Schwarze Löcher: Der Jet der Galaxie Messier 87 torkelt
Messier 87 (M87) ist eine aktive Galaxie im Sternbild Jungfrau in 55 Millionen Lichtjahren Entfernung. Ihre Aktivität lässt sich nicht nur am hellen Galaxienkern festmachen, sondern auch an einem Materiestrahl, Jet genannt, den sie ausstößt. Diese längliche Struktur ist schon seit dem Jahr 1918 bekannt und wird darauf zurückgeführt, dass das zentrale, extrem massereiche Schwarze Loch Materie, die es dank der Gravitationswirkung anzieht, zum Teil wieder herausschleudert. Dabei erreicht das Material fast Lichtgeschwindigkeit. Derartige relativistische Jets sind bei vielen Radiogalaxien, Quasaren und Blazaren zu beobachten.
Ein Team chinesischer Astronominnen und Astronomen um Yuzhu Cui vom Zhejiang Lab, einer Forschungseinrichtung in Hangzhou, hat nun im Fachjournal »Nature« eine neue Studie zum Jet von M87 vorgelegt. Sie analysierten astronomische Beobachtungen, die mit einem Verbund aus Radioteleskopen zwischen den Jahren 2000 und 2022 aufgenommen wurden. Die Forschenden kommen zu dem Schluss, dass der Jet von M87 nicht fest im Raum ist, sondern torkelt. Das geschieht mit einer Periode von elf Jahren. Das führen sie auf die schnelle Rotation des zentralen Schwarzen Lochs zurück.
Im gängigen Modell für aktive Galaxienkerne (englisch: active galactic nuclei, AGN) starten die Jets direkt am zentralen, extrem massereichen Schwarzen Loch. Sie vereinen in sich Millionen bis Milliarden Sonnenmassen – im Fall von M87 sind es 6,5 Milliarden Sonnenmassen. Dieser Wert konnte im Jahr 2019 bestätigt werden, als mit dem Event Horizon Telescope (EHT) – einem globalen Verbund von Radioteleskopen – das erste direkte Radiobild eines Schwarzen Lochs aufgenommen wurde. Es zeigt die Schwärze des kugelförmig erscheinenden Schwarzen Lochs inmitten eines hellen Plasmarings. Damals gab es auch Hinweise darauf, dass das zentrale Schwarze Loch von M87 rotieren könnte.
Wo der AGN-Jet genau startet, ist Gegenstand aktueller Forschung: Er könnte etwas weiter außen in der Akkretionsscheibe entstehen oder tatsächlich in der schnell rotierenden Raumzeit direkt am Ereignishorizont des Schwarzen Lochs. Eine Rotation des Schwarzen Lochs hat Konsequenzen für Materie und Strahlung, die sich ihm nähern. Alles, was sich in der Nähe der gefräßigen Schleuder befindet, wird in eine rasante Drehung versetzt, weil die Raumzeit selbst rotiert. In der Fachliteratur ist das als Lense-Thirring-Effekt oder auch »frame dragging« bekannt. Die innere Akkretionsscheibe muss auf Grund dieses Effekts in die Äquatorebene des rotierenden Schwarzen Lochs gezwungen werden. Von außen betrachtet torkeln Akkretionsscheibe und Jet. Befindet sich der Fuß des Jets von M87 in unmittelbarer Nähe des schnell rotierenden Schwarzen Lochs, wird dieser ebenfalls zum Mitdrehen gezwungen.
Das Team um Cui ist sich sicher, dass sie für das Jettorkeln klare Evidenz gefunden haben. Sie deuten sein Verhalten als Beleg für die Rotation des extrem massereichen Schwarzen Lochs in M87. Der genaue Wert des Rotationsparameters bleibt indes noch unklar. Dadurch dass Schwarze Löcher sich während ihrer Entstehung und Entwicklung viel Materie über Akkretion einverleibt haben, geht man in der Theorie davon aus, dass in aktiven Galaxienkernen nahe am maximal möglichen Wert rotieren. Im Extremfall rotiert der Horizont mit Lichtgeschwindigkeit.
In der Radioastronomie ist die Kopplung von irdischen Antennen, die sich zum Teil einige tausend Kilometer voneinander entfernt befinden, ein bewährtes Verfahren zur Beobachtung solcher Phänomene. Es ist unter dem Begriff Very Long Baseline Interferometry (VLBI) bekannt, was so viel heißt wie Interferometrie mit langen Basislinien.
Die mehrjährigen Beobachtungen im Radiowellen-Bereich der aktuellen Studie umfassen Daten des East Asian VLBI Network (EAVN), des Very Long Baseline Array (VLBA), des gemeinsamen Verbunds aus KVN and VERA (KaVA) sowie dem Netzwerk East Asia to Italy Nearly Global (EATING) network. Insgesamt waren weltweit 20 Radioteleskope daran beteiligt. Aus China trugen die 65-Meter-Radioschüssel in Tianma und die 26-Meter-Radioantenne in Xinjiang bei. Künftig soll das in Bau befindliche 40-Meter-Radioteleskop in Schanghai Auflösung und Empfindlichkeit dieser Radiobeobachtungen verbessern.
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