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News: Den Appetit nicht verderben lassen

Kreuzblütler gehören zur Leibspeise von Kohlschaben-Larven. Ein Enzym schützt den Schmetterlingsnachwuchs vor den chemischen Verteidigungsmitteln der Pflanzen.
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Die unscheinbare, aber in der Laborwelt bestens bekannte Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana), die Echte Brunnenkresse (Nasturtium officinale) und Rosenkohl (Brassica oleracea) haben eines gemeinsam: Sie gehören alle zur Familie der Kreuzblütler oder Brassicaceae. Diese Pflanzengruppe ist äußerst beliebt bei einer ganzen Reihe von Insekten, welche die Blätter und Triebe als nahrhafte Kinderstube für den Nachwuchs nutzen.

Um nicht ständig Kahlfraß erleiden zu müssen, entwickelten die Pflanzen eine chemische Abwehrschranke, mit denen sie den ungeliebten Bewohnern den Appetit verderben: den so genannten Glucosinolat-Myrosinase-Komplex. Wird das pflanzliche Gewebe verletzt – zum Beispiel durch eine kauende Raupe –, werden Glucosinolate mithilfe des Enzyms Myrosinase zu Senfölen umgesetzt. Deren scharfer Geruch oder Geschmack soll den hungrigen Angreifer in die Flucht schlagen.

Das funktioniert durchaus erfolgreich, doch die Raupen der Kohlschabe (Plutella xylostella) lassen sich davon nicht im geringsten beeindrucken – ob sie nun Ackerschmalwand, Brunnenkresse oder Rosenkohl vorgesetzt bekommen. Aber Heiko Vogel vom Max-Planck-Institut für chemische Ökologie und seine Kollegen sind den Raupen nun auf die Schliche gekommen, warum der Schmetterlingsnachwuchs die Blätter genüsslich verspeisen kann, ohne sich den Magen zu verderben.

Die Forscher analysierten die Proteinzusammensetzung in verschiedenen Geweben der Larven. Dabei stießen sie im Darm auf eine Sulfatase – ein Enzym, das Sulfatgruppen der Glucosinodasen abspaltet. Dieser Gruppen beraubt, werden die Verbindungen jedoch von der Myrosinase nicht mehr erkannt und daher auch nicht mehr in die ungenießbaren Senföle umgebaut. Allerdings verfügen offenbar nur die Larven über die Verdauungshilfe, während sie den Eiern, Puppen und Adulten fehlt – aber da diese sich nicht von Kreuzblütlern ernähren, benötigen sie das Enzym schließlich auch nicht.

Insgesamt konnten die Forscher in den Därmen der Larven fünf bis sieben Mikrogramm Protein aufspüren. Diese Menge würde ausreichen, um 100 Milligramm frische Blätter in einer halben Stunde zu entgiften – doch die Tiere futtern erheblich langsamer, bis zum Ende einer solchen Mahlzeit verstreichen 50 Stunden. Die Raupen werden also selbst bei großem Hunger kaum Bauchgrimmen bekommen.

Der entdeckte Mechanismus könnte nach Ansicht der Wissenschaftler dazu dienen, neue Abwehrstrategien gegen die Kohlschaben-Raupen zu entwickeln: Ein Pestizid, das die Aktivität der Sulfatase hemmt, dürfte den Larven durchaus den Appetit verderben. Allerdings lassen sich damit nicht alle Probleme lösen. Denn auch die Sprösslinge des Kleinen Kohlweißlings (Pieris rapae), der Zuckerrübeneule (Spodoptera exigua) und der Eule Trichoplusia ni tut sich an Kreuzblütlern gütlich. Da sie das entsprechende Enzym jedoch offenbar nicht besitzen, müssen sie wohl einen anderen Entgiftungsweg gefunden haben.

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