News: Der bessere Diamant?
Mit Diamant gemein hat das kubische Bornitrid das Auftreten zweier Modifikationen: neben dem eigentlichen c-BN, das strukturell dem Diamant entspricht, gibt es das "weiche" hexagonale h-BN, in seiner Struktur dem Graphit verwandt und deshalb häufig als "weisser Graphit" bezeichnet, obgleich es im Gegensatz zu diesem nicht elektrisch leitet.
Kubisches Bornitrid kommt in der Natur nicht vor, das macht es seltener als Diamant, es kann aber ähnlich wie dieser bei hohen Temperaturen und Drücken künstlich gepreßt werden, allerdings bisher nur in Form sehr kleiner Einkristalle mit Abmessungen deutlich unter einem Kubikmillimeter. Ein für die Praxis wesentlich interessanteres Herstellungsverfahren ist das kontrollierte Aufwachsen dünner Filme zum Beispiel auf Siliciumwafern, der Erzeugung von künstlichem Diamant analog.
Damit die harte, die kubische Bornitridphase entsteht, müssen die aufwachsenden Filme während des Wachtumsprozesses mit niederenergetischen Ionen – typischerweise Argonionen mit einer Energie von 200 Elektronenvolt (eV) – bombardiert werden. Was dieser Präparationstrick im einzelnen bewirkt, ist noch nicht vollständig geklärt; vermutlich erzielt erst der Rütteleffekt der Ionenstösse die zur kubischen Anordnung notwendige Verdichtung des aufwachsenden Materials. Allerdings verursachen die Stöße auch eine Verlagerung von Atomen und damit Gitterdefekte, die ihrerseits starke mechanische Verspannungen der entstehenden c-BN-Filme bewirken. Diese Verspannungen können so groß werden, daß bei einer kritischen Filmdicke die Haftkräfte des Films auf der Unterlage überfordert sind und der Film abplatzt.
Diesem Abplatzen als einem der Haupthindernisse technischer c-BN-Anwendungen gilt momentan besonderes Interesse der Forscher, die zum einen versuchen, den Spannungsaufbau in den Schichten nachzuvollziehen, zum anderen, ihn zu verhindern. Einen neuen Weg gehen hier die Festkörperphysiker der Universität Ulm unter Leitung von Prof. Dr. Paul Ziemann: sie beschießen die bereits fertiggstellten, verspannten Bornitridfilme erst nachträglich mit hochenergetischen Ionen (postitiv geladene Argonionen von 350 Kilo-Elektronenvolt) und erzielen dadurch einen weitgehenden Streßabbau bei gleichzeitiger Erhaltung der kubischen Phase. Verfährt man so mit einer c-BN-Schicht nach der anderen, müßte am Ende ein entspannter dicker Film entstehen.
Wer kubisches Bornitrid herstellen und damit umgehen will, muß es zuvor gründlich untersucht haben, und zur Untersuchung neuer Materialien sind immer auch entsprechnde analytische Methoden erforderlich. Um mit den derzeit gebräuchlichen oberflächenanalytischen und spektroskopischen Methoden erforscht zu werden, sind die bis heute erzeugten c-BN-Einkristalle noch zu klein. So bedeutete es einen kleinen wissenschaftlichen Durchbruch, als es den Ulmer Festkörperphysikern in Kooperation mit einer Basler Gruppe kürzlich gelang, kubische Bornitridfilme elektronenspektroskopisch zu analysieren. Die Forscher wiesen dabei zugleich nach, daß c-BN bereits in seinen feinsten, nur nanometergroßen Kristallformationen die ihm in der Theorie zugeordneten typischen elektronischen Struktureigenschaften besitzt.
Was die Anwendungsperspektiven des neuen Materials betrifft, so teilen die industriellen Experten durchaus die Zuversicht der Grundlagenforscher. Aufgrund seiner Reaktionsresistenz scheint kubisches Bornitrid als Material für die Beschichtung von Werkzeugen prädestiniert.
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