht wärmer. In dieser Zone wurde aber in dieser Zeit durch die Abkühlung des polaren Tiefseewassers der vertikale Temperaturgradient in den tropischen und subtropischen Ozeanen stärker, was zu einer stärkeren Schichtung des Wassers führte. Die Wasserschichtung rekonstruierten die Forschenden anhand von Sauerstoffisotopen-Messungen an Calcitgehäusen von Foraminiferen, die in verschiedenen Tiefen leben. Verglich man nun den Temperaturgradienten der Ozeane mit der Foraminiferengröße, zeigte sich eine hohe Korrelation.
"Man kann sicher die Interpretation wagen, dass über die verschiedenen Temperaturgradienten das Klima eine treibende Kraft für die Größenentwicklungen der Foraminiferen darstellt“, schließt Thierstein aus der Studie seiner Gruppe. Biologische Faktoren wie Konkurrenz oder Parasiten scheinen in dieser Einzellergruppe eine weniger dominante Kraft der Evolution gewesen zu sein. Eine Frage, die mit der Studie nicht beantwortet werden könne, bleibe aber: Wieso führt ein größerer Temperaturgradient zu größeren Foraminiferen? Eine Vermutung von Thierstein ist, dass durch die Temperaturschichtung mehr Nischen entstehen, in denen sich verschiedene Foraminiferenarten optimal entwickeln können. So wie verschiedene Baumarten in verschiedenen Klimazonen ihre größten Exemplare ausbilden, so könnten möglicherweise auch die Foraminiferenarten ihre Prachtexemplare nur in einer bestimmten Temperaturnische ausbilden.
Mit weiteren Untersuchungen an lebend gesammelten Foraminiferen wollen die Forscher diese Nischenhypothese überprüfen. Zudem sollen auch die in der durchgeführten Studie verwendeten Foraminiferen weiter analysiert werden, beispielsweise auf die Größenverteilung der verschiedenen Arten. Entsprechend sollen auch die Computerprogramme zur Formenerkennung weiter entwickelt werden. Denn freiwillig zurück zum Handauswerten will man verständlicherweise in Zürich nicht, da man hier bereits einmal die enormen Vorteile der maschinellen Methode erfahren hat.
© ETH Life
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.