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News: Das Ypsilon-Nanoröhrchen

Seit der Entdeckung der Fullerene hat die Kohlenstoff-Forschung einen großen Aufschwung erlebt. Ähnlich beliebt wie die anorganischen Fußbälle sind bei Wissenschaftlern die winzig kleinen Kohlenstoffzylinder, die Nanoröhren. Ihre Fähigkeiten und Strukturen haben die Forscher in letzter Zeit immer besser kennengelernt. Nun konnten sie erstmals Y-förmige einwandige Kohlenstoff- Nanoröhren nachweisen.
1991, nur wenige Jahre nach der Entdeckung der Fullerene, fand der japanische Wissenschaftler Sumio Iijima die so genannten Nanoröhren. Bei diesen bilden Kohlenstoffatome winzige langgestreckte Hohlzylinder, indem sie sich zu einem Gerüst von Kohlenstoff-Sechsecken zusammenschließen. Nanoröhren können Längen bis zu 100 Mikrometern haben. Ihre Durchmesser reichen von weniger als einem bis zu mehreren Nanometern. Durch Schachtelung mehrerer Röhrchen ineinander können auch Durchmesser weit über 100 Nanometer entstehen. Von besonderem Interesse für die Miniaturisierung in der Mikroelektronik sind die einwandigen Röhren.

Das große Interesse, das die Kohlenstoffzylinder seit ihrer Entdeckung bei den Wissenschaftlern gefunden haben, ist nicht nur darauf zurückzuführen, dass sie geradezu ideal der Vorstellung eines Quantendrahts entsprechen und deswegen bestens für die physikalische Grundlagenforschung geeignet sind. Auch im Bereich der Anwendung werden verschiedene Möglichkeiten diskutiert. Aufgrund ihrer hohen Reißfestigkeit könnten sie in starke Verbundmaterialien integriert werden, erste Feldemissionsquellen aus Nanoröhren für Flachbildschirme wurden bereits realisiert. Die Fähigkeit der Nanoröhren, Wasserstoffmoleküle zu speichern, und ihr geringes Gewicht machen sie zu interessanten Kandidaten für Wasserstoffspeicher, die als Tanks für Brennstoffzellen dienen könnten. In der Elektronik diskutieren Wissenschaftler über die Möglichkeit, Nanoröhren in Bauteilen oder als dünnste Drähte zu verwenden. Dies würde eine weitere Verkleinerung von Schaltkreisen ermöglichen. Bevor diese Ideen verwirklicht werden können, bedarf es allerdings noch ausgedehnter Forschungsarbeiten.

Ein Schritt, der besonders für Anwendungen in der Elektronik von Bedeutung sein könnte, gelang nun einer Forschergruppe um Rudolf Ehlich am Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie in Berlin. Erstmals konnte sie das Wachstum von Y-förmigen Nanoröhren nachweisen, deren Wand aus nur einer Graphitschicht besteht. "Etwa zur gleichen Zeit berichtete eine andere Arbeitsgruppe über die Herstellung mehrwandiger und damit dickerer Röhren", erklärt Ehlich. Der Weltrekord bezüglich dünner Y-Röhren bleibt jedoch den Berliner Physikern vorbehalten.

Ihr Erfolg beruht vor allem auf einem neuen Herstellungsverfahren, das sich grundlegend von den heute üblichen Methoden unterscheidet und gemeinsam mit dem Ungarn L. P. Biró vom Institut für Technische Physik und Materialforschung in Budapest entwickelt wurde. Bei Standardverfahren wird gepresstes Graphitpulver, meist zusammen mit einem metallischen Katalysator, in einer Gasentladung oder mit einem Laserstrahl verdampft. Die Nanoröhren entstehen in einer Reaktionskammer bei Temperaturen um etwa 1000 Grad Celsius. Zusammen mit Resten von amorphem Kohlenstoff schlagen sie sich auf einer Trägerscheibe nieder. Nanoröhren und amorpher Kohlenstoff werden dann in einem Reinigungsprozess unter Einsatz chemischer Lösungsmittel voneinander getrennt. Einwandige Y-Röhren konnten bei diesem Verfahren noch nie gefunden werden.

Die am MBI entwickelte Methode arbeitet anders. Die Nanoröhren wachsen auf einer Graphitschicht, die durch ihre ebenfalls sechseckige Grundstruktur quasi als Schablone für die Kohlenstoffröhrchen dient. Als Ausgangsmaterial verwenden die MBI-Physiker Fullerene, die zusammen mit katalytisch wirkendem Nickelpulver bei etwa 400 Grad Celsius aus einem Tiegel verdampft werden. Durch das Nickel werden die Kohlenstoff-Fußbälle zum Teil zersetzt. Der Kohlenstoff trifft auf das Graphitsubstrat, auf dem er sich in Form von Nanoröhren abscheidet. Durch die von der Graphitunterlage vorgegebene Sechseckstruktur bilden sich wesentlich leichter Röhren. Die Anlagerung von amorphen Kohlenstoffpartikeln wird drastisch reduziert. Bringt man diese Graphitscheiben unter ein Rastertunnelmikroskop, so kann neben den bekannten ein- und mehrwandigen Nanoröhren auch die einwandige Y-förmige Variante nachgewiesen werden. Deren winzige Kohlenstoffmoleküle haben einen Durchmesser von etwas mehr als einem Nanometer. Die einzelnen Zweige sind ein bis mehrere Mikrometer lang.

"Wir sind noch ganz am Anfang mit diesen Arbeiten", gibt Ehlich zu. Denn durch weitere Experimente müssen die Wissenschaftler nun klären, warum die Verzweigungen auftreten und ob die so hergestellten Y-Röhren unbeschadet von den Graphitsubstraten abgelöst werden können.

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