Ängste: Das Prinzip Hoffnung
Wer eine Psychotherapie beginnt, sieht meist keinen Weg mehr, seine Probleme ohne fremde Hilfe zu bewältigen – anders gesagt, die Patienten sind oft hoffnungslos. Liegt ein Teil des Behandlungserfolgs darin, den Betroffenen wieder Hoffnung zu geben? Psychologen um Matthew Gallagher von der University of Houston haben diese Frage untersucht.
Die erste Schwierigkeit lag darin, den etwas nebulösen Begriff fassbar zu machen. Dabei orientierten sich die Forscher an einer einflussreichen Theorie des Psychologen Charles Snyder (1944–2006). Der zufolge besteht Hoffnung aus zwei Elementen: Man glaubt, seine Ziele erreichen zu können, und man sieht konkret Arten, auf denen dies gelingen wird. Das Team um Gallagher nutzte einen etablierten Fragebogen, der auf jener Theorie fußt und Hoffnung mit Fragen erfasst wie »Ich verfolge meine Ziele derzeit energisch« und »Mir fallen viele Möglichkeiten ein, wie ich meine momentanen Ziele erreichen kann«.
Diesen und weitere Fragebogen legten die Forscher 223 Probanden mehrfach im Lauf einer Psychotherapie vor. Die Patienten litten an einer Angststörung und erhielten entweder eine allgemeine kognitive Verhaltenstherapie oder ein Verfahren, das auf ihre konkrete Erkrankung zugeschnitten war. Jener Teil der Versuchspersonen, der noch auf die Behandlung warten musste, diente als Kontrollgruppe.
Ergebnis: Durch jede Art von Therapie stieg das Maß, in dem die Teilnehmer Hoffnung erlebten, schnell an. Die Probanden auf der Warteliste sahen zwar mit der Zeit ebenfalls hoffnungsvoller in die Zukunft, bei ihnen waren die Fortschritte jedoch geringer und begannen viel später. Mehr Hoffnung zu haben, hing wiederum mit dem Erfolg der Behandlung zusammen: Versuchspersonen, die zuversichtlicher nach vorn blickten, waren am Ende weniger ängstlich als jene, die weniger Hoffnung verspürten.
Wer Hoffnung habe, der sei überzeugt, auch unter widrigen Umständen seine Ziele zu erreichen, schreiben Gallagher und Kollegen. Dies stehe der bei Angststörungen verbreiteten Sorge entgegen, negative Ereignisse und Gefühle nicht kontrollieren zu können.
Die Definition von Hoffnung, auf die sich die Forscher stützen, ist allerdings wissenschaftlich nicht unumstritten und wird auch manchem Therapeuten zu kurz greifen. Denn sie widerspricht dem Alltagsverständnis, nach dem man durchaus Hoffnung empfinden kann, ohne sich detaillierte Pläne für die Zukunft zurechtzulegen. Immerhin, so das Team um Gallagher, unterscheide sich Hoffnung nach dieser Lesart deutlich von oberflächlich ähnlichen Phänomenen wie Optimismus, die ebenfalls zum Erfolg einer Therapie beitragen.
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