CITES: Das schwarze Loch des Artenschutzes
Bangkokbesucher mit Lust auf kostbare Elfenbeinschnitzereien haben es in diesen Tag nicht leicht, an die Objekte ihrer Begierde zu kommen. Bangkok ist zum zweiten Mal seit 2004 Gastgeber der Artenschutzkonferenz CITES (Convention on International Trade in Endangered Species), auf deren Tagesordnung der weltweit boomende illegale Handel mit Elfenbein ganz weit oben auf der Tagesordnung steht. "Elfenbein ist in den letzten Wochen vor der Konferenz aus den einschlägigen Läden und von den Märkten scheinbar verschwunden", weiß Janpai Ongsiriwattaya. "Natürlich wird es weiterhin gehandelt", erzählt die Expertin für illegalen Handel mit Wildtieren des WWF Thailand und fügt hinzu: "Es ist nur nicht mehr so sichtbar."
Gut 2000 Experten aus 178 Ländern beraten seit Sonntag auf der CITES-Konferenz im Queen-Sirikit-Konferenzzentrum zwei Wochen lang über 70 Anträge von 55 Ländern zum Artenschutz. Neben der Debatte über den Schutz existenzgefährdeter Arten wie Haie und Mantarochen, Eisbären und Tiger feiert die Tagung zudem den Erfolg des eigenen Überlebens. 40 Jahre alt wird das Abkommen, das am 3. März 1973 in der amerikanischen Hauptstadt Washington geschlossen wurde und den internationalen Handel mit gefährdeten Tieren und Pflanzen regeln soll.
Die Bilanz des Washingtoner Artenschutzabkommens kann sich prinzipiell sehen lassen. Rund 5000 Tier- und 25 000 Pflanzenarten stehen derzeit unter Schutz. Doch CITES lobt sich selbst zum Jubiläum nicht nur in den höchsten Tönen, sondern gesteht auch Probleme ein. "Es ist uns sehr bewusst, dass wir uns bei der illegalen Jagd auf Elefanten und Nashörner und dem illegalen Handel mit Elfenbein und Hörnern dem schwersten Anstieg seit Jahrzehnten gegenübersehen", klagt CITES-Generalsekretär John Scanlon. Als Hintermänner der Wilderei nennt Scanlon organisierte, international agierende kriminelle Banden und "in einigen Fällen Rebellenmilizen" wie die fundamentalistische "Widerstandsarmee des Herrn" im Kongo und Uganda.
Die neuen Zahlen sind erschreckend: War in Afrika die Wilderei von Nashörnern vor zehn Jahren fast zum Erliegen gekommen, wurden im vergangenen Jahr mehr als 660 Rhinozerosse abgeknallt, mehr als 100 bereits in den ersten zwei Monaten dieses Jahres. Die Zahl der afrikanischen Elefanten nimmt derzeit mit einer alarmierenden Rate von zehn bis elf Prozent pro Jahr ab. "Wir reden nicht mehr über ein paar Wilderer, die ein paar Nashörner oder Elefanten abschießen", warnt Achim Steiner. Der Chef des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) fügt hinzu: "Da sind ganze Syndikate von Umweltverbrechern am Werk."
Schlupfloch Thailand
Gastgeber Thailand steht als eine Drehscheibe des Schmuggels und Handels mit afrikanischem Elfenbein in der Kritik. Zwar ist auch im südostasiatischen Königreich der Elfenbeinhandel verboten – mit Ausnahme des Verkaufs von Elfenbein, das von domestizierten einheimischen Elefanten stammt, die eines natürlichen Tods gestorben sind. "Dieses gesetzliche Schlupfloch nutzt die internationale Elfenbeinmafia, um unter das legale Angebot Schmuggelware zu mischen", sagt Janpai. Erleichtert wird das blutige Geschäft durch Korruption, schwache Durchsetzung von Gesetzen und die Zersplitterung von behördlichen Zuständigkeiten und Kompetenzen.
Elfenbein geht nach China, Hörner von Rhinozerossen nach Vietnam. Der steigende Wohlstand in diesen Ländern treibt die Nachfrage nach Produkten aus diesen Tierteilen rasant nach oben. "Früher konnten sich nur wenige Elfenbein oder Medizin aus Nashornhorn leisten. Das hat sich geändert. So etwas zu besitzen oder an Freunde und Geschäftspartner zu verschenken, ist zum Statussymbol geworden", sagt Astrid Korolczuk, Nashornexpertin des WWF Deutschland. Gewissenlose Kriminelle würden die Nachfrage zudem durch gezieltes Marketing anheizen. "Zerstoßenes Nashornhorn galt als Medizin gegen Fieber. Vor nicht allzu langer Zeit dann machte in Vietnam das Horn als angebliches Mittel gegen Krebs Schlagzeilen. Prompt stiegen die Nachfrage und damit die Abschusszahlen von Nashörnern in Südafrika sprunghaft an."
Thailand kann aber auch mit massiven Erfolgen im Kampf gegen den illegalen Wildtierhandel aufwarten. Immer wieder gelingt es Zoll und Polizei, Ladungen von Elfenbein oder Wildtieren zu beschlagnahmen. Die Auffangstationen für die beschlagnahmten Bären, Affen, Tiger, Leoparden und anderes Getier bersten daher aus allen Nähten. Umgerechnet 46 000 Euro pro Monat kostet den Steuerzahler das Futter für diese Tiere. Manche lassen sich letztlich wieder auswildern, andere finden eine neue Heimat in Zoos, aber die meisten bleiben Dauergäste in den Tierasylen der Behörden.
Thailands Premierministerin Yingluck Shinawatra erfreute nun die Delegierten der CITES-Konferenz zusätzlich mit dem Versprechen, energischer gegen den illegalen Elfenbeinhandel vorgehen zu wollen. Zunächst werde das Land die Kontrollen verschärfen, um den illegalen Import von Elfenbein zu blockieren. Später könne man dann auch darangehen, den gesamten Handel gesetzlich zu verbieten, sagte Yingluck am Sonntag in ihrer Eröffnungsrede vor den 2000 Delegierten und betonte: "Niemand sorgt sich mehr um Elefanten als die Thais." Ihr Umweltminister Preecha Rengsom-Boonsuk schränkte später jedoch ein, man wolle den Handel mit legalem heimischem Elfenbein nicht generell untersagen. Stattdessen sollten alle Elefanten des Landes – mit Foto und DNA-Probe – und Händler erfasst werden. Damit könne man bei jedem Elfenbeinprodukt belegen, ob es tatsächlich aus thailändischen Beständen stamme.
Saubere Verhältnisse werden auch in der Soi 3/1, einer auch als Soi Arab bekannten Nebengasse der Sukhumvit-Straße in Bangkok, nicht geschaffen. Die Kebabstände und Schischarestaurants, vor allem aber die vielen Geschäfte für das in den Kulturen des Nahen Ostens beliebte Agarholz, weisen die Soi als Hotspot des arabischen Tourismus aus. Das meiste dieses auch als Paradies- oder Rosenholz bekannten seltenen Räucherholzes dürfte ebenfalls auf höchst verschlungen Wegen nach Bangkok gelangt sein. Alle Agarholzarten der Gattungen Aquilaria und Gyrinops fallen unter das Washingtoner Artenschutzübereinkommen. Wie der Handel mit Elfenbein oder Nashornhorn ist auch der illegale Holzhandel längst ein Milliardengeschäft. "Zwischen 50 und 90 Prozent der Rodungen in den tropischen Schlüsselländern des Amazonasbeckens, Zentralafrikas und Südostasiens gehen auf das Konto des organisierten Verbrechens", sagt Steiner. Die Holzmafia sei bei der Wahl ihrer Methoden ganz auf der Höhe der Zeit. "Sie fälschen Herkunftszertifikate oder Rodungsgenehmigungen, indem sie sich in die Computer der Behörden einhacken."
Steiner weiß um das Dilemma, in dem Thailand als eine Drehscheibe im illegalen Wildtier- und Holzhandel und gleichzeitig als Akteur gegen dieses Geschäft steckt, das weltweit mindestens so einträglich ist wie Drogen- oder Waffenhandel. "Thailand tut viel dagegen, aber es kann nicht allein handeln." Auf die Dauer könne nur die internationale Zusammenarbeit von Regierungen, Vereinten Nationen, Zivilgesellschaften und Interpol den "kriminellen Syndikaten" das Handwerk legen. Der "Schlüssel zum Erfolg" aber liege in der engen Zusammenarbeit mit den großen Abnehmerstaaten der illegalen Waren wie China oder Vietnam.
Auch die Premierministerin setzt auf internationale Kooperation bei der Bekämpfung des illegalen Handels mit Tieren und Pflanzen. Mit Blick auf eine EU-ähnliche Wirtschaftsgemeinschaft, den das Netzwerk südostasiatischer Staaten ASEAN 2015 gründen will, versprach Yingluck eine Stärkung des ASEAN Wildlife Enforcement Network (ASEAN-WEN). Die 2005 gegründete Behörde mit Sitz in Bangkok ist die regionale Agentur zur Bekämpfung des illegalen Tier- und Pflanzenhandels.
Dubiose Tiger, duftendes Holz und hoffnungsvolle Gibbons
Trotzdem müsse Thailand auch vor der eigenen Türe kehren, mahnen Umwelt- und Tierschutzorganisationen. Ihnen ist zum Beispiel der berühmte Tigertempel in Kanchanaburi ein Dorn im Auge. Über 50 Tiger leben nach Angaben des Abts Phoosit heute auf dem Gelände des Tempels – in freier Wildbahn leben in Thailand geschätzt maximal 250 Tiger. Gegen ein saftiges Entgelt können sich Tag für Tag Touristen mit den Großkatzen fotografieren lassen. Die Herkunft der Tiger ist jedoch unklar. Die Tierschutzorganisationen werfen dem Abt vor, ein Tigerzuchtprogramm und zudem einen schwunghaften Handel mit einer Tigerfarm im tiefen Dschungel von Laos zu betreiben. Beides ist sowohl nach thailändischem Recht als auch nach internationalen Tierschutzbestimmungen illegal. Der Abt hingegen preist seinen Tigertempel als Beitrag zum Schutz der vom Aussterben bedrohten Tiger. Die Behörden könnten für Klarheit sorgen, aber der Abt und sein Tigertempel bleiben seit Jahren unbehelligt.
Dass es auch anders gehen kann beim CITES-Gastgeber, belegt das Gibbon Rehabilitation Project auf Phuket: Auf der beliebten Urlaubsinsel wurden die Affen in den 1980er Jahren durch Wilderei gänzlich ausgerottet, doch seit 2002 wilderten die Mitarbeiter des Schutzprojekts wieder elf Gibbons aus. Mittlerweile vermehren sich die Tiere wieder in freier Wildbahn: ein Zeichen, dass sich die Anstrengungen lohnen. "Wir haben noch kein Tier durch Wilderer verloren", sagt Mikael Mahlberg von der Initiative. "Wir haben die volle Unterstützung von Behörden und Polizei." In einem Staat, in dem der Naturschutz oft noch auf der Verliererstraße unterwegs ist, bedeutet dies einen hoffnungsvollen Ansatz. Dem trägt auch das Gibbon Rehabilitation Project Rechnung: Der erste wild geborene Gibbon auf Phuket seit Jahrzehnten trägt den Namen "Hope".
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