Tierintelligenz: Denkende Elefanten spielen Polo
Joshua Plotnik ist ein wenig angestrengt. Pressetermine, Small Talk mit Sponsoren und die Hitze während des Elefantenpoloturniers in Hua Hin fordern ihren Tribut. Aber das Klappern gehört eben auch zum wissenschaftlichen Handwerk. Immerhin ist das von der kleinen, aber feinen Luxushotelkette Anantara veranstaltete 11. King's Cup Elephant Polo Turnier ein Fundraiser für den Schutz der thailändischen Elefanten. Unterstützten die Spender am Anfang mehr praktische Projekte wie solche zum Wohl der etwa 4000 in Gefangenschaft lebenden thailändischen Elefanten, sind in den vergangenen Jahren auch Forschungsprojekte hinzugekommen.
Wie das von Plotnik, den man mit seinem roten Bart und dem T-Shirt mit dem Schriftzug Think Elephants International eher für einen Backpacker auf Thailandtour denn als Chef der Elefantenforschung der Golden Triangle Asian Elephant Foundation des Anantara halten könnte. Also steht der New Yorker, der Mitglied der Fakultät für Experimentelle Psychologie der Universität Cambridge ist, in einem der Partyzelte am Rand des Polofelds auch für die Korrespondenten von "Spektrum.de" oder der spanischen Nachrichtenagentur EFE gerne Rede und Antwort.
Joshua Plotnik: "Ich habe Psychologie studiert und meinen Doktor in Tierverhalten und –psychologie gemacht. Mein primäres Interesse gilt der Evolution von Intelligenz und der Frage, wie intelligent andere Lebewesen als der Mensch sind. Wir schauen uns die Evolution bei verschiedenen Spezies an – von Menschen und Primaten, aber auch die von anderen Tieren wie Delfinen, Rabenvögeln oder eben Elefanten. Diese Tiere gehören zu den intelligentesten auf dem Planeten, sind aber evolutionär nicht näher mit dem Menschen verwandt – der letzte gemeinsame Vorfahre lebte frühestens vor ein paar hundert Millionen Jahren. Als Intelligenz definieren wir dabei die Fähigkeit, in einer gewissen Weise über die Lösung von Problemen, über soziale Beziehungen, über das Leben in einer natürlichen Welt nachzudenken."
Ein Poloteam trottet auf dem Weg zu einem Spiel vorbei. Auf den drei Elefanten sitzen die Mahouts, die die Elefanten führen, hinter ihnen fest angeseilt die Spieler. Die Elefanten schwenken lässig ihre Rüssel hin und her, während die Spieler ein letztes Mal vor dem Match mit Luftschlägen den Mallet testen. Der immer gut aufgelegte Buschpilot und leidenschaftliche Polospieler – zu Pferde wie auf Elefanten – Tom Claytor stellt mit launigen Worten über die bis zum Anschlag aufgedrehte Lautsprecheranlage Teams und Spieler des bevorstehenden Matches vor. Plotnik muss ob des Lärms kurz innehalten, bevor er auf die Frage antworten kann, ob die Elefanten über die so beschriebene Intelligenz verfügen.
"Wir haben in den letzten sechs Jahren hier in Thailand unsere Studien hauptsächlich auf die soziale Intelligenz von Elefanten konzentriert. So konnten wir zum Beispiel nachweisen, dass Elefanten sich im Spiegel erkennen können. Dieses unglaubliche Verhalten wurde bisher nur noch bei Primaten, Delfinen und Elstern beobachtet. Das sind auch die Tierarten, die am wahrscheinlichsten die Fähigkeit des perspektivischen Verhaltens haben, also die emotionale Fähigkeit, sich in einen anderen hineinzuversetzen. Das sind einzigartige Fähigkeiten, von denen man lange annahm, dass nur der Mensch sie zeigt."
Elefanten erkennen also die Gefühle ihrer Artgenossen und nehmen daran Anteil? Sie trösten sich gegenseitig, wenn einer frustriert ist, oder lachen auch schon mal zusammen?
"Ich würde nicht sagen, dass sie lachen. Wir nennen es zielgerichtetes Verhalten. Wenn zum Beispiel ein Babyelefant hinfällt und nicht mehr von selbst aufstehen kann, nehmen andere Elefanten den emotionalen Notzustand des Kleinen wahr und arbeiten gemeinsam an einer Lösung des Problems. Lassen Sie mich diese Art von Gefühl an einem Beispiel beschreiben. Sie schauen einen spannenden Film, in dem plötzlich einer verletzt wird. Sie zucken zusammen, Ihr Herz schlägt schneller. Sie können die Situation der Person im Film nachvollziehen, aber Sie wissen auch, dass Sie nicht derjenige mit dem Problem sind. Trotzdem beginnen Sie darüber nachzudenken, wie Sie mit der Situation umgehen würden."
Es ist Halbzeitpause. Das Spielfeld wird mit fröhlicher Musik beschallt. Einige Herren und Damen an der Whiskybar eines Sponsors unweit unseres kleinen Interviewgrüppchens singen empathisch Donna Summers Superhit "Bad Girl" mit. Tim Boda schaut vorbei. Als Cheforganisator des Elefantenpoloturniers will der hauptberufliche Manager der Minor Hotel Group Anantara nur schnell erzählen, dass die bisherigen zehn Elefantenpoloturniere mehr als eine Million Dollar für Projekte für die etwa 4000 in Gefangenschaft lebenden thailändischen Jumbos eingespielt haben. Boda entschwindet, Donna Summers Stimme auch, und Plotnik kommt endlich dazu, das essenzielle Tischexperiment zu beschreiben.
"Um die soziale Intelligenz von Elefanten nachzuweisen, haben wir ein vor über 80 Jahren entwickeltes Experiment für Primaten an die Verhältnisse von Elefanten angepasst. Es wurde ein Tisch mit Futter aufgestellt. Um an das Futter zu gelangen, musste an einem Seil gezogen werden, das um den Tisch geschlungen war. Die Elefanten haben schnell verstanden, dass sie nur dann Erfolg haben, wenn jeder an einem Ende des Seils zieht. Der erste Elefant am Seil wartete so lange, bis ein Partner hinzukam. Sie haben also selbst gelernt, dass nur Partnerschaft zum Ziel führt. Die große Überraschung war allerdings das fünf Jahre alte Elefantenmädel Nu. Die hat sich mit einen Fuß auf ein Seilende gestellt, während der andere an dem Seil zog. Nu ließ einfach den Partner die ganze Arbeit machen. Der Tisch war ein erstes Experiment, auf das wir jetzt weitere aufbauen. Wir wollen herauszufinden, ob sie kommunizieren und was genau sie lernen."
Es ist stechend schwül geworden. Über der Bergkette in der Nähe des Polofelds auf dem Gelände der thailändischen Armee ziehen dicke, pechschwarze Wolken auf. Der nächste Monsunregenguss ist nur noch eine Frage von Minuten. Der spanische Kollege fächelt sich mit der Pressemappe etwas Luft zu, während er von Plotnik wissen will, ob Elefanten ihre soziale Intelligenz nutzen, um Werkzeuge herzustellen, und ob es eine Rangfolge der tierischen Intelligenz gibt.
"Werkzeuge nutzen Elefanten kaum. Das brauchen sie auch nicht. Sie haben ja mit ihrem Rüssel bereits ein äußerst vielfältig einsetzbares Werkzeug. Ein Ranking der Tiere ist schwierig bis unmöglich. Elefanten lernen zum Beispiel schneller als Schimpansen. Das heißt nun nicht, dass sie intelligenter sind als die Primaten. Sie sind nur geduldiger. Welche Sinne die Tiere wie benutzen, hängt von ihrer jeweiligen Lebenswelt ab. Elefanten haben zum Beispiel einen ausgeprägten Geruchssinn. Wie sie den einsetzen, um sich in ihrer Umgebung zurechtzufinden, wollen wir gerade mit einem neuen Forschungsprojekt herausfinden. Das wird uns bei der Entwicklung von Experimenten zur Erforschung dessen weiterhelfen, was mich am meisten interessiert: ihre sozialen Beziehungen."
Die Poloelefanten kommen in verschiedenen Größen aufs Spielfeld. Große, dicke Tiere geben gewöhnlich den Torwart, kleine, flinke, wendige Stürmer und Verteidiger. Bei den Spielen agieren die Dickhäuter oft so geschickt, dass man glauben könnte, sie wissen genau, was abgeht.
"Für dieses Spiel müssen die Elefanten nicht besonders smart sein. Allerdings verstehen sie vermutlich, dass es ein Wettbewerb ist. Einige finden das ganz toll, während andere es für albern und sinnlos halten. Manche zeigen gar durch demonstrative Langsamkeit, dass es sie furchtbar langweilt. Diese werden dann aus dem Spiel genommen und durch andere Elefanten ersetzt. Die aus dem Spiel genommenen haben für den Rest des Turniers frei, das ist dann so eine Art Urlaub mit Vollpension für die Tiere."
Partyhöhepunkt des Elefantenpoloturniers ist die Gala mit Auktion unter Sternen im Garten des Anantara Hua Hin. Bei Wein, Champagner und einem erlesenen Dinner an den Gestaden des Golfs von Siam kommen bei der Auktion viele schöne Dinge für den guten Zweck unter den Hammer. Am Ende sind umgerechnet insgesamt 84 000 Euro mehr in der Kasse für Elefantenprojekte.
Plotnik hat sich das feine Fest gespart. Gleich nach dem Interview ist er dem Trubel entflohen. Bei seinen Elefanten in der beschaulichen Ruhe des Anantara Golden Triangle in den bewaldeten Bergen auf der thailändischen Seite des berühmt-berüchtigten Goldenen Dreiecks, mit Blick auf den Mekong, auf Birma, auf Laos, fühlt sich der Forscher wohler als unter den Schönen und Reichen aus Bangkok.
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