Evolution: Das Rauptier
Die meisten Menschen betrachten Raupen mit einer Mischung aus Ekel und Verachtung, weil sie gelegentlich am Kohl im Garten oder den Geranien kriechend knabbern. Aber längst nicht alle dieser Krabbeltiere begnügen sich mit schnödem Grün, es gibt wohl auch Gourmets unter ihnen.
Fast ein jedes Kindergartenkind – und wohl die meisten Erwachsenen – kennen die Geschichte der kleinen Raupe Nimmersatt, die erst eine Vielzahl unbekömmlicher Speisen frisst, bis sie sich mit Magengrimmen endlich passenderem Larvenfutter zuwendet. Jeden Tag der Woche verzehrt sie nun gesundes Obst und zieht sich dann kugelrund zum Verpuppen zurück: Am Ende erblickt ein wunderschöner und beachteter Schmetterling das Licht der Welt.
So in etwa verläuft auch in der Wirklichkeit der übliche Werdegang dieser Insekten – in dezenten Abwandlungen natürlich und ohne dass immer ein prächtiger Edelfalter dabei herauskommt. Denn unter den weltweit knapp 150 000 bekannten Schmetterlingsarten gibt es nicht wenige eher unattraktive Gesellen: wenig adrette braune, graue oder weißliche Spezies, deren raupige Nachkommenschaft meist ähnlich unauffällig durch die Vegetation kriecht.
Neu in dieser Menagerie absonderlicher Kreaturen ist nun Hyposmocoma molluscivora aus der Kleinschmetterlingssippschaft, die so gar nichts mehr mit der friedlich-freundlichen Raupe Nimmersatt gemein hat – außer ihrem Hunger. Rein äußerlich betrachtet, wirkt sie wie die meisten ihrer Verwandten eher unspektakulär: Das ausgewachsene Tier ist wie alle anderen 350 Spezies dieser Gattung – die sich in einem als adaptive Radiation bezeichneten Prozess über alle Lebensräume der Insel verbreitet haben – klein, rindenfarbig und hat oft ausgefranste Flügel – keine Schönheit also. Aber ihr Larvenstadium hat es in sich, wie die beiden Biologen Daniel Rubinoff und William Haines von der Universität von Hawai'i in Honolulu zu ihrem Erstaunen feststellen durften.
Um dies zu verhindern, entwickelten die nur acht Millimeter langen Raupen im Laufe ihrer Entwicklungsgeschichte eine besonders raffinierte Jagdstrategie. Die meiste Zeit ihres Lebens verbringen sie trefflich getarnt in ihrem naturfarbenen, selbst gesponnenen Gehäuse – dem so genannten Sack aus Seide und Pflanzenmaterial. Sobald aber eine Schnecke in die Nähe ihres Standorts gelangt, wird die Larve aktiv: Mit einer Spinnentaktik fixiert sie anhand von Fäden aus ihrer Seidendrüse das Schneckenhaus des bedauernswerten Geschöpfs am Blatt, sodass dieses sich nicht mehr bewegen, geschweige denn fliehen kann.
Eine einmalige Ernährungsweise für Schmetterlingsraupen also, und das obwohl Schnecken wie Falter auf den meisten Kontinenten vielfach nebeneinander vorkommen. Oder doch nicht? Schon haben die Wissenschaftler einen weiteren endemischen Schneckenjäger auf der Hawaii-Insel Molokai entdeckt, und auch von anderen Eilanden des Archipels dringen Meldungen an ihr Ohr. Folglich kam es nach den bisherigen Kenntnissen auf so engem Raum bereits zu zwei unterschiedlichen Entwicklungslinien Fleisch fressender Schmetterlingsgattungen – kein schlechter Wert bei insgesamt nur 200 Falterspezies weltweit, die auf dieses Futter setzen.
So in etwa verläuft auch in der Wirklichkeit der übliche Werdegang dieser Insekten – in dezenten Abwandlungen natürlich und ohne dass immer ein prächtiger Edelfalter dabei herauskommt. Denn unter den weltweit knapp 150 000 bekannten Schmetterlingsarten gibt es nicht wenige eher unattraktive Gesellen: wenig adrette braune, graue oder weißliche Spezies, deren raupige Nachkommenschaft meist ähnlich unauffällig durch die Vegetation kriecht.
Warum aber sollte dennoch ein Blick auf diese weniger pittoresken Kerfe riskiert werden? Zur Beantwortung lohnt ein wissenschaftlicher Ausflug auf die Hawaii-Inseln, die zu den am weitesten abgelegenen Eilanden der Erde zählen. Diese Isolation macht sie allerdings zu einem Zauberkästchen der Evolution, denn um bei begrenztem Nahrungs- und Lebensraumangebot überhaupt als Art zu überleben, müssen sich viele Pflanzen und Tiere Außergewöhnliches einfallen lassen: Unter den endemischen Arten der Inselwelt gibt es daher Spinnen (Tetragnatha), die vorbei fliegende Beute mit ihren Vorderbeinen aufspießen, oder Fleisch fressende Raupen der Nachtfaltergattung Eupithecia, die aktiv Insekten nachstellen. Sie lauern regungslos ein Zweiglein nachahmend in der Vegetation und warten darauf, dass eine naive Fliege, Spinne oder Grille ihre sensorischen Härchen am Rücken berührt. Dann schnellen sie nach hinten, packen ihr bedauernswertes Opfer mit den Klauen ihrer Vorderfüße, richten sich wieder auf und fressen die zumeist noch zappelnde Beute
Neu in dieser Menagerie absonderlicher Kreaturen ist nun Hyposmocoma molluscivora aus der Kleinschmetterlingssippschaft, die so gar nichts mehr mit der friedlich-freundlichen Raupe Nimmersatt gemein hat – außer ihrem Hunger. Rein äußerlich betrachtet, wirkt sie wie die meisten ihrer Verwandten eher unspektakulär: Das ausgewachsene Tier ist wie alle anderen 350 Spezies dieser Gattung – die sich in einem als adaptive Radiation bezeichneten Prozess über alle Lebensräume der Insel verbreitet haben – klein, rindenfarbig und hat oft ausgefranste Flügel – keine Schönheit also. Aber ihr Larvenstadium hat es in sich, wie die beiden Biologen Daniel Rubinoff und William Haines von der Universität von Hawai'i in Honolulu zu ihrem Erstaunen feststellen durften.
Denn im Gegensatz zu ihren Artverwandten, die sich auf einheimische Pflanzen, totes Holz, Flechten, Algen oder verwesende Vegetation spezialisiert haben, wurden die Raupen von Hyposmocoma molluscivora zu regelrechten Feinschmeckern – selbst wenn sie hungern, rühren sie kein Grünzeug an. Stattdessen gelüstet es ihnen nach lebenden Tornatellides-Schnecken – ihr lateinischer Name deutet es eigentlich schon an. Wie jedoch überwältigen sie die Schalentiere? Denn Mollusken sind zwar beileibe keine Sprinter in der Tierwelt und auch nicht als besonders wehrhaft bekannt, aber leicht begeben sie sich dennoch nicht in die ihnen zugedachte Opferrolle: Sie können sich bei Attacke von Blättern fallen lassen oder sich in ihr Gehäuse zurückziehen und dabei den Eingang versiegelt gegen die Blattoberfläche kleben.
Um dies zu verhindern, entwickelten die nur acht Millimeter langen Raupen im Laufe ihrer Entwicklungsgeschichte eine besonders raffinierte Jagdstrategie. Die meiste Zeit ihres Lebens verbringen sie trefflich getarnt in ihrem naturfarbenen, selbst gesponnenen Gehäuse – dem so genannten Sack aus Seide und Pflanzenmaterial. Sobald aber eine Schnecke in die Nähe ihres Standorts gelangt, wird die Larve aktiv: Mit einer Spinnentaktik fixiert sie anhand von Fäden aus ihrer Seidendrüse das Schneckenhaus des bedauernswerten Geschöpfs am Blatt, sodass dieses sich nicht mehr bewegen, geschweige denn fliehen kann.
Anschließend verkeilt die Schmetterlingslarve ihre eigene Hülle unter dem Eingang zur Schneckenburg und zwängt sich langsam aus ihrem Schutzschild hinein in das Gewinde der Molluskenheimstatt. Die designierte Beute zieht sich dabei immer weiter zurück, bis es kein Entrinnen mehr für sie gibt und sich die Raupe an ihr gütlich tun kann. Der Angreifer geht dabei sogar so weit, sich nach dem Mahl – quasi als Skalp – kleinere Schneckengehäuse an seinen Sack zu heften.
Eine einmalige Ernährungsweise für Schmetterlingsraupen also, und das obwohl Schnecken wie Falter auf den meisten Kontinenten vielfach nebeneinander vorkommen. Oder doch nicht? Schon haben die Wissenschaftler einen weiteren endemischen Schneckenjäger auf der Hawaii-Insel Molokai entdeckt, und auch von anderen Eilanden des Archipels dringen Meldungen an ihr Ohr. Folglich kam es nach den bisherigen Kenntnissen auf so engem Raum bereits zu zwei unterschiedlichen Entwicklungslinien Fleisch fressender Schmetterlingsgattungen – kein schlechter Wert bei insgesamt nur 200 Falterspezies weltweit, die auf dieses Futter setzen.
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