Mars-Missionen: Das zweite Tagebuch
Drei Monate waren geplant, mehr als dreimal so viel sind es geworden, in denen uns die Mars-Rover Spirit und Opportunity selbst mit ersten Alterserscheinungen noch spannende Neuigkeiten von unserem roten Nachbarn übermittelten. Nun liefert auch Opportunity einen ersten Rückblick auf die Ereignisse seines Marsabenteuers.
Noch bangend um die europäische Marssonde Beagle 2, harrten Menschen weltweit dem Schicksal der beiden amerikanischen Marsbesucher, die Airbag-gepolstert Ende Januar ihre Rollen auf dem Roten Planeten aufsetzten. Die Angst war unbegründet: Sowohl Spirit wie Opportunity erreichten am 3. beziehungsweise 24. Januar 2004 unbeschadet ihre neue Heimat. Beide waren sie bestens ausgerüstet, die karge Landschaft um sie herum bis ins kleinste Körnchen zu erkunden: Eine am Mast montierte Panorama-Kamera und ein Miniaturspektrometer für Wärmestrahlung boten guten Rundumblick, während ein Roboterarm mit Alpha-Teilchen-Röntgenspektrometer und Mössbauer-Spektrometer dem Innenleben von Steinen und Sedimenten auf den Grund ging. Mit einer Art kleinem Bohrer, dem Rock Abrasion Tool, konnten beide Rover Gestein abkratzen, mit sieben Magneten feinkörniges Material anziehen und mit einer speziellen Mikroskopkamera hoch aufgelöste Aufnahmen mit dreißig Mikrometern pro Pixel von ihren Forschungsobjekten machen.
Nun ist es an der Zeit, für Opportunity einen Rückblick auf die ersten drei Monate zu machen, in denen der offenbar nimmermüde kleine Rover 812 Meter zurücklegte – Tagesrekord waren 140 Meter. Ergebnisse gibt es genug, um zumindest für das von ihm besuchte Gebiet unseres nächsten Nachbarn etwas genauere Vorstellungen zu entwickeln [1].
Knirschender Untergrund
Ein Stein, der aus dem Rahmen fällt
Nicht so ganz ins Bild passte zunächst der Bounce Rock, so benannt, weil er in der Nähe des Aufschlags eines der Airbags lag. Die mineralogische und chemische Zusammensetzung des vierzig Zentimeter großen Brockens ähnelt weder den sonstigen Proben in der Meridiani-Ebene noch den Daten, die Spirit im Gusev-Krater ermittelte. Das basaltische Gestein enthält als einziges Eisenmineral Pyroxen, und das Mineral Olivin, sonst in den Proben präsent, fehlt. Interessanterweise aber stimmen die chemischen und mineralischen Befunde mit denen von Mars-Meteoriten überein. Und auch dieses Gestein weicher als erwartet – Spirit musste auf der anderen Marsseite eine ganze Größenordnung mehr Kraft aufwenden, um frische Basaltoberflächen in seinem Untersuchungsgebiet abzuraspeln.
Wahrscheinlich stammt der fremdartige Brocken aus einem benachbarten, recht frisch anmutenden Krater von 25 Kilometer Durchmesser. Schon Mars Odyssey hatte Hinweise auf herausgeschleuderte Gesteinsreste in dessen Umkreis gefunden. Die Überprägung durch einen Einschlag und den anschließenden Flug und Aufprall würde auch die mürbe Konsistenz erklären. Und: Das Material wäre damit wohl Zeuge der unter den Sedimenten liegenden vulkanischen Schichten [5,6,9].
Verstaubter Blick nach oben
Doch blickte Opportunity nicht nur zu Boden, er streckte seine technischen Fühler auch nach oben in die Atmosphäre und verfolgte so Marstag um Marstag die Temperaturen. Sie liegen um Sonnenaufgang am niedrigsten, steigen dann während des Morgens und Nachmittags an, um am frühen Abend schnell und während der Nacht langsamer wieder zu sinken. Im Abstand von halben Minuten strömten warme und kalte Luftpakete durch das empfindliche "Auge" des Emissionsspektrometers. Tagsüber erwärmen sich die unteren hundert Meter der Atmosphäre stärker als es dem normalen, adiabatischen Temperaturgradienten entspricht. Die dünne Luft ist nicht in der Lage, die Wärme durch Konvektion schnell nach oben abzuführen, weshalb es zu Turbulenzen in der oberflächennahen Schicht kommt. Gegen 17.00 Uhr bricht diese Schicht jedoch zusammen und wird durch eine Inversionslage ersetzt – bei der es unten also kälter ist als oben –, die sich im Laufe der Nacht stabilisiert und erst mit der morgendlichen Erwärmung verschwindet [10]. Während der drei Monate verschlechterte sich außerdem die Sichtweite in der Atmosphäre im sichtbaren Wellenlängenbereich um ein Drittel – Staub trübte den Blick [11], passend zur Beobachtung der zugesetzten Solarpanele.
Insgesamt ergibt sich damit das Bild eines riesigen Geländes, das gelegentlich von flachem Wasser überflutet wurde und immer wieder austrocknete. Die Sedimente bestehen zu über fünfzig Prozent aus Verwitterungsmaterial des darunter basaltischen Gesteins der Gegend und etwa zu vierzig Prozent aus Sulfatmineralen. Die verbleibenden zehn Prozent sind Hämatit in den kugeligen Konkretionen. Diese waren bei der Durchfeuchtung der Ablagerungen mit Grundwasser ausgefallen und wurden später durch Winderosion freigelegt. Die Hohlräume verraten als Negativform ehemals dort lagernde Minerale, wahrscheinlich Sulfate, die ausgeschwemmt wurden. Die Meridiani-Ebene hatte also wohl wirklich eine nasse Vergangenheit – doch liegt diese weit zurück: mehrere Milliarden Jahre, so schätzen die Forscher, sind seit der Sedimentation vergangen. Und erst lange nach dieser Zeit lagerte sich der Sandboden auf jenen Gesteinsschichten ab. Woher er stammt, bleibt unklar – seiner Zusammensetzung zufolge ist er kein Verwitterungsrest des Gesteins. Stammt er aus Staubwolken, die sich beim Einschlag von Gesteinsbrocken bildeten? Oder zeugen sie von einer ehemals noch auf den Sedimenten liegenden Schicht? Gegen das erste sprechen die Unterschiede in der Zusammensetzung des Bounce Rock, gegen das zweite die Topografie und mangelnde sonstige Hinweise auf weitere Schichten. Vielleicht also kam das Material schlicht mit den starken Winden auf dem Roten Planeten herangeweht.
Für Leben ein entschiedenes "Vielleicht"
Und wie sieht es aus mit der immer spannenden Frage nach Leben? Die Bedingungen, die einst in der Meridiani-Ebene geherrscht haben, erinnern stark an die sauren und salzhaltigen Wässer in Bergbauregionen wie dem spanischen Rio Tinto. Hier gibt es sehr wohl einige Spezialisten, welche in dieser höchst unwirtlichen Umwelt überleben. Gut möglich also, dass auch jene Mars-Region die passenden Voraussetzungen geboten hat. Ob diese aber auch genutzt wurden, bleibt weiterhin ein großes Rätsel.
Nun ist es an der Zeit, für Opportunity einen Rückblick auf die ersten drei Monate zu machen, in denen der offenbar nimmermüde kleine Rover 812 Meter zurücklegte – Tagesrekord waren 140 Meter. Ergebnisse gibt es genug, um zumindest für das von ihm besuchte Gebiet unseres nächsten Nachbarn etwas genauere Vorstellungen zu entwickeln [1].
Opportunity war in die Meridiani-Ebene des Roten Planeten geschickt worden, weil laut Messungen des Mars Global Surveyor dort Hämatit in größeren Mengen zu erwarten war – ein Mineral, dessen Entstehung meist eng mit Wasservorkommen zusammenhängt. Außerdem sollte die flache Oberfläche eine einigermaßen sichere Landung ermöglichen. Wie der erste Vor-Ort-Rundblick denn auch bestätigte, weist das dortige Gelände nur Unebenheiten im Zentimeter bis Meterbereich auf, leichtes Terrain also für das sechsrädrige Gefährt [2] – abgesehen vielleicht von dem Staub, der sich auf den Solarpanelen ablagerte und so nach und nach die Energieversorgung des Rovers erschwerte [3].
Knirschender Untergrund
Die Böden jener Ebene bestehen überwiegend aus feinkörnigem und gut sortiertem basaltischen Sand in der Größenordnung von 50 bis 150 Mikrometern. Körner dieser Größe setzen sich auf dem Mars leicht in Bewegung, indem sie quasi hüpfend über die Oberfläche geblasen werden. Die an manchen Stellen nur wenige Zentimeter und insgesamt wohl meist nur ein bis zwei Meter mächtige Bodenschicht ist durchsetzt von Staub aus der Atmosphäre und Überresten der sulfatreichen Gesteinsschicht im Untergrund, die an manchen Stellen auch zutage tritt [4]. Analysen mit dem Mössbauer- und dem Röntgenspektrometer zeigten, dass sich die Hämatitvorkommen auf Konkretionen – kleine, Gesteinskügelchen – beschränken, die über die gesamte Oberfläche verstreut sind [5,6] und bei denen das Mineral tatsächlich mehr als die Hälfte der Masse ausmacht. Die Messungen der Wärmeabstrahlung, mit denen die Verteilung verschiedener Minerale an der Oberfläche erfasst werden können, bestätigten dies: Das Auftreten der Kügelchen stimmte eng mit dem Emissionssignal für Hämatit überein [7].
Jene grauen Kügelchen mit ihren vier bis sechs Millimetern Durchmesser – der Form und Farbe wegen augenzwinkernd "blueberries" getauft – beschäftigten die Wissenschaftler sehr. Als Opportunity mit seinen zahlreichen Messgeräten ein Stückchen des Untergrundgesteins näher unter die Lupe nahm, stellte sich heraus, dass die Konkretionen durch Winderosion aus diesem Material herauswittern [8]. Ihre reiche Zahl an der Oberfläche findet sich in tieferen Schichten nicht wieder – wie an Gräben oder offenen Felskanten zu sehen war, erreichen sie dort gerade einmal ein bis zwei Prozent. Während das umliegende Material also offenbar verwitterte und abtransportiert wurde, blieben die resistenteren Kügelchen übrig und reicherten sich an. Das zeigt sich auch an den schmalen Gesteins-Graten, die an manchen der Konkretionen zu beobachten sind: Diese konnten offenbar im Windschatten überdauern. Nimmt man die Verteilung in den tieferen Schichten, dann müsste die an der Oberfläche gezählte Menge vorher in etwa einem Meter Gestein gesteckt haben, das nun erodiert ist. Die Kruste, welche die Kügelchen teilweise überzieht, könnte von Salzausfällungen stammen, die sich während der Freilegung in den obersten Zentimetern noch im Gestein bildeten.
Das Gestein selbst besteht aus mittel- bis grobkörnigen, geschichteten Sandlagen, verbacken durch einen feinkörnigen Zement und abgesehen von den Kügelchen durchzogen von winzigen, flachen Hohlräumen [9]. Beim Raspeln stellte sich heraus, dass das Material weicher als erwartet war – es war also wohl nach der Ablagerung noch einmal umgestaltet und verändert worden. Die hohen Sulfatgehalte gehen überwiegend auf Sulfatsalze zurück, und das Mössbauer-Spektrometer wies in allen Proben das Eisensulfat Jarosit nach – ein weiterer Hinweis auf eine feuchte Vergangenheit jener Region. Außerdem zeigten sich in den Sedimenten teilweise Kreuzschichtungen, also Bereiche, in denen die einzelnen Lagen aus verschiedenen Richtungen herantransportiert wurden. Nur wovon – Wind oder Wasser? Beides ist möglich, doch weist die Form der bei dem Prozess gebildeten wellenartigen Rippel darauf hin, dass die Sedimente in schwach strömendem Wasser abgelagert wurden, erklären die Forscher.
Ein Stein, der aus dem Rahmen fällt
Nicht so ganz ins Bild passte zunächst der Bounce Rock, so benannt, weil er in der Nähe des Aufschlags eines der Airbags lag. Die mineralogische und chemische Zusammensetzung des vierzig Zentimeter großen Brockens ähnelt weder den sonstigen Proben in der Meridiani-Ebene noch den Daten, die Spirit im Gusev-Krater ermittelte. Das basaltische Gestein enthält als einziges Eisenmineral Pyroxen, und das Mineral Olivin, sonst in den Proben präsent, fehlt. Interessanterweise aber stimmen die chemischen und mineralischen Befunde mit denen von Mars-Meteoriten überein. Und auch dieses Gestein weicher als erwartet – Spirit musste auf der anderen Marsseite eine ganze Größenordnung mehr Kraft aufwenden, um frische Basaltoberflächen in seinem Untersuchungsgebiet abzuraspeln.
Wahrscheinlich stammt der fremdartige Brocken aus einem benachbarten, recht frisch anmutenden Krater von 25 Kilometer Durchmesser. Schon Mars Odyssey hatte Hinweise auf herausgeschleuderte Gesteinsreste in dessen Umkreis gefunden. Die Überprägung durch einen Einschlag und den anschließenden Flug und Aufprall würde auch die mürbe Konsistenz erklären. Und: Das Material wäre damit wohl Zeuge der unter den Sedimenten liegenden vulkanischen Schichten [5,6,9].
Verstaubter Blick nach oben
Doch blickte Opportunity nicht nur zu Boden, er streckte seine technischen Fühler auch nach oben in die Atmosphäre und verfolgte so Marstag um Marstag die Temperaturen. Sie liegen um Sonnenaufgang am niedrigsten, steigen dann während des Morgens und Nachmittags an, um am frühen Abend schnell und während der Nacht langsamer wieder zu sinken. Im Abstand von halben Minuten strömten warme und kalte Luftpakete durch das empfindliche "Auge" des Emissionsspektrometers. Tagsüber erwärmen sich die unteren hundert Meter der Atmosphäre stärker als es dem normalen, adiabatischen Temperaturgradienten entspricht. Die dünne Luft ist nicht in der Lage, die Wärme durch Konvektion schnell nach oben abzuführen, weshalb es zu Turbulenzen in der oberflächennahen Schicht kommt. Gegen 17.00 Uhr bricht diese Schicht jedoch zusammen und wird durch eine Inversionslage ersetzt – bei der es unten also kälter ist als oben –, die sich im Laufe der Nacht stabilisiert und erst mit der morgendlichen Erwärmung verschwindet [10]. Während der drei Monate verschlechterte sich außerdem die Sichtweite in der Atmosphäre im sichtbaren Wellenlängenbereich um ein Drittel – Staub trübte den Blick [11], passend zur Beobachtung der zugesetzten Solarpanele.
Insgesamt ergibt sich damit das Bild eines riesigen Geländes, das gelegentlich von flachem Wasser überflutet wurde und immer wieder austrocknete. Die Sedimente bestehen zu über fünfzig Prozent aus Verwitterungsmaterial des darunter basaltischen Gesteins der Gegend und etwa zu vierzig Prozent aus Sulfatmineralen. Die verbleibenden zehn Prozent sind Hämatit in den kugeligen Konkretionen. Diese waren bei der Durchfeuchtung der Ablagerungen mit Grundwasser ausgefallen und wurden später durch Winderosion freigelegt. Die Hohlräume verraten als Negativform ehemals dort lagernde Minerale, wahrscheinlich Sulfate, die ausgeschwemmt wurden. Die Meridiani-Ebene hatte also wohl wirklich eine nasse Vergangenheit – doch liegt diese weit zurück: mehrere Milliarden Jahre, so schätzen die Forscher, sind seit der Sedimentation vergangen. Und erst lange nach dieser Zeit lagerte sich der Sandboden auf jenen Gesteinsschichten ab. Woher er stammt, bleibt unklar – seiner Zusammensetzung zufolge ist er kein Verwitterungsrest des Gesteins. Stammt er aus Staubwolken, die sich beim Einschlag von Gesteinsbrocken bildeten? Oder zeugen sie von einer ehemals noch auf den Sedimenten liegenden Schicht? Gegen das erste sprechen die Unterschiede in der Zusammensetzung des Bounce Rock, gegen das zweite die Topografie und mangelnde sonstige Hinweise auf weitere Schichten. Vielleicht also kam das Material schlicht mit den starken Winden auf dem Roten Planeten herangeweht.
Für Leben ein entschiedenes "Vielleicht"
Und wie sieht es aus mit der immer spannenden Frage nach Leben? Die Bedingungen, die einst in der Meridiani-Ebene geherrscht haben, erinnern stark an die sauren und salzhaltigen Wässer in Bergbauregionen wie dem spanischen Rio Tinto. Hier gibt es sehr wohl einige Spezialisten, welche in dieser höchst unwirtlichen Umwelt überleben. Gut möglich also, dass auch jene Mars-Region die passenden Voraussetzungen geboten hat. Ob diese aber auch genutzt wurden, bleibt weiterhin ein großes Rätsel.
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