Delarivier Manley: Ein Leben für Skandale und Lügen
Ihr Leben war skandalös, doch ihre Bücher waren noch skandalöser. Dem heutigen Publikum erschließt sich das Anrüchige in ihrem Werk zwar nicht ohne Weiteres, doch zu Beginn des 18. Jahrhunderts war Delarivier Manley eine der meistgelesenen Autorinnen Großbritanniens. Ihre Romane fanden reißenden Absatz. In ihren Geschichten, die häufig vor exotischer Kulisse spielten, verbreitete die Autorin Gerüchte über die Machtelite Londons – vor allem über die Whigs (von »whiggamore«, Stutentreiber), seinerzeit die gegnerische Partei der konservativen Tories. Klatsch und Tratsch waren Manleys Geschäft, und sie packte eine Menge davon zwischen die Deckel ihrer Bücher.
Nicht von ungefähr verpasste ihr ein zeitgenössischer Literaturkritiker den Namen »Scandalosissima Scoundrelia« – »skandalträchtigste Schurkerella«. Als Anhängerin der Torys lag der Schriftstellerin viel daran, tatsächliche oder vermeintliche Verfehlungen prominenter Whig-Politiker anzuprangern, ohne sie beim Namen zu nennen. Und bei den Briten kamen ihre satirischen Werke sehr gut an.
»Der von Manley bevorzugte ›allegorische Stil‹ beinhaltete, unter Veränderung der Namen und mancher Begleitumstände skandalöse Geschichten über erkennbare reale Personen zu erzählen«, schreibt die emeritierte Literaturwissenschaftlerin Catherine Gallagher von der University of California in Berkeley in »Nobody's Story«, einer Studie über englische Schriftstellerinnen im 17. und 18. Jahrhundert. Als ein weiteres Mittel der bewusst dürftigen Verschleierung nutzte Manley den Kniff, das Geschehen in ihren Romanen an weit entfernte historische, exotische oder mythische Schauplätze zu verlegen, etwa auf eine fiktive Insel im Mittelmeer oder an den Hof Karls des Großen.
Zu einem regelrechten Bestseller wurde ihr 1709 veröffentlichter Roman »Secret Memoirs and Manners of Several Persons of Quality, of Both Sexes. From the New Atalantis, an Island in the Mediterranean«. Innerhalb weniger Jahre lag das Buch auch in mehreren Übersetzungen vor. Die deutsche Ausgabe erschien 1713 unter dem Titel »Die Atalantis der Madame Manley. Oder eine geheime Nachricht von denen vornehmsten Personen in Engelland und derselben Intriquen«. Das Original habe wahrscheinlich mitgeholfen, »1710 die Regierung der Whigs zu stürzen, und es beeinflusste die Entwicklung des Romans in England«, urteilt Rachel Carnell, Professorin für Anglistik an der Cleveland State University, in ihrer Biografie über Manley.
Delarivier Manley war beliebt und unbeliebt zugleich
Obschon die »Atalantis« ein sensationeller Publikumserfolg war und mehrere Auflagen erlebte – selbst noch nach Jahrzehnten, als die meisten Leser mit den tagesaktuellen Bezügen kaum mehr etwas anfangen konnten –, verblasste Manleys Ruhm in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts rapide. Bis sie schließlich so gut wie vergessen war. Wer sich dennoch ihrer erinnerte, tat dies selten wohlwollend. Mehr als 200 Jahre nach ihrem Ableben schimpfte Winston Churchill (1874–1965), Manleys Werk sei voller »Obszönitäten und Beleidigungen« und strotze von »erlogenen Erfindungen einer unzüchtigen und schmutzigen Unterwelt«. Für den britischen Staatsmann und Literaturnobelpreisträger ging es allerdings um die Familienehre, schließlich hatte Manley in ihren Schriften seinen Urahn John Churchill (1650–1722), den Herzog von Marlborough, und dessen Frau Sarah (1660–1744) nie geschont – auch und vor allem nicht in »The New Atalantis«.
Das Werk verhandelt vor der Kulisse einer reichlich exotischen Fantasieinsel im Mittelmeer aktuelle Entwicklungen in der britischen Gesellschaft. Es geht um den Hof der seit 1702 regierenden Königin Anne, die ab 1707 als erste Monarchin über das neu gegründete Königreich Großbritannien herrschte. Kommt die Königin noch gut weg, so verhöhnt Manley eine Clique von in ihren Augen habgierigen und illoyalen Frauen und Männern, die über viel zu viel Einfluss verfügen würden – freilich allen voran die regierenden Politiker der Whigs und deren Unterstützer. Dazu gehörte auch der Oberbefehlshaber der englischen Truppen im Spanischen Erbfolgekrieg, John Churchill, ebenso wie seine Gattin, die seit ihrer Kindheit eine der engsten Vertrauten der Königin war.
Die Handlung des knapp 250 Seiten dicken Buchs ist überschaubar: Astrea, die Göttin der Gerechtigkeit, kommt auf die entlegene Mittelmeerinsel Atalantis herab, wo sie ihrer in Lumpen gekleideten Mutter Virtue begegnet, der Tugend. Gemeinsam wandeln die unsichtbaren Göttinnen geleitet von einer irdischen Dame namens Lady Intelligence über die Insel, beobachten und besprechen die Sitten und Taten ihrer Bewohner. Es steht natürlich schlecht um die Moral auf dem Eiland. In einer Reihe lose zusammenhängender Anekdoten werden die überirdischen Damen nun Zeuginnen der gesellschaftlichen und individuellen Verderbtheit der Insulaner. Allenthalben begegnen ihnen Heimtücke, Untreue und Habgier, finden Orgien statt und Inzest, tummeln sich skrupellose Verführer und geschändete Jungfrauen.
Bürgerkrieg auf der Insel
Britannien hatte unruhige politische Zeiten hinter sich. Fast das gesamte 17. Jahrhundert lang war die Insel Schauplatz eines Machtkampfs: Die absolutistisch und katholisch gesinnten Monarchen aus dem Hause Stuart stritten sich mit dem mehrheitlich protestantischen Parlament. 1649 hatten die Puritaner, die das Parlament unterstützten, einen siebenjährigen Bürgerkrieg gegen die Königstreuen für sich entschieden, anschließend König Karl I. enthauptet, die Republik verkündet und eine Diktatur errichtet. Wie viele andere Royalisten verbrachte auch Delariviers Vater Sir Roger Manley, ein Offizier des niederen Adels mit literarischen Ambitionen, die elf Jahre der Puritanerherrschaft im Exil.
Bei ihrer Geburt in den Jahren vor 1670 war er allerdings längst heimgekehrt und diente erneut an wechselnden Standorten in der britischen Armee. So auch auf der Kanalinsel Jersey, wo das Mädchen als viertes von fünf Kindern zur Welt kam. Die Mutter, eine französischsprachige Adelige aus den Spanischen Niederlanden (heute Belgien), starb noch vor Delariviers fünftem Geburtstag, die ihren ungewöhnlichen Vornamen nach der gleichnamigen Gattin des Gouverneurs von Jersey erhielt.
Aus der Kindheit der Autorin gibt es kaum verlässliche Informationen. Offenbar wurde sie zu Hause unterrichtet. Ob sie jedoch tatsächlich, wie sie behauptet, eine umfassend »liberale« Erziehung wie männliche Adelssprosse genoss, ist ungewiss. Unbestritten ist, dass Delarivier außergewöhnlich belesen war und über ein bemerkenswertes Allgemeinwissen verfügte.
Das Parlament obsiegte
Sie war noch keine 20 Jahre alt, als sich der nächste Umsturz ereignete: Die Glorious Revolution von 1688 stieß mit Jakob II. (1633–1701) einen weiteren Stuartkönig mit absolutistischen Ambitionen vom Thron und vertrieb ihn aus dem Land. Im Januar 1689 setzte das Parlament den Protestanten Wilhelm III. von Oranien (1650–1702) und seine Frau Maria, die protestantische Tochter des Katholiken Jakob, als neues Monarchenpaar ein. Damit hatten die Protestanten den Dauerkonflikt des Jahrhunderts endgültig zu ihren Gunsten entschieden. Mit der im selben Jahr von Ober- und Unterhaus verabschiedeten sowie von König Wilhelm anerkannten »Bill of Rights« wurden die Rechte des Parlaments bestätigt und erweitert. Unter anderem konnte fortan kein Monarch ohne dessen Zustimmung Steuern und Abgaben erheben oder ein stehendes Heer unterhalten. Die absolute Monarchie war damit auf der britischen Insel am Ende, noch ehe sie existierte. 1701 sicherte sich das Parlament zudem mit dem »Act of Settlement« ein Mitbestimmungsrecht bei der Thronfolge, von der Katholiken nunmehr grundsätzlich ausgeschlossen blieben.
Als Delarivier Mitte der 1690er Jahre mit zwei wenig erfolgreichen Theaterstücken ihre schriftstellerische Laufbahn begann, bestand zwar weitgehend Konsens über die neue Machtverteilung zwischen König und Parlament, aber die politische Auseinandersetzung verlief noch immer entlang der Trennlinie, die sich im Konflikt mit den Stuartkönigen herausgebildet hatte. Die Whigs waren entschiedene Gegner des Monarchen gewesen, den sie schon seinerzeit wegen seines katholischen Glaubens von der Thronfolge ausgeschlossen sehen wollten. Sie waren die eigentlichen Träger der Glorious Revolution und hatten die Absetzung des Königs vorangetrieben. Die Tories hingegen hatten den Ausschluss aus der Thronfolge abgelehnt, galten daher als tendenziell katholikenfreundlich, königstreu und konservativ – wie die aus ihnen entstandene Partei.
Im Gegensatz zu ihnen waren die antikatholischen Whigs entschiedene Befürworter eines britischen Engagements im Spanischen Erbfolgekrieg, der in den Jahren von 1701 bis 1714 tobte. England focht gemeinsam mit Österreich, Preußen und weiteren Verbündeten gegen den französischen König Ludwig XIV. In John Churchill, dem Oberbefehlshaber der britischen Streitkräfte in diesem Konflikt, hatten die Whigs einen natürlichen Verbündeten gefunden, zumal seine Frau als überzeugte Anhängerin ihrer Partei galt. Delarivier Manley, Tochter eines royalistischen Offiziers, war hingegen eine Tory – und verachtete Churchill als Verräter. Schließlich gehörte er zu jenen protestantischen Offizieren, die König Jakob just in dem Moment die Treue kündigten, als er sie am meisten brauchte: als Wilhelm von Oranien während der Glorious Revolution mit Truppen an der Küste Englands landete. Churchill war damals mit anderen auf dessen Seite übergelaufen.
Die Verfehlungen von Churchills Alter Ego
Manley ließ Churchill in ihrer »Atalantis« hinter einem halben Dutzend Fantasienamen versteckt auftreten: unter anderem als Count Fortunatus, einem treulosen und undankbaren Liebhaber, der seine Gönnerin und Geliebte schmählich für eine jüngere und bessere Partie sitzen lässt. Churchill hatte nämlich nicht nur seinen König verraten, sondern auch die Affäre mit der Herzogin von Cleveland beendet, die ihm mit dem Geschenk von stattlichen 5000 Pfund den steilen Aufstieg in der Gesellschaft ermöglicht hatte – nur um Sarah Jennings zu heiraten, die Freundin der Königin, die seiner Karriere in Zukunft noch sehr viel nützlicher sein sollte.
Habgierig und ausschließlich auf den eigenen Vorteil bedacht, lässt sich Fortunatus seine Liebesdienste bezahlen. Er erweist sich als illoyal und undankbar. Schlicht: Er ist ein Mann, dem man nicht trauen kann. »Manley verwendet viel mehr Seiten darauf, zu beschreiben, wie Marlborough Cleveland abservierte, als auf seinen Abfall von Jakob II.«, schreibt Carnell. »Doch die Leser werden die Parallelen zwischen den beiden Situationen sofort erfasst haben und auch den Stellenwert seiner ›Undankbarkeit‹, einer in persönlichen wie politischen Beziehungen unschönen Eigenschaft.«
Natürlich wussten auch die britischen Leserinnen und Leser genau, von welcher Insel hier wirklich die Rede war – und sie kannten die realen Vorbilder der atalantischen Schurkinnen und Bösewichte. Und wer nicht Bescheid wusste, konnte in den »keys« nachsehen. Einige Wochen nach dem Buch veröffentlichte der Verleger separate Listen, in denen die realen Vorbilder der meisten Figuren leserfreundlich aufgeschlüsselt wurden.
Neben dem Ehepaar Churchill und einer vermeintlichen Geheimgesellschaft prominenter und angeblich lesbischer Whigfrauen nahm Manley auch Sidney Godolphin (1645–1712) ins Visier. Er war zwar ein Tory, aber mit den Whigs verbündet und einer der einflussreichsten Männer in der Regierung Königin Annes. Auch die Familie des mächtigen Whigs William Cowper (1665–1723), des letzten Lordkanzlers von England und ab 1707 des ersten Lordkanzlers von Großbritannien, blieb nicht verschont. Seine Mutter Sarah Cowper meinte zwar in ihrem Tagebuch, der Schmutz, mit dem Mrs. Manley die ihren bewerfe, sei alt und »so vertrocknet, dass er nicht mehr anhaften wird«, trotzdem wurde die Autorin wegen aufrührerischer Verleumdung festgenommen und verbrachte einige Tage im Gefängnis.
Im Verhör verteidigte sich Manley jedoch erfolgreich mit der Aussage, sie habe doch lediglich einen Roman geschrieben, alle Geschichten seien frei erfunden und reine Produkte ihrer schriftstellerischen Inspiration. Um ihr das Gegenteil zu beweisen, hätten die betroffenen Whigs die referierten Anekdoten bestätigen müssen. Das wollte aus naheliegenden Gründen keiner tun. Manley kam wieder frei und publizierte kurze Zeit darauf einen zweiten Band der »Atalantis« mit noch mehr schmutzigen Gerüchten.
Was Manley über sich selbst schrieb
In diesem zweiten Band ist auch »Delia’s story« enthalten. Dabei handelt es sich um einen autobiografischen Einschub Manleys, der neben wenigen Briefen und Dokumenten eine der ergiebigsten Quellen zu ihrem Leben darstellt. Die Autorin selbst hatte nämlich testamentarisch verfügt, dass ihre persönlichen Papiere vernichtet werden sollten. Bei den autobiografischen Passagen handelt es sich freilich um ein umsichtig konstruiertes Eigenbild, das Manley für die Nachwelt erhalten wissen wollte. »Ihr Leben besteht aus einem Schwarm von Gerüchten, Lügen und Übertreibungen, die eine sorgfältig gestaltete öffentliche Persönlichkeit umgeben«, schreiben die Literaturwissenschaftlerinnen Aleksondra Hultquist und Elisabeth Matthews in ihrem Essayband zu Leben und Schaffen der Autorin.
Ein Teil ihrer Selbstbeschreibungen steht auch in »The Adventures of Rivella; Or, The History of the Author of the Atalantis« aus dem Jahr 1714. Die Handlung ist bescheiden: Der junge Chevalier D'Aumont ist eigens aus Frankreich angereist, um eine sexuelle Beziehung mit Rivella (also Manley) einzugehen. Der ältere Sir Lovemore, der sich lange vergeblich um die Gunst der Titelheldin bemüht hat, erzählt ihm deren Lebensgeschichte.
Als ihr Vater 1687 starb, erbte Manley 200 Pfund sowie die Einkünfte aus einem bescheidenen Landbesitz. Zugleich wurde sie mit ihrer jüngeren Schwester unter die Vormundschaft ihres Cousins John Manley gestellt. Dieser war nicht nur Tory, Parlamentsabgeordneter, Trinker und Spieler, sondern auch verheiratet. Doch er erzählte Delarivier Manley, er sei verwitwet – und ehelichte sie. 1691 wurde ein Sohn geboren, und erst drei Jahre darauf will die Autorin festgestellt haben, dass die erste Frau ihres Mannes noch lebte. »Horror! Verblüffung! Gefühl des Ehrverlusts! Die Meinung der Welt«, heißt es in »Rivella«. Ob sie tatsächlich unwissentlich in die Bigamie geraten ist, lässt sich nicht mehr feststellen. Jedenfalls trennte sich das Paar 1694, und – das bescheidene Erbe war verbraucht – Delarivier Manley stand ziemlich mittellos da.
Als England die Pressefreiheit einführte
Noch im selben Jahr machte Manley das Schreiben zu ihrem Beruf. Das war damals ungewöhnlich für eine Frau, doch sie hatte ein Vorbild: Die 1689 verstorbene Schriftstellerin Aphra Behn hatte mit ihren Theaterstücken und Romanen fast zwei Jahrzehnte lang das Publikum begeistert. Dass sich Frauen überhaupt literarisch betätigen konnten, hing mit den Veränderungen im Land zusammen. Das Ende der Puritanerherrschaft hatte zu einer gesellschaftlichen Liberalisierung geführt, der Triumph des Parlamentarismus zu einer politischen. Weil sich das Parlament geweigert hatte, das Zensurgesetz zu verlängern, führte England als erstes Land 1695 die Pressefreiheit ein. Die nunmehr weitgehend unregulierte Publizistik auf der Insel erlebte einen ungeheuren Boom und bot bei entsprechendem Talent zur Schriftstellerei eine einfache Möglichkeit, Geld zu verdienen – auch für Frauen und sogar für solche mit nicht ganz perfekten Lebensumständen.
Nach ersten Versuchen als Theaterautorin wandte sich Manley bald der Prosa zu. Der Erfolg setzte aber erst mit der »Atalantis« ein. So genannte Geheimgeschichten (»secret histories«) wie diese lagen damals voll im Trend. Nach der Glorious Revolution hatten Whig-Autoren in ihnen all die geheimen Verfehlungen lasterhafter Monarchen und ihrer Günstlinge »aufgedeckt«. Und nun prangerte Mrs. Manley die Heuchelei, Raffgier und Lasterhaftigkeit der Whigs an. Als sie 1710 unter dem Titel »Memoirs of Europe towards the Close of the Eighth Century« (Denkwürdigkeiten aus Europa am Ende des 8. Jahrhunderts) eine weitere zweibändige, diesmal historisch verschleierte Geheimgeschichte vorlegte, hatte die Königin die Whig-Regierung bereits entlassen und die Ministerämter Torys anvertraut.
Im Jahr darauf fiel auch das Herzogspaar von Marlborough in Ungnade. Sarah verlor das Vertrauen der Königin, John seine politischen Ämter und schließlich auch das Oberkommando über die Truppen. Sie gingen ins Exil nach Hannover und kehrten erst nach dem Tod der Königin 1714 nach England zurück.
Die Wirkung von Manleys Schriften
Ob und wie weit Manley mit ihren Schriften tatsächlich zum Sturz der Regierung und der Churchills beitrug, ist schwer zu beurteilen. Doch zweifellos hatten die weitgehende Pressefreiheit und die Propaganda der Torys eine gewisse Wirkung. »Zunehmend wurde die Presse zu einem politischen Forum«, schreibt die Literaturwissenschaftlerin Gallagher. »Unsere moderne Auffassung, dass Politik auf öffentlicher Auseinandersetzung beruht, und nicht auf heimlichen Manövern oder auf der Macht von Waffen, wurde zu jener Zeit erst erfunden.«
Auch Manley trat nun vermehrt als politisch-polemische Autorin in den Dienst der neuen Regierung und schrieb Propagandatexte für die Torys. Aus dieser Zeit sind Briefe an den Schatzkanzler Robert Harley erhalten, den sie an ihre Verdienste um die gemeinsame Sache erinnerte und um eine Belohnung bat – die er ihr offenbar gewährte. Sie arbeitete auch an »The Examiner« mit und übernahm für einige Ausgaben die Herausgeberschaft der Tory-Zeitung. Mit dem Tod der Königin 1714 endete allerdings die Tory-Regierung; ihr Nachfolger Georg I. (1660–1727) betraute wieder Whigs mit den Staatsgeschäften.
Und um Manley wurde es ruhiger. Neben den Neuauflagen ihres Erfolgsbuchs erschien nur noch »The Power of Love in Seven Novels« (1720). Darin nahmen auffällig viele Frauen gewaltsam Rache an den Männern, die sie betrogen und verraten haben. So wie John Manley sie belogen hatte und John Churchill alle Welt. Delarivier Manley, die auf Grund ihrer illegitimen Ehe nicht als respektable Frau galt und mit wechselnden Männern in wilder Ehe lebte, starb vor 300 Jahren, am 11. Juli 1724, im Haus des Verlegers John Barber, mit dem sie die letzte Dekade ihres Lebens verbracht hatte.
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