News: Dem Walliser Wald wird's zu warm
Unterstützt vom Schwerpunktprogramm "Umwelt" des Schweizerischen Nationalfonds, haben nun Forschende der Universität Bern und der ETH Zürich computergestützte Verfahren entwickelt, die anhand globaler Klimamodelle lokale Klima- und Vegetationsveränderungen simulieren. "ähnlich wie mit einer Lupe können wir damit innerhalb von groben Maschen mit 200 bis 500 Kilometer Seitenlänge lokale Klimamuster verfolgen", erklärt Heinz Wanner, Leiter der Abteilung Physische Geografie der Universität Bern. "Das Verfahren basiert auf beobachteten Zusammenhängen zwischen globalen und lokalen Klimadaten der Vergangenheit", führt der Projektverantwortliche Dimitrios Gyalistras aus. "Lokale Aussagen für die Zukunft werden durch Analogieschlüsse aus den Prognosen der globalen Klimamodelle gewonnen."
Da die Voraussagen der verschiedenen Klimamodelle zum Teil stark auseinander gehen, berücksichtigen die Berner gleichzeitig mehrere der wichtigsten globalen Klimamodelle. "So erhalten wir erstmals für den Alpenraum lokale Klimaaussagen, die die gesamte Bandbreite der globalen Modelle berücksichtigen", stellt Wanner fest.
Zusätzlich zu den Klimadaten werden aber auch die Auswirkungen auf die Vegetation und die Schneedecke untersucht. Mit einem Waldmodell, das unter der Leitung von Andreas Fischlin am Institut für terrestrische ökologie der ETH Zürich entstanden ist, haben die Forscher die zukünftige Entwicklung des Waldes in der Schweiz studiert und dabei vier typische Standorte ausgewählt, die stellvertretend für ganze Gebiete sind: Standorte bei Sitten, am Gotthard, bei Bever und bei Bern.
Ausgehend von einem kanadischen Globalmodell wurden detaillierte Klimaänderungsszenarien abgeleitet, die einer Erhöhung der mittleren Jahrestemperaturen in der Schweiz um ca. 2,5 Grad Celsius entsprechen und für die Jahresniederschläge keine Veränderung (in Sitten) oder eine Zunahme um bis zu 31 Prozent (am Gotthard) annehmen. Während der Wald in Bern bei dieser Klimaänderung stabil bleibt, werden an den anderen Standorten dramatische, ferner aber auch stark unterschiedliche Effekte erwartet: In Sitten, wo die Temperatur bei praktisch gleich bleibenden, geringen Jahresniederschlagsmengen zunimmt, kann der Wald gar nicht mehr überleben; am Gotthard hingegen bildet sich in der vegetationskargen Zone infolge der Erhöhung der Baumgrenze ein gutwüchsiger Lärchen- und Arvenwald. Kaum weniger spektakulär ist die modellierte Veränderung in Bever (Graubünden), wo zunächst ein abrupter Zusammenbruch der subalpinen Waldvegetation (Lärche, Arve) stattfindet und ab Ende des nächsten Jahrhunderts ein neuer Wald mit einer völlig anderen, heute in der Schweiz nicht vorkommenden Artenzusammensetzung Fuß faßt: Statt der heute vorhandenen Arven und Lärchen dominieren dann die Eiche, später Ahorne und zunehmend auch die Weißtanne. Unsicher ist allerdings nach Angaben der Forscher, wie schnell und wann überhaupt fremde Baumarten in einen zentralalpinen Standort wie Bever natürlicherweise einwandern können; dazu müßten sie nämlich gewaltige Bergschranken überwinden.
Ähnliche Szenarienrechnungen wurden in Zusammenarbeit mit Fachleuten der landwirtschaftlichen Forschungsanstalten für die Wiesenvegetation sowie mit weiteren Forschern der ETH Zürich für die Schneebedeckung im Alpengebiet durchgeführt.
Diese Studien beruhen auf Annahmen, die mit jenen internationaler Standardszenarien (IPCC) übereinstimmen. Sie gehen davon aus, daß die atmosphärische Kohlendioxid Konzentration noch bis zur Mitte des 21. Jahrhunderts auf den doppelten Wert der historisch gleich gebliebenen ansteigt – eine vernünftige Extrapolation aufgrund der heutigen Tendenz.
Nicht berücksichtigt haben die Studien allfällige Gegenmaßnahmen. Die Resultate dürften aber – trotz aller noch vorhandenen Unsicherheiten – als Grundlage und Anregung für die rechtzeitige Planung von Vorkehrungen dienen.
Siehe auch
- Spektrum der Wissenschaft 10/95, Seite 114
"Eichen statt Buchen? Auswirkungen eines Klimawandels auf die Wälder des Alpenraumes"
(nur für Heft-Abonnenten online zugänglich)
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.