Himmelskörper: Dem Tscheljabinsk-Meteorit auf der Spur
Wohl kaum ein Meteoritenabsturz wurde je so zahlreich durch Augenzeugenberichte und Videos dokumentiert wie der Impakt von Tscheljabinsk am 15. Februar: Im Internet finden sich zahlreiche Filmsequenzen, die den Weg des Boliden vom Eintritt bis zu seiner Zerstörung zeigen – für Astronomen ein seltener Glücksfall, denn so können sie seine Flugbahn und damit auch seine potenzielle Herkunft im All rekonstruieren. Eine erste Einschätzung legten nun die Astronomen Jorge Zuluaga und Ignacio Ferrin von der Universidad de Antioquia im kolumbianischen Medellín und der schwedische Amateurastronom Stefan Geens auf seinem Blog Ogle Earth vor.
Sie bedienten sich dabei zahlreicher Videos, die in sozialen Netzwerken kursieren, und offizieller Angaben über Masse, Geschwindigkeit und Energiefreisetzung des Gesteinsbrocken, wie sie zum Beispiel die NASA veröffentlichte. Außerdem gehen russische Behörden mittlerweile sicher davon aus, dass Fragmente des Meteoriten rund 70 Kilometer von der Stadt Tscheljabinsk im Tschebarkulsee niedergegangen sind. Vor allem die Aufnahme einer Webcam am Platz der Revolution in Tscheljabinsk lieferte wertvolle Daten: Sie zeigt, wie Laternenmasten im gleißenden Schein des Boliden ihre Schatten werfen und diese mit der Flugbahn des Geschosses wandern. Mithilfe von Triangulationsberechnungen ermittelten sie daraus die Höhe, Horizontalwinkel und Position des Meteoriten in der Atmosphäre an dem Punkt, an dem er hell zu leuchten beginnt, sowie den weiteren Verlauf seines Flugs. Der Bolide begann demnach in einer Höhe von 32 bis 47 Kilometern hell aufzuleuchten, bevor er nach wenigen Sekunden zerplatzte und seine Detonationswellen die starken Zerstörungen in der russischen Metropole anrichteten. Ursprünglich war der Himmelskörper dabei mit bis zu 68 400 Kilometern pro Stunde unterwegs, wie die Analyse andeutet. Erste Schätzungen der NASA beliefen sich auf eine Geschwindigkeit von 50 000 Kilometern pro Stunde: Er war also vielleicht sogar noch schneller unterwegs.
Ausgehend von diesen Werten rechneten Zuluaga und Ferrin dann mit dem Programm Software Naval Observatory Vector Astrometry zurück, welchen Weg das Geschoss zuvor im All nahm – das Programm berechnet, wie die Gravitation der Monde und Planeten in unserem Sonnensystem die Flugbahn von Kometen und Meteoriten beeinflusst. Der Tscheljabinsk-Meteorit gehört demnach mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zu den so genannten Apollo-Asteroiden, einer Gruppe von erdnahen Himmelskörpern, deren Flugbahn den Weg unseres Planeten kreuzen können. Viele von ihnen stammen ursprünglich aus dem Asteroiden-Hauptgürtel unseres Sonnensystems zwischen Mars und Jupiter; der Gasriese wirft mit seiner Schwerkraft jedoch immer wieder Gesteinsbrocken aus ihrer Bahn und sorgt so dafür, dass sie im Bereich der inneren Planeten ihre Kreise ziehen. Momentan kennt man mehr als 4100 Asteroiden des Apollo-Typs; darunter sind etwa 240, die einen Durchmesser von einem Kilometer und mehr aufweisen – ihr Einschlag hätte katastrophale Folgen für die Erde.
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