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Wissenschaft im Alltag: Das Zylinderschloss

Moderne Schließanlagen sind Kunstwerke der Feinmechanik, doch auch sie bieten keine absolute Sicherheit.
Zylinderschloss
Sperrtechnik, so bezeichnet der Fachjargon nüchtern einen Wettstreit: Mit einem Mix aus moderner Materialtechnik, Physik und Mathematik machen Hersteller von Sicherheitssystemen wie dem Zylinderschloss Dieben und Einbrechern das Leben schwer. Auch wenn jede Verriegelung letztlich zu knacken ist, soll der erforderliche Aufwand Kriminelle abschrecken. Das Grundprinzip mechanischer Schlösser ist einfach und war schon in der Antike bekannt. Ein Federmechanismus drückt einen Riegel fest in eine Eintiefung im Türrahmen, ein Schlüssel vermag diesen Riegel zurückzuschieben. Damit einem Dieb nicht ein einfacher Haken als Dietrich genügt, blockieren Sperrstifte den Riegel. Über das Profi des Schlüsselbarts werden sie angehoben und geben so den Weg frei. Auch dieses Prinzip war bereits den Römern bekannt.

Schlüssel im Zylinderschloss | Indem der Schlüssel – sofern sein Profil passt – Sperrstifte wegdrückt, kann er auch die so genannte Nase bewegen. Damit Einbrecher den Zylinder nicht aufbohren können, besteht er in hochwertigen Schlössern aus Spezialstahl.
Derart einfache Systeme eignen sich heute allenfalls für den Wohnzimmerschrank oder das Gartenhäuschen. Vom Fahrradschloss bis zur Firmenschließanlage ist das Zylinderschloss der Sicherheitsstandard. Der Schlüssel bewegt eine Walze in einem Röhrchen und dreht dabei auch eine metallene Nase, die in einer Nut dieser Röhre verläuft. Die wiederum greift in einen Mechanismus ein, der letztlich den oder die Türriegel zurückzieht. Durch die Metallhülse greifen auch bis zu zwanzig Sicherungsstifte, die eine Drehung des Zylinders verhindern. Sie bestehen aus dem eigentlichen Stift und einem mit einer Feder versehenen Bolzen. Wird nun der passende Schlüssel eingeführt, hebt oder drückt sein Profi l diese Elemente so, dass alle Stifte auf einer Linie liegen und in der Walze verschwinden – sie lässt sich nun drehen.

Spitzenprodukte wie die des deutschen Herstellers Winkhaus haben nicht nur senkrecht, sondern auch quer angreifende Sicherungen, die über Eintiefungen in den Seitenflächen des Schlüssels bewegt werden. Sogar magnetische Systeme sind auf dem Markt: Winzige Magnete im Schlüssel ziehen Riegel an oder stoßen sie ab.

Vom "Schließbart" zur "Falle" | Der Schlüssel dreht die Nase und diese zieht einen Riegel zurück. Nun ist die Tür entsperrt. Weiterdrehen des Schlüssels oder Herunterdrücken einer Klinke betätigt dann die Falle – die Tür öffnet sich.
Ein einfacher Bart verfügt bereits über fünf Positionen für die Kerben, jede davon kann etwa acht mögliche Tiefen haben. Das ergibt bereits 32 768 mögliche Profile. Der Fülle an Kombinationen entspringen Hierarchien, wie sie Schließanlagen benötigen. Zum Beispiel für ein Mehrfamilienhaus: Jeder Bewohner kann mit seinem Schlüssel Haustür und allgemeine Kellerräume öffnen, darüber hinaus aber nur seine eigene Wohnung. Oder die Hierarchie für einen Schulkomplex: Der Hausmeister muss sämtliche Räume betreten können, ein Turnlehrer neben dem Lehrerzimmer und seinen Klassenräumen die entsprechenden Übungsstätten et cetera. Je komplexer ein System ist, desto mehr Kombinationen stehen zur Verfügung: Das Risiko einander ähnlicher Schlüssel wird sehr klein. Gegen unbefugtes Kopieren schützt die zum jeweiligen Schließsystem gehörenden Sicherungskarte: Nur ihr Besitzer erhält einen Nachschlüssel.

Wie aber gelingt es Einbrechern dennoch immer wieder, ihr Ziel zu erreichen? Und wie können Schlüsseldienste Personen helfen, die sich selbst ausgesperrt haben? Wurde die Tür gar nicht verriegelt, genügt eine schlichte Scheckkarte. Zwischen Tür und Türblatt gegen die Schräge des Riegels geschoben, drückt sie ihn zurück. Diesen Trick nutzen Einbrecher auch, um in Häuser einzudringen, die "Scheckkarte" ist dann eine Metallplatte. Es lohnt also in jedem Fall, beim Verlassen eines sensiblen Bereichs wirklich abzuschließen. Geübte öffnen Mittelklasseschlösser aber auch in wenigen Minuten. Über eine Spange bringen sie ein Drehmoment an den Zylinder. Er würde im Schloss rotieren, wären nicht die ausgefahrenen Sperrstifte. Diese werden dann nacheinander mit feinen Instrumenten abgetastet und schnappen zurück. Der Zylinder lässt sich nun genau einmal drehen. Spezielle Sicherungsriegel lassen sich auf diese Weise aber nicht überlisten. Sie reagieren empfindlich: Weil sie ja nicht sauber vom Schlüssel in Position gebracht werden, rutschen sie sozusagen an der Walze entlang, die sich auf Grund des Drehmoments bewegt. Die Sicherungsriegel verkanten und blockieren das Schloss gegen weitere unsachgemäße Bewegung.

Mancher Einbrecher bemüht sich erst gar nicht darum, ein Schloss zu öffnen. Einfache Produkte lassen sich herausziehen, aufbohren oder komplett herausschneiden. Ist der Zylinder erst einmal entfernt, kann man den Türriegel leicht mit einer Zange aus dem Türblatt herausziehen. Sicherheitstürbeschläge helfen gegen das Ziehen. Sehr gute Schlösser bestehen zudem aus harten Legierungen, haben einen Kern aus Spezialstahl und unter Umständen weitere verstärkte Bereiche. Ein spezieller Bolzen verankert den Zylinder in der Tür.

Doch auch das beste Zylinderschloss bringt keine Sicherheit, wenn es leicht zu umgehen ist. Daher muss die Tür auch wandseitig gesichert werden – durch Einbau eines speziellen Sicherheitstürblatts, das fest in der Wand verschraubt ist.


Wussten Sie schon?

  • Um 1650 kamen Schlüssel mit profiliertem Bart auf, die Schlosser Ehemann in Nürnberg und Freitag in Gera erfanden zeitgleich das Türschloss. Das Zylinderprinzip entwickelte der Amerikaner Linus Yale 1844.

  • Tresorschlösser haben mehrere Riegel, eine Erf ndung aus dem Jahr 1818. Hintereinander liegende Lamellen werden von den Stufen im Schlüsselbart in die richtige Position angehoben, um jeweils einen Kanal für den Riegel freizugeben. Das aus Filmen bekannte Nummernschloss ergänzt dieses Prinzip lediglich: Wird die richtige Zahl eingestellt, fällt ein Riegel in eine andere Position und gibt die Tür frei.

  • Heutige Zylinderschlösser sind oft modular aufgebaut, bestehen also aus einzelnen, kombinierbaren Zylinderelementen. Wird beispielsweise eine Tür gegen eine stärkere ausgetauscht, kann das Schloss durch Anbau weiterer Module der Türdicke angepasst werden.

  • Schließsysteme in Unternehmen und sicherheitsrelevanten Einrichtungen ersetzen häufi g mechanische Schlüssel durch Chipkarten. Das ermöglicht Zusatzfunktionen wie etwa die Arbeitszeiterfassung oder die Steuerung von Licht und Heizung. Gegen den Autodiebstahl wurden Funk- und Infrarotschlüssel entwickelt, die einen verschlüsselten Code senden.
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