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News: Das Lesen in den Därmen

Früher war es üblich in den Gedärmen von Opfertieren nach Zeichen der Zukunft zu suchen. Nun haben die Därme von Kakerlaken vielversprechende Anhaltspunkte für die evolutiven Ursprünge komplexer Zellen geliefert. Wissenschaftler nahmen den unteren Verdauungstrakt dieser Hausplage genau unter die Lupe und brachten die ersten genetischen Beweise dafür an das Tageslicht, daß energieproduzierende Organellen einiger anaerober Zellen in der Vergangenheit einmal frei lebende Bakterien waren. Nach Meinung der Forscher liegt die Vermutung nahe, daß diese sogenannten Hydrogenosomen sich vielleicht aus dem gleichen Vorfahren entwickelt haben wie die Mitochondrien.
Die meisten Eukaryonten gewinnen ihre Energie aus Organellen, die als Mitochondrien bezeichnet werden. Studien über mitochondriale Genome haben die Wissenschaft davon überzeugt, daß diese Organellen Abkömmlinge alter Bakterienarten sind, die sich irgendwie in einer frühen eukaryontischen Zelle niederließen. Ein weiterer möglicher Nachfahre solcher Bakterien ist eine Organelle, die als Hydrogenosom bezeichnet wird und Energie für einige anaerobe Eukaryoten erzeugt. Doch trotz einer oberflächlichen Ähnlichkeit mit den Mitochondrien war bei allen bekannten Hydrogenosomen keine DNA vorhanden, und deshalb konnten sie nicht wirklich mit Mitochondrien verglichen werden.

Jetzt berichten Johannes Hackstein und seine Kollegen von der Katholieke Universiteit Nijmegen in den Niederlanden, daß sie nach der Untersuchung der Enddärme von Kakerlaken – die eine sauerstoffarme Umgebung darstellen, von der man weiß, daß sie Zellen mit Hydrogenosomen beinhalten – endlich auf etwas Entscheidendes gestoßen sind (Nature, Ausgabe vom 10. Dezember 1998). Die Forscher untersuchten das Hydrogenosom eines einzelligen Organismus mit dem Namen Nyctotherus ovalis, den sie in mühevoller Kleinarbeit per Hand aus zerlegten Kakerlaken zusammen gesammelt hatten. In elektronenmikroskopischen Aufnahmen wurden Strukturen gefunden, die wie Ribosomen aussahen, einem Schlüsselbaustein in der Maschinerie zur Proteinerzeugung. Und wenn das Hydrogenosom seine eigenen Proteine herstellte, so die Argumentation der Wissenschaftler, muß es über ein Genom verfügt haben, das hierzu das Muster lieferte. Nach der Zerlegung Hunderter von Insekten, clonte das Team ein Gen für Ribosomen-RNA, das dem entsprechenden mitochondrialen Gen sehr ähnlich ist.

Dieses Gen stellt "den ersten direkten Beweis für die Evolutionsgeschichte des Hydrogenosoms" dar, sagt Miklos Muller von der Rockefeller University, der glaubt, daß Hydrogenosomen und Mitochondrien sich aus einem gemeinsamen Vorfahren entwickelten, der sowohl zur anaeroben als auch zur aeroben Atmung fähig war. Andere Evolutionsbiologen geben indes zu bedenken, daß es sich immer noch nur um Indizienbeweise handelt.

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