News: Daueralarm
Was einmal in Gang gesetzt wurde, muss auch wieder abgeschaltet werden. Das geschieht jedoch nicht immer, gefährliche Autoimmunkrankheiten sind daraufhin die Folge. So greift bei der insulinabhängigen Diabetes mellitus das Immunsystem die insulinbildenden Inselzellen der Bauchspeicheldrüse an. Bei der rheumatoiden Polyarthritis schädigen Entzündungsreaktionen Knorpel und Knochen von Gelenken. Beim systemischen Lupus erythematosus treten Immunreaktionen gegen Zellkomponenten wie Nucleinsäuren auf, die beim normalen Abbau von Gewebszellen freigesetzt werden.
Bei der Suche nach der Ursache für diese fatalen Überreaktionen des Körpers konnten mutierte Mäuse den beiden Wissenschaftlern Qingxian Lu und Greg Lemke vom Salk Institute weiterhelfen. Bei den Mäusen waren die Gene Tyro3, Mer und Axl defekt, diese Gene codieren für bestimmte Rezeptoren auf der Zelloberfläche. Dabei handelt es sich um Tyrosin-Kinasen, die Phospatgruppen an die Aminosäure Tyrosin in intrazellulären Proteinen anhängen, sobald sie ein Signal von außen erhalten. Diese Phosphorylierung ist den Wissenschaftlern als Regulationssignal bei vielen Prozessen bekannt – jedoch nicht im Zusammenhang mit Autoimmunkrankheiten.
Lu und Lemke entdeckten nun, dass ihre Knock-out-Mäuse typische Symptome für Autoimmunkrankheiten zeigten: Ihre Milz war zehnmal größer als normal, und die Tiere produzierten einen Überschuss an Lymphocyten, wozu auch die B- und T-Zellen des Immunsystems gehören.
Offensichtlich, so vermuten die Forscher, sind die Rezeptoren Tyro3, Mer und Axl dafür verantwortlich, das Immunsystem zu stoppen. "Wenn diese Rezeptoren fehlen, dann werden die antigenpräsentierenden Zellen nie abgeschaltet", erklärt Lemke. "Sie bleiben im Alarmzustand und halten auch die Lymphocyten in diesem Zustand. Dadurch bleibt das gesamte Immunsystem dauerhaft aktiviert."
Interessanterweise reagierten die Mäuse je nach Geschlecht unterschiedlich auf den genetischen Defekt. "Bei unseren Mäusestämmen traten schwerere Autoimmunprobleme bei den Weibchen auf, deren durchschnittliche Lebensspanne zwölf Wochen kürzer als bei den Männchen war", erzählt Lemke. "Das ist auch bei vielen menschlichen Autoimmunkrankheiten der Fall. So wird beispielsweise Lupus etwa zehnmal häufiger bei Frauen als bei Männern diagnostiziert."
Diese Ähnlichkeit spricht dafür, dass ähnliche Rezeptoren auch bei Autoimmunkrankheiten des Menschen eine Rolle spielen. Dem wollen die Forscher jetzt nachgehen, wie Lemke erläutert: "Ein wichtiger folgender Schritt ist die Suche nach Veränderungen dieser Gene bei Menschen mit Autoimmunkrankheiten wie Arthritis, Lupus oder Diabetes. Die Genprodukte könnten dann Kandidaten für den Angriff von Medikamenten sein, sodass die Funktion der abgelesenen Proteine wieder auf ein normales Maß angekurbelt wird."
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