Frühes Leben: Das Salz der Ursuppe
Vor 2,4 Milliarden Jahren begann die Erfolgsgeschichte eines Gases, ohne das Leben heute kaum noch vorstellbar erscheint: Sauerstoff. Doch die Vorfahren von Mikrobe, Maus und Mandelbaum zeigen sich erst fast zwei Milliarden Jahre später. Ein Mangel an Molybdän könnte die Ursache für die Verzögerung gewesen sein.
Manchmal bleibt die deutsche Sprache blass: Der Great Oxidation Event lässt sich bei uns nur kläglich mit "starke Zunahme der Sauerstoff-Konzentration" ausdrücken. Die Dramatik des Ereignisses spiegelt sich darin nicht wider – dabei wurden kaum jemals sonst die Umweltbedingungen auf dem Planeten Erde dermaßen tief greifend verändert.
Sauerstoff, das heutige Lebenselixier unzähliger Organismen, steigerte sich vom einst giftigen Spurengas zu einer Hauptkomponente in der Atmosphäre und ermöglichte damit gänzlich neue Formen des Lebens. Bis diese jedoch nach einer wahren Explosion vor 600 Millionen Jahren zur heutigen Vielfalt heranreiften, vergingen fast zwei Milliarden Jahre. Waren Mutter Natur und ihr Helferlein, die Selektion, wirklich so langsam?
Ein guter Eintopf ...
Vielleicht fehlte schlicht noch das nötige Körnchen "Salz" in der Ursuppe, meinen Clinton Scott von der Universität von Kalifornien in Riverside und seine Kollegen: das Spurenelement Molybdän. Als Kofaktor von Enzymen, die stickstoff- und schwefelhaltige Verbindungen abbauen, spielt es eine wichtige Rolle im Stoffwechselgeschehen. Und wie die Forscher nun aus alten Tonsteinen – ehemalige Schlammablagerungen – verschiedener Regionen und Epochen schließen, herrschte in den Tiefen der Ozeane noch lange ein eklatanter Mangel daran.
Heutzutage gelangt Molybdän als Verwitterungsprodukt über die Flüsse ins Meer. In sauerstoffhaltigem Milieu bleibt es lange verfügbar und setzt sich höchstens in Kombination mit Mangan-Verbindungen ab. Den weitaus größeren Anteil daran, Molybdän aus dem System zu entfernen, tragen sauerstofffreie Zonen, in denen sich das Spurenelement mit Sulfiden zusammenlagert. Im extremen Fall entstehen unter solchen Bedingungen mächtige Faulschlammschichten wie heute noch im Schwarzen Meer, welche die Forscher unter anderem als Vergleich heranzogen.
Aus den Daten ermittelten Scott und seine Kollegen nicht nur die ehemaligen Verhältnisse in der Tiefe, sondern erfassten auch die Nachschubsituation. Denn ist das Spurenelement in den oberen Wasserschichten noch verfügbar, bildet sich eine andere Gesteinssignatur als in Meeresregionen, die insgesamt an Molybdän verarmt sind.
... muss lange köcheln
Letztendlich konnten sie drei Phasen unterscheiden. So war Molybdän zu Zeiten der Sauerstoff-Anreicherung vor 2,4 Milliarden Jahren noch erwartungsgemäß mager vertreten – der Hauptlieferant, die oxidative Verwitterung, begann gerade erst an Steinen zu nagen. Die Konzentrationen bewegten sich daher sogar noch unterhalb der Vergleichswerte vom Schwarzen Meer, das selbst als Molybdän-Mangelgebiet mit geringer Zufuhr gilt. In den folgenden Jahrmillionen zeigen sich zwar erste Anzeichen einer Verbesserung, doch blieben die Gehalte niedrig – bis sie vor 550 Millionen Jahre plötzlich sprunghaft ansteigen. Erst kurz zuvor, so offenbaren ehemalige Meeressedimente, war auch Sauerstoff bis in die Tiefen vorgedrungen – und nicht, wie lange vermutet, schon bald nach der Anreicherung in der Atmosphäre und den oberen Wasserschichten.
Ohne Molybdän aber dürfte das junge Leben in Schwierigkeiten geraten sein. So benötigen beispielsweise Cyanobakterien das Spurenelement dringend für Stickstoff-Fixierung und Wachstum. Ohne derart ins System eingespeisten Stickstoff allerdings gedeiht keine Lebensgemeinschaft höherer Organismen, die auf den Nährstoff angewiesen sind, ihn aber nicht selbst binden können. Oder kurz gefasst: kein Molybdän, kein Stickstoff, keine Blüte.
Andererseits entsteht damit ein interessanter Rückkopplungsmechanismus, denn gerade eine reiche Lebensgemeinschaft füllt als abgestorbene organische Substanz wiederum die Faulschlammablagerungen. Der Molybdän-Mangel könnte also letztendlich dazu beigetragen haben, dass die einst verbreiteten sulfidreichen Meereszonen sich selbst eindämmten und heute nur noch als Ausnahmefall zu beobachten sind.
Warum dann allerdings vor 550 Millionen Jahren das "Große Molybdän-Ereignis" auftrat und die Sauerstoff-Anreicherung auch die Tiefsee erreichte, bleibt unklar. Nachvollziehbar ist aber, dass sich in dieser Zeit die wichtigsten Stoffkreisläufe auf diesem Planeten einrichteten und so die entscheidenden Voraussetzung schufen für den großen und gut gewürzten Menüauftakt. Ein gute Brühe braucht ihre Zeit – und das richtige Quäntchen Salz zum Schluss.
Sauerstoff, das heutige Lebenselixier unzähliger Organismen, steigerte sich vom einst giftigen Spurengas zu einer Hauptkomponente in der Atmosphäre und ermöglichte damit gänzlich neue Formen des Lebens. Bis diese jedoch nach einer wahren Explosion vor 600 Millionen Jahren zur heutigen Vielfalt heranreiften, vergingen fast zwei Milliarden Jahre. Waren Mutter Natur und ihr Helferlein, die Selektion, wirklich so langsam?
Ein guter Eintopf ...
Vielleicht fehlte schlicht noch das nötige Körnchen "Salz" in der Ursuppe, meinen Clinton Scott von der Universität von Kalifornien in Riverside und seine Kollegen: das Spurenelement Molybdän. Als Kofaktor von Enzymen, die stickstoff- und schwefelhaltige Verbindungen abbauen, spielt es eine wichtige Rolle im Stoffwechselgeschehen. Und wie die Forscher nun aus alten Tonsteinen – ehemalige Schlammablagerungen – verschiedener Regionen und Epochen schließen, herrschte in den Tiefen der Ozeane noch lange ein eklatanter Mangel daran.
Heutzutage gelangt Molybdän als Verwitterungsprodukt über die Flüsse ins Meer. In sauerstoffhaltigem Milieu bleibt es lange verfügbar und setzt sich höchstens in Kombination mit Mangan-Verbindungen ab. Den weitaus größeren Anteil daran, Molybdän aus dem System zu entfernen, tragen sauerstofffreie Zonen, in denen sich das Spurenelement mit Sulfiden zusammenlagert. Im extremen Fall entstehen unter solchen Bedingungen mächtige Faulschlammschichten wie heute noch im Schwarzen Meer, welche die Forscher unter anderem als Vergleich heranzogen.
Aus den Daten ermittelten Scott und seine Kollegen nicht nur die ehemaligen Verhältnisse in der Tiefe, sondern erfassten auch die Nachschubsituation. Denn ist das Spurenelement in den oberen Wasserschichten noch verfügbar, bildet sich eine andere Gesteinssignatur als in Meeresregionen, die insgesamt an Molybdän verarmt sind.
... muss lange köcheln
Letztendlich konnten sie drei Phasen unterscheiden. So war Molybdän zu Zeiten der Sauerstoff-Anreicherung vor 2,4 Milliarden Jahren noch erwartungsgemäß mager vertreten – der Hauptlieferant, die oxidative Verwitterung, begann gerade erst an Steinen zu nagen. Die Konzentrationen bewegten sich daher sogar noch unterhalb der Vergleichswerte vom Schwarzen Meer, das selbst als Molybdän-Mangelgebiet mit geringer Zufuhr gilt. In den folgenden Jahrmillionen zeigen sich zwar erste Anzeichen einer Verbesserung, doch blieben die Gehalte niedrig – bis sie vor 550 Millionen Jahre plötzlich sprunghaft ansteigen. Erst kurz zuvor, so offenbaren ehemalige Meeressedimente, war auch Sauerstoff bis in die Tiefen vorgedrungen – und nicht, wie lange vermutet, schon bald nach der Anreicherung in der Atmosphäre und den oberen Wasserschichten.
Ohne Molybdän aber dürfte das junge Leben in Schwierigkeiten geraten sein. So benötigen beispielsweise Cyanobakterien das Spurenelement dringend für Stickstoff-Fixierung und Wachstum. Ohne derart ins System eingespeisten Stickstoff allerdings gedeiht keine Lebensgemeinschaft höherer Organismen, die auf den Nährstoff angewiesen sind, ihn aber nicht selbst binden können. Oder kurz gefasst: kein Molybdän, kein Stickstoff, keine Blüte.
Andererseits entsteht damit ein interessanter Rückkopplungsmechanismus, denn gerade eine reiche Lebensgemeinschaft füllt als abgestorbene organische Substanz wiederum die Faulschlammablagerungen. Der Molybdän-Mangel könnte also letztendlich dazu beigetragen haben, dass die einst verbreiteten sulfidreichen Meereszonen sich selbst eindämmten und heute nur noch als Ausnahmefall zu beobachten sind.
Warum dann allerdings vor 550 Millionen Jahren das "Große Molybdän-Ereignis" auftrat und die Sauerstoff-Anreicherung auch die Tiefsee erreichte, bleibt unklar. Nachvollziehbar ist aber, dass sich in dieser Zeit die wichtigsten Stoffkreisläufe auf diesem Planeten einrichteten und so die entscheidenden Voraussetzung schufen für den großen und gut gewürzten Menüauftakt. Ein gute Brühe braucht ihre Zeit – und das richtige Quäntchen Salz zum Schluss.
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