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News: Dem Erstickungstod entronnen

Offenbar sorgt der Blutfarbstoff Hämoglobin nicht nur in Säugetieren für eine ausreichende Versorgung mit Sauerstoff. Forscher entdeckten, dass das Protein in Pflanzen eine ähnliche Rolle spielt - und ihnen damit das Überleben in sauerstoffarmen Böden ermöglicht.
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Die Funktion des roten Blutfarbstoffs hat längst in die Lehrpläne der Schulen Einzug gefunden. Das Hämoglobin, wie dieses Pigment auch heißt, bindet in der Lunge den Sauerstoff der Luft und gibt ihn – über den Blutweg – an die Organe ab. Ohne diesen Transportmechanismus wäre menschliches Leben nicht möglich, da die oberflächenfernen Zellen andernfalls dem Erstickungstod ausgeliefert wären.

Diese Zusammenhänge sind in Säugetieren hinreichend erforscht. Weit weniger bekannt ist, dass auch Pflanzen über Hämoglobin verfügen. Allerdings ließe sich darüber streiten, ob es wirklich diesen Namen verdient, denn die Proteinsequenz – also die Abfolge der Aminosäuren im Hämoglobinmolekül – unterscheidet sich bis zur Unkenntlichkeit von dem Blutfarbstoff der Säuger.

Lediglich die Teile des Proteins, die für die räumliche Struktur des Proteins und der Sauerstoffbindung unerlässlich sind, gleichen sich in Tieren, Pflanzen und Pilzen. Die Vermutung, dass Hämoglobin die Sauerstoffversorgung von Pflanzen sichert, läge demnach auf der Hand. Dennoch haben Wissenschaftler bislang vermutetet, dass der primäre Nutzen des Hämoglobins darin liegt, symbiotischen Bakterien im Wurzelbereich eine optimale Sauerstoffzufuhr zu sichern.

Diese Auffassung stellten die Forscher um Peter Hunt von der Commonwealth Scientific and Industrial Research Organization im australischen Canberra in Frage. Für ihre Studien zogen die Wissenschaftler das beliebteste Untersuchungsobjekt der Pflanzengenetiker, die Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana), heran. Diese modifizierten sie so, dass sie übermäßig viel Hämoglobin bildete, und setzten sie einer künstlichen Atmosphäre aus. Anstelle der üblichen 21 Prozent enthielt diese nur 5 Prozent beziehungsweise 0,1 Prozent Sauerstoff.

Die Ergebnisse der Studie sprechen eine eindeutige Sprache: Während durch Sauerstoffmangelbedingungen die meisten Kontrollpflanzen das Zeitliche segneten, überlebten rund zwei Drittel der gentechnisch veränderten Pflanzen diese Tortur. Und je geringer der Sauerstoffgehalt der Luft war, umso besser konnten sie sich gegen ihre natürlichen Kollegen durchsetzen.

Die transgenen Pflanzen schienen nicht nur resistenter gegenüber Sauerstoffmangel zu sein, sondern wuchsen mehr oder weniger unbeeindruckt weiter. Im Vorteil waren die Superpflanzen aber nicht nur in der künstlichen Atmosphäre: Selbst unter normalen Sauerstoffbedingungen wuchsen die Pflanzen, die das Hämoglobin-Gen überexprimierten, deutlich schneller. Unklarheit herrscht jedoch noch darüber, ob durch das zusätzliche Sauerstoffangebot die Größe oder die Anzahl der Zellen zunahm.

Dass die Perspektiven, die sich mit diesen Erkenntnissen eröffnen, auf ein finanzielles Interesse stoßen dürften, steht außer Frage. Denn mit derart gentechnisch veränderten Pflanzen ließe sich die landwirtschaftliche Produktion auf sauerstoffarmen Böden deutlich verbessern. Allerdings bleibt fraglich, ob das auch Akzeptanz in der Bevölkerung fände.

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