Dunkle Materie: Dem Dunklen auf der Spur
Zuweilen kann sich der eine oder andere des Eindrucks wohl nicht erwehren, dass die Physiker Geister jagen. Unzählige Detektoren liefern sich täglich ein Rennen um den ersten eindeutigen Nachweis der Teilchen, aus denen die Dunkle Materie – eine gänzlich unsichtbare Substanz – bestehen soll. Noch größere und empfindlichere befinden sich im Bau. Nur wenn in mehreren Detektoren übereinstimmende Spuren Dunkler Materie auftauchen, sind die Zweifel aus dem Weg geräumt. Zurzeit herrscht jedoch eher Verwirrung, denn die Resultate der verschiedenen Detektoren widersprechen sich.
Zwar scheinen zwei voneinander unabhängige Experimente beide einen Fluss Dunkler Materie zu sehen, der durch ihre Apparaturen strömt. Ein anderer Detektor soll bloß eine Handvoll Teilchen nachgewiesen haben, die auf Dunkle Materie hindeuten. Noch ein anderes Experiment hat hingegen nicht die geringsten Anzeichen der gejagten Substanz entdeckt. Und dann ist da auch noch das allgegenwärtige, berüchtigte und wohl auch gefürchtete Hintergrundrauschen, das nicht mit den echten Signalen verwechselt werden darf.
Seit Jahrzehnten beobachten die Astronomen, wie Galaxien, Galaxienhaufen und gar noch größere kosmische Strukturen unter dem Einfluss einer starken Gravitationskraft stehen, die sie einer unsichtbaren Substanz zuschreiben, der Dunklen Materie. Deren Natur ist noch unbekannt, doch scheint sie beinahe ein Viertel der Masse im Universum auszumachen und damit die gewöhnliche sichtbare Materie um das 5,5-Fache zu übertreffen. Um die Gravitation zu erklären, muss die Dunkle Materie äußerst massereich sein. Überdies darf sie nur sehr schwach wechselwirken, sonst wäre sie ihren Jägern bestimmt schon in die Falle getappt.
So liegt es nah, dass die meisten Detektoren nach schwach wechselwirkenden, massereichen Teilchen suchen, die wohl aus den ersten Augenblicken des Universums stammen. Diese Teilchen, aus dem Englischen entlehnt auch bekannt als WIMPs (weakly interacting massive particles), könnten Sterne, Planeten und Menschen unzählige Male durchdringen, ohne Spuren zu hinterlassen, die ihre Existenz belegen würden.
Tief unter der Erde lauern die Detektoren
Um der Dunklen Materie dennoch habhaft zu werden, verfolgen die bekannten Detektoren alle dieselbe Strategie: Tief unter der Erde – geschützt vor kosmischer und anderer Strahlung, die irreführende Signale erzeugen könnte – wartet ein massereiches Zielobjekt, dessen Material frei von Verunreinigungen, also so rein wie nur möglich sein muss, darauf, dass endlich ein Dunkle-Materie-Teilchen auf einen seiner gewöhnlichen Atomkerne trifft. Sobald dies geschieht, erfährt der getroffene Kern einen Rückstoß, der sich messen lässt. Je größer die Masse des Zielmaterials ist, umso wahrscheinlicher wird es, dass die Teilchen der Dunklen Materie einen Atomkern erwischen.
Verschiedene Experimente setzen auf die Supersymmetrie. Diese Theorie postuliert, dass zu jedem der bekannten Elementarteilchen, die vom Standardmodell beschrieben werden, ein viel massereicherer und noch unbeobachteter Partner existiert. Die Supersymmetrie sagt die Existenz von WIMP-Teilchen voraus, den Neutralinos. Das leichteste Neutralino ist ein natürlicher Kandidat für Dunkle Materie, da es genügend massereich, nur schwach wechselwirkend und insbesondere stabil ist.
Große Anstrengungen auf der Jagd nach dem Neutralino unternimmt das Experiment XENON, das sich im Gran Sasso National Laboratory in Italien befindet und im Inneren des Bergs Gran Sasso liegt. Das Zielmedium besteht, wie der Name des Detektors erahnen lässt, aus dem flüssigen Edelgas Xenon. Dieses Experiment soll sich ideal dazu eignen, WIMP-Teilchen am unteren Ende des von der Supersymmetrie auferlegten Massenbereichs nachzuweisen. Noch hat der Detektor aber nicht die geringste Spur dieser Teilchen gefunden. Die Wissenschaftler sind überzeugt, dass WIMP-Teilchen mit einer Masse geringer als 100 Gigaelektronvolt hätten auftauchen müssen.
Das in einem stillgelegten Bergwerk im Norden des US-Bundesstaats Minnesota untergebrachte CDMS-Experiment (Cryogenic Dark Matter Search) sucht einen ähnlichen Massenbereich wie XENON ab. Zu Beginn des vergangenen Jahres erregte das CDMS-Team Aufsehen, als es verkündete, zwei Signale nachgewiesen zu haben, die von Dunkler Materie zu stammen scheinen. Die Wissenschaftler blieben aber realistisch und gestanden ein, dass es sich bei den beiden Ereignissen genauso gut um Hintergrundrauschen handeln könnte. Die Nullresultate von XENON und CDMS deuten darauf hin, dass der untersuchte untere Massebereich wohl für Dunkle Materie nicht in Frage kommt – wenn es da nicht die widersprüchlichen Resultate zweier anderer Detektoren gäbe.
Echte Signale oder bloß Hintergrundrauschen?
Während die Sonne um das Zentrum unserer Galaxis kreist, bewegt sich das gesamte Sonnensystem mit 220 Kilometern pro Sekunde durch den unsichtbaren kosmischen Hintergrund aus Dunkler Materie. Auf die irdischen Detektoren sollten also mit dieser Geschwindigkeit Teilchen der Dunklen Materie treffen. Da die Erde die Sonne umrundet, erwarten die Wissenschaftler, dass die Geschwindigkeit jährlich um 30 Kilometer pro Sekunde variiert. Das Team des Detektors DAMA/LIBRA (Dark Matter Large Sodium Iodide Bulk for Rare Processes), das sich den Platz im Berg Gran Sasso mit XENON teilt, behauptet nun, ein solches periodisches Signal über dreizehn Jahre hinweg beobachtet zu haben. Dieses Ergebnis basiert auf der Annahme, dass das Hintergrundrauschen über die Jahre hinweg konstant ist. Wäre das wahr, widerspräche diese Beobachtung den Resultaten von XENON und CDMS.
Gerade als vom CDMS-Experiment die Nachricht kam, bis auf zwei womöglich zum Hintergrundrauschen gehörenden Signalen nichts gefunden zu haben, tauchten die ersten Daten eines weiteren Detektors auf: Das Experiment CoGeNT (Coherent Germanium Neutrino Technology) soll hunderte Ereignisse nachgewiesen haben, die auf Dunkle-Materie-Teilchen mit Massen zwischen sieben und elf Gigaelektronvolt hindeuten, sofern denn das Hintergrundrauschen diese Signale nicht vorgaukelt. Dabei war dieser Detektor doch konstruiert worden, um diese eigentlich für zu gering gehaltenen Massen endgültig auszuschließen.
Das Rätsel um die Natur der Dunklen Materie ist also noch lange nicht gelöst. Vielleicht besteht die unsichtbare Substanz aus ganz anderen Teilchen, als bisher in Erwägung gezogen, oder gar aus einem Zoo an unterschiedlichen Teilchen. Bereits heute sind die Detektoren um das Tausendfache empfindlicher als noch vor zwanzig Jahren und die Empfindlichkeit wird in den kommenden Jahren weiter zunehmen. Die Jagd nach der Dunklen Materie bleibt spannend.
Rahel Heule
Zwar scheinen zwei voneinander unabhängige Experimente beide einen Fluss Dunkler Materie zu sehen, der durch ihre Apparaturen strömt. Ein anderer Detektor soll bloß eine Handvoll Teilchen nachgewiesen haben, die auf Dunkle Materie hindeuten. Noch ein anderes Experiment hat hingegen nicht die geringsten Anzeichen der gejagten Substanz entdeckt. Und dann ist da auch noch das allgegenwärtige, berüchtigte und wohl auch gefürchtete Hintergrundrauschen, das nicht mit den echten Signalen verwechselt werden darf.
Seit Jahrzehnten beobachten die Astronomen, wie Galaxien, Galaxienhaufen und gar noch größere kosmische Strukturen unter dem Einfluss einer starken Gravitationskraft stehen, die sie einer unsichtbaren Substanz zuschreiben, der Dunklen Materie. Deren Natur ist noch unbekannt, doch scheint sie beinahe ein Viertel der Masse im Universum auszumachen und damit die gewöhnliche sichtbare Materie um das 5,5-Fache zu übertreffen. Um die Gravitation zu erklären, muss die Dunkle Materie äußerst massereich sein. Überdies darf sie nur sehr schwach wechselwirken, sonst wäre sie ihren Jägern bestimmt schon in die Falle getappt.
So liegt es nah, dass die meisten Detektoren nach schwach wechselwirkenden, massereichen Teilchen suchen, die wohl aus den ersten Augenblicken des Universums stammen. Diese Teilchen, aus dem Englischen entlehnt auch bekannt als WIMPs (weakly interacting massive particles), könnten Sterne, Planeten und Menschen unzählige Male durchdringen, ohne Spuren zu hinterlassen, die ihre Existenz belegen würden.
Tief unter der Erde lauern die Detektoren
Um der Dunklen Materie dennoch habhaft zu werden, verfolgen die bekannten Detektoren alle dieselbe Strategie: Tief unter der Erde – geschützt vor kosmischer und anderer Strahlung, die irreführende Signale erzeugen könnte – wartet ein massereiches Zielobjekt, dessen Material frei von Verunreinigungen, also so rein wie nur möglich sein muss, darauf, dass endlich ein Dunkle-Materie-Teilchen auf einen seiner gewöhnlichen Atomkerne trifft. Sobald dies geschieht, erfährt der getroffene Kern einen Rückstoß, der sich messen lässt. Je größer die Masse des Zielmaterials ist, umso wahrscheinlicher wird es, dass die Teilchen der Dunklen Materie einen Atomkern erwischen.
Verschiedene Experimente setzen auf die Supersymmetrie. Diese Theorie postuliert, dass zu jedem der bekannten Elementarteilchen, die vom Standardmodell beschrieben werden, ein viel massereicherer und noch unbeobachteter Partner existiert. Die Supersymmetrie sagt die Existenz von WIMP-Teilchen voraus, den Neutralinos. Das leichteste Neutralino ist ein natürlicher Kandidat für Dunkle Materie, da es genügend massereich, nur schwach wechselwirkend und insbesondere stabil ist.
Große Anstrengungen auf der Jagd nach dem Neutralino unternimmt das Experiment XENON, das sich im Gran Sasso National Laboratory in Italien befindet und im Inneren des Bergs Gran Sasso liegt. Das Zielmedium besteht, wie der Name des Detektors erahnen lässt, aus dem flüssigen Edelgas Xenon. Dieses Experiment soll sich ideal dazu eignen, WIMP-Teilchen am unteren Ende des von der Supersymmetrie auferlegten Massenbereichs nachzuweisen. Noch hat der Detektor aber nicht die geringste Spur dieser Teilchen gefunden. Die Wissenschaftler sind überzeugt, dass WIMP-Teilchen mit einer Masse geringer als 100 Gigaelektronvolt hätten auftauchen müssen.
Das in einem stillgelegten Bergwerk im Norden des US-Bundesstaats Minnesota untergebrachte CDMS-Experiment (Cryogenic Dark Matter Search) sucht einen ähnlichen Massenbereich wie XENON ab. Zu Beginn des vergangenen Jahres erregte das CDMS-Team Aufsehen, als es verkündete, zwei Signale nachgewiesen zu haben, die von Dunkler Materie zu stammen scheinen. Die Wissenschaftler blieben aber realistisch und gestanden ein, dass es sich bei den beiden Ereignissen genauso gut um Hintergrundrauschen handeln könnte. Die Nullresultate von XENON und CDMS deuten darauf hin, dass der untersuchte untere Massebereich wohl für Dunkle Materie nicht in Frage kommt – wenn es da nicht die widersprüchlichen Resultate zweier anderer Detektoren gäbe.
Echte Signale oder bloß Hintergrundrauschen?
Während die Sonne um das Zentrum unserer Galaxis kreist, bewegt sich das gesamte Sonnensystem mit 220 Kilometern pro Sekunde durch den unsichtbaren kosmischen Hintergrund aus Dunkler Materie. Auf die irdischen Detektoren sollten also mit dieser Geschwindigkeit Teilchen der Dunklen Materie treffen. Da die Erde die Sonne umrundet, erwarten die Wissenschaftler, dass die Geschwindigkeit jährlich um 30 Kilometer pro Sekunde variiert. Das Team des Detektors DAMA/LIBRA (Dark Matter Large Sodium Iodide Bulk for Rare Processes), das sich den Platz im Berg Gran Sasso mit XENON teilt, behauptet nun, ein solches periodisches Signal über dreizehn Jahre hinweg beobachtet zu haben. Dieses Ergebnis basiert auf der Annahme, dass das Hintergrundrauschen über die Jahre hinweg konstant ist. Wäre das wahr, widerspräche diese Beobachtung den Resultaten von XENON und CDMS.
Gerade als vom CDMS-Experiment die Nachricht kam, bis auf zwei womöglich zum Hintergrundrauschen gehörenden Signalen nichts gefunden zu haben, tauchten die ersten Daten eines weiteren Detektors auf: Das Experiment CoGeNT (Coherent Germanium Neutrino Technology) soll hunderte Ereignisse nachgewiesen haben, die auf Dunkle-Materie-Teilchen mit Massen zwischen sieben und elf Gigaelektronvolt hindeuten, sofern denn das Hintergrundrauschen diese Signale nicht vorgaukelt. Dabei war dieser Detektor doch konstruiert worden, um diese eigentlich für zu gering gehaltenen Massen endgültig auszuschließen.
Das Rätsel um die Natur der Dunklen Materie ist also noch lange nicht gelöst. Vielleicht besteht die unsichtbare Substanz aus ganz anderen Teilchen, als bisher in Erwägung gezogen, oder gar aus einem Zoo an unterschiedlichen Teilchen. Bereits heute sind die Detektoren um das Tausendfache empfindlicher als noch vor zwanzig Jahren und die Empfindlichkeit wird in den kommenden Jahren weiter zunehmen. Die Jagd nach der Dunklen Materie bleibt spannend.
Rahel Heule
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