Psychosen: Das Trauma hinter Wahn und Halluzinationen
Traumatische Erfahrungen in der Kindheit erhöhen das Risiko, als Erwachsener an einer psychotischen Störung zu erkranken. Laut einer Übersichtsarbeit australischer Psychologen wirkt sich dabei die Art der Erfahrung darauf aus, welche Symptome später im Vordergrund stehen.
In ihrer Metaanalyse im »Schizophrenia Bulletin« werteten die Forscher um Thomas Bailey von der University of Melbourne 29 Veröffentlichungen aus, in denen insgesamt 4680 an Schizophrenie erkrankte Personen untersucht worden waren. Es handelte sich um Befragungen im Erwachsenenalter, in denen die Teilnehmer rückblickend über ihre Kindheit berichtet hatten.
Patienten, die frühe traumatische Erfahrungen wie beispielsweise Misshandlungen schilderten, litten in stärkerem Maß unter den so genannten Positivsymptomen der Schizophrenie. Hierzu zählen vor allem Halluzinationen und Wahnvorstellungen. Besonders ausgeprägt war der Zusammenhang zwischen sexuellem Missbrauch und dem späteren Erleben von Halluzinationen. Die »Negativsymptome« der Erkrankung – unter anderem Aufmerksamkeitsprobleme, Schlafstörungen und Antriebsminderung – waren dagegen bei jenen Versuchspersonen, die in ihrer Jugend von den Eltern vernachlässigt wurden, stärker ausgeprägt. Darunter fassten die Forscher sowohl mangelnde körperliche Fürsorge als auch emotionale Vernachlässigung zusammen.
Bereits seit Längerem spekulieren Psychologen darüber, welche Beziehungen es zwischen Kindheitserfahrungen und psychotischen Symptomen geben könnte und wie diese zu erklären sind. Manche Psychiater bringen Halluzination beispielsweise mit so genannten Flashbacks in Verbindung, die viele Traumaopfer verfolgen. Dabei werden die Betroffenen aus dem Alltag gerissen und erleben die traumatische Situation unwillkürlich noch einmal, inklusive der damit verbundenen Sinneseindrücke. Auch dissoziative Zustände, bei denen ein Teil des Geistes »abgespalten« wird, weisen Ähnlichkeiten zu Halluzinationen auf. Sie sind eine häufige Folge von Missbrauchserfahrungen. Wahnideen schließlich könnten ihren Ursprung in Gefühlen der Bedrohung und des Misstrauens haben, die auf Gewalterfahrungen in der Kindheit zurückgehen.
Dass schizophrene Patientinnen und Patienten zugleich an einer Posttraumatischen Belastungsstörung leiden, ist im klinischen Alltag keine Seltenheit. Es sei jedoch wichtig zu verstehen, in welcher Form sich furchtbare Kindheitserinnerungen direkt auf die einzelnen Symptome auswirken, schreibt das Team um Bailey. Bei Menschen, die an Schizophrenie erkrankt sind, sollten Therapeuten diese daher stets mit der gebotenen Sensibilität auch nach traumatischen Erlebnissen fragen.
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