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Metrologie: Schmutz macht Urkilo schwerer

Die penible Zunft der Metrologen hat ein Problem: Ihr global gültiger Maßstab für Gewicht, der in der Nähe von Paris unter Verschluss gehaltene "internationale Kilogrammprototyp" (IPK), wiegt zwar definitionsgemäß immer genau ein Kilo, leider aber nicht konstant genau gleich viel. Das zeigten zum Beispiel Vergleiche mit den 40 Kopien des kiloschweren Platin-Iridium-Zylinders, die in unterschiedlichen Ländern der Erde als Kalibrierungsstandard aufbewahrt werden. Das Gewicht dieser Zylinder weicht demnach offensichtlich geringfügig – um weniger als 100 Mikrogramm – vom Idealgewicht ab, ohne dass dafür bislang eine Ursache sicher festzustellen gewesen wäre. Es blieb sogar umstritten, ob das eigentliche Urkilo etwa wegen intensiver Putzarbeiten leichter wird, die verschiedenen Kopien durch Materialanlagerungen schwerer werden oder beides stattfindet, womöglich auch umgekehrt. Zwei Forscher von der Newcastle University liefern nun eine neue Hypothese und Untersuchungsmethode – sowie einen Vorschlag, mit dem das Problem in Zukunft umgangen werden könnte.

Die beiden Metrologen Peter Cumpson und Naoko Sano konnten zunächst nachweisen, dass der IPK wahrscheinlich um zehn Mikrogramm an Gewicht zugelegt hat, seit er 1875 als Weltstandard etabliert wurde. Dies gelang ihnen, indem sie das Urkilo mit einem ThetaProbe-Modell für Röntgen-Fotoelektronen-Spektroskopie (ISS) analysierten – einem Gerät, das Oberflächen atomlagengenau untersuchen kann, indem es die aus dem Material emittierten Elektronen simultan und großflächig erfasst. Dabei erwies sich, dass sich sehr dünne Schichten von Kohlenwasserstoffen auf die Zylinder auflagern und diese so beschweren.

Urkilogramm in einer Computersimulation | Das echte Urkilogramm in Paris verliert oder gewinnt an Gewicht – so viel steht fest, nur die Richtung ist unklar. Physiker suchen daher nach einer neuen Referenzquelle.

Mit der gleichen Methode konnten sie aber auch den Erfolg von Reinigungsprozeduren überwachen. Wie sich zeigte, kann die dünne Schicht organischer Verunreinigungen durch Bestrahlung mit UV sowie durch Begasen mit Ozon vollständig abgetragen werden – das Urkilogramm und seine Kopien erreichen nach dem Bad wieder ein identisches Ursprungsgewicht.

Auf lange Sicht sollten Reinigungsschritte nicht notwendig bleiben, denn seit Längerem arbeiten Metrologen schon an einer neuen, zeitgemäßen Definition des Kilogramms: Es nimmt derzeit noch eine Sonderstellung im internationalen SI-Einheitensystem ein, weil es als einzige der insgesamt sieben Referenzgrößen durch ein angreifbares Artefakt definiert ist. Alle anderen – der Meter als Längenmaß, die Sekunde für die Zeit, das Ampere als Maßeinheit für den elektrischen Strom, das Kelvin für die Temperatur, das Mol als Basiseinheit der Stoffmenge sowie die Candela als Maß der Lichtstärke – sind durch Naturkonstanten festgelegt und aus ihnen jederzeit reproduzierbar.

Derzeit streiten die Forscher aber noch über die geeignetste Variante der Kilogrammneudefinition anhand einer hochexakt gemessenen physikalischen Naturkonstante. Der Meter ist so etwa an die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum gekoppelt: Ein Meter ist exakt die Strecke, die das Licht in 1/299792458 Sekunden zurücklegt. Für die Kilogrammkalibrierung käme dabei das plancksche Wirkungsquantum h ins Spiel: Diese Konstante ist bestimmt über die Größe von Energiequanten in der Quantenmechanik und mit der Frequenz von Licht gekoppelt: E = hν. Kombiniert man dies mit der berühmten Formel E = mc2, so erhält man eine Definition für die Masse. Leider ist eine genaue Bestimmung des planckschen Wirkungsquantums aber schwierig: Zwei konkurrierende Methoden lieferten zunächst recht unterschiedliche Werte, was diese Variante der Neudefinition vorerst auf Eis legte.

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