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News: Das Universum... und der ganze Rest

Die Astronomen vom Max-Planck-Institut für Astrophysik und ihre Kollegen haben im Rahmen eines internationalen Konsortiums einen T3E-Supercomputer benutzt, um die größte Simulation dieser Art durchzuführen. Sie studierten, wie sich in einem großen Teil des gesamten beobachtbaren Universums - dem Hubble-Raum - die Materie zu einem komplexen Netz aus Wänden und Filamenten, die bei neueren Kartierungen der Galaxien entdeckt wurden, entwickelt hat.
Durch die verbesserte Rechengeschwindigkeit und Speicherkapazität der Computer ist es möglich geworden, das Wachstum der kosmischen Strukturen immer detailgetreuer und über immer größere räumliche Bereiche zu simulieren. In den letzten Wochen nutzte ein internationales Astronomenkonsortium den Parallel-Großrechner CRAY T3E mit 688er Prozessor im Computerzentrum der Max-Planck-Gesellschaft in Garching, für die Modellierung der Vorgänge.

Unser Kosmos war zu jenen Zeiten, die wir bei Messungen der Kosmischen Mikrowellenhintergrundstrahlung beobachten, sehr glatt. Das schwache Muster, das in der Intensitätsverteilung der Strahlung zu erkennen ist, stimmt überein mit dem Expansionsmodell für die Evolution des Universums in den ersten Momenten nach dem Urknall. Die Wissenschaftler glauben, daß die Entwicklung der körnigen Struktur aus dem glatten Zustand heraus durch die Gravitation bedingt ist. Ein großer Teil der dafür verantwortlichen Materie liegt nach ihrer Ansicht in einer noch nicht näher bestimmten "dunklen" Form vor. Die gegenwärtig verbreitetste Vorstellung besagt, daß diese Materie aus freien Elementarteilchen eines Typus besteht, der noch nie auf der Erde gefunden wurde. Durch ihre Gravitationskraft bewirken die Teilchen dieser sogenannten Kalten Dunklen Materie (cold dark matter, CDM) die Bildung von Galaxien, und somit indirekt auch von Sternen, Planeten und Menschen.

Die Dunkle Materie wird nur von der Gravitation beeinflußt. Deshalb läßt sich ein Computer so programmieren, daß er die Bewegungen der Materie verfolgt, während sich das Universum ausdehnt und dabei älter und klumpiger wird. In der Praxis ist es schwierig, in einem sehr großen Raum das Wachstum von Klumpen und leerem Raum zu simulieren. Der Computer muß äußerst viele Partikel Dunkler Materie bei deren Entwicklung verfolgen, um alle Gebilde wahrheitsgetreu darzustellen. Bei der Berechnung des Hubble-Raums simulierte er die Entwicklung von einer Milliarde Teilchen der Dunklen Materie – von der Epoche, welche uns die Hintergrundstrahlung hinterließ, bis zum heutigen Tag. Ausgangspunkt war der nahezu gleichförmige Zustand, den die Theorie vom inflationären Universum annimmt. Ziel der Simulation war zu klären, ob die nach diesen Theorien entstehende Materieverteilung im gegenwärtigen Universum mit jenen Mustern übereinstimmt, die in den größten existierenden (und geplanten) Karten der Galaxienverteilung verzeichnet sind.

Die Berechnungen nutzten die gesamte Speicherkapazität des Garchinger T3E aus, eines der weltweit 10 leistungsstärksten Großrechners. Ein Jahr Vorbereitung war nötig, um die Computerprogramme an einen parallelen Rechner anzupassen, und es folgte eine monatelange Arbeit, um die Effizienz zu maximieren, mit der das Gerät Daten speichert und bearbeitet. Innerhalb von nur 72 Stunden produzierte der Computer dann durch seine Berechnungen fast ein Terabyte an Ausgabedaten – das entspricht etwa 100 Zahlen für jeden Erdbewohner und reicht aus, um 800 CD-ROMs zu füllen. Der Umgang mit derartig gewaltigen Datenmengen ist schon an sich schwierig, und die Bearbeitung und Herstellung von Bildern anhand der Ergebnisse der Hubble-Raum-Simulation wurde eine der größten Herausforderungen für den Computer.

Die Einrichtung, Ausführung und Analyse einer solchen Simulation erfordert die Leistung vieler Menschen, und zum Virgo-Konsortium (der für die Berechnung in Garching verantwortlichen Gruppe) mit Sitz in Großbritannien gehören Wissenschaftler aus vier Ländern. Kanadische und britische Wissenschaftler hatten die ursprünglichen Computerprogramme geschrieben. Diese wurden für den massiven Parallelrechner CRAY T3E völlig umstrukturiert und im Computerzentrum in Garching an das Problem "Hubble-Raum" angepaßt. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Astrophysik waren verantwortlich für die Berechnung und die Ausgabedaten. Den Gesamtaufbau des Experimentes koordinierte ein Amerikaner. Die Ergebnisse werden in allen vier Ländern sowie in Frankreich studiert.

Die Analyse der Hubble-Raum-Simulation befindet sich noch in einem frühen Stadium, doch gibt es bereits jetzt einige beeindruckende Ergebnisse. Querschnitte durch die Materieverteilung zeigen Muster, die denen auf dem Boden eines Schwimmbeckens ähneln, auf das die Sonne scheint. Es sind Wände und Filamente Dunkler Materie zu sehen, die so groß sind, daß sie kaum von den größten Projekten zur Vermessung von Galaxien erfaßt würden. Die ausgedehntesten Gebiete geringer Dichte sind so weit gefaßt, daß in der nächsten Generation der kartographischen Vermessungsprojekte mit Sicherheit gewaltige Stellen leeren Raumes in der Galaxieaufteilung auftauchen werden. Die massivsten Haufen Dunkler Materie enthalten mehrere Male so viel Materie wie die größten bekannten Galaxienhaufen, was nahe legt, daß die Entdeckung der wahren "Riesenhaufen" wahrscheinlich noch bevorsteht.

Die heutigen Computer sind so leistungsstark, daß Berechnungen wie die beschriebene Simulation Bilder von künstlichen Universen erzeugen können, deren Detailgenauigkeit der einer Galaxienvermessung des gesamten sichtbaren Universums entspricht. Natürlich kann nur ein Vergleich mit einer echten Vermessung zeigen, ob diese Bilder – und mit ihnen die auf ihnen beruhenden physikalischen Hypothesen – die Wirklichkeit wahrheitsgemäß darstellen.

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