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News: Der Beweis

Wer ein Dogma in Frage stellt, gewinnt damit nicht nur Freunde. Diese Erfahrung musste auch Stanley Prusiner machen, dessen Prionen-Hypothese heftigen Widerstand erntete. Doch zunehmend mehren sich die Hinweise, die ihm Recht geben.
Prionen
Kennen Sie Tikvah Alper? Oder John Griffith? Vermutlich nicht. Dabei hatten die beiden Wissenschaftler die Grundlagen für eine Idee entwickelt, die ihrer Zeit weit voraus war. Ein anderer Forscher übernahm diese Idee – und erhielt dafür den Nobelpreis.

Tikvah Alper arbeitete in den sechziger Jahren als Strahlenbiologin im Hammersmith Hospital in London. Ihr war aufgefallen, dass sich der Erreger der Schafskrankheit Scrapie nicht durch ionisierende Strahlung deaktivieren ließ, obwohl diese rabiate Behandlung normalerweise keine Nucleinsäure unbeschadet übersteht. Ihr Kollege, der Mathematiker und Biochemiker John Griffith, vermutete daher, dass die Krankheit nicht durch Bakterien oder Viren, sondern durch Proteine ausgelöst wird – ein vollkommen absurd klingender Gedanke, der schnell vergessen wurde.

Es dauerte bis 1982, als der Neurologe Stanley Prusiner diesen Gedanken aufgriff und zu seiner Prionen-Hypothese weiter entwickelte. Demnach sind Prionen (proteinaceous infectios particles) fehlgefaltete Proteine, die – ohne über den Umweg einer Nucleinsäure – andere Proteine umfalten und sich damit quasi selbst verdoppeln – mit fatalen Folgen: Der Rinderwahnsinn BSE oder die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit des Menschen gelten heute als Leiden, die durch Prionen verursacht werden.

Als Prusiner schließlich 1997 den Nobelpreis erhielt, hatte er die Wissenschaftlergemeinde noch längst nicht komplett überzeugt. Zu viele Ungereimtheiten tauchten immer noch auf, wie zum Beispiel die Existenz verschiedener Prionenstämme, die unterschiedliche Krankheitsbilder liefern. Könnten nicht vielleicht doch in irgendeiner Form virale Nucleinsäuren beteiligt sein, welche die körpereigenen Prionen lediglich als Vehikel benutzen, in denen sie sich verbergen? Der endgültige Beweis für die "Nur-Eiweiß-Hypothese" steht noch aus.

Zwei Arbeitsgruppen glauben jetzt jedoch, unabhängig voneinander, diesen Beweis in den Händen zu halten. Sowohl Chih-Yen King und Ruben Diaz-Avalos von der Florida State University als auch die Forscher um Jonathan Weissman vom Howard Hughes Medical Institute arbeiteten dafür mit der Hefe Saccharomyces cerevisiae. Denn auch bei diesem Einzeller kommen Prionen vor, die allerdings – zur Beruhigung der Wissenschaftler – für den Menschen harmlos sind.

Eines dieser hefetypischen Prionen ist das Protein Sup35p. Liegt es in seiner normalen gelösten Form vor, dann wachsen Hefezellen, die mit einem Fluoreszenzfarbstoff markiert sind, zu rötlich schimmernden Kolonien heran. In seiner unlöslichen faserartigen Form verhindert Sup35p diese Markierung, die Kolonien bleiben blass weiß. Diese [PSI+] genannten Zellen sind damit von ihren nicht infizierten Artgenossen namens [psi-] leicht zu unterscheiden.

King und Diaz-Avalos konnten nun die Sup35p-Prionen aus den [PSI+]-Zellen isolieren. Als sie die Prionen mit normal löslichen Sup35p-Proteinen im Reagenzglas zusammenbrachten, falteten sich diese tatsächlich in die unlösliche Prionenform um. Und hiermit ließen sich wiederum [psi-]-Hefezellen in [PSI+] verwandeln. Die infizierten Zellen gaben ihre neue Eigenschaft an ihre Nachkommen weiter, obwohl an der Infektion keine Nucleinsäure beteiligt war [1].

Ein ähnliches Kunststück gelang Motomasa Tanaka aus Weissmans Arbeitsgruppe. Er konnte auch noch unterschiedliche Prionenstämme erzeugen, indem er die Umfaltung bei verschiedenen Temperaturen durchführte. Daraus resultierten unterschiedliche räumliche Strukturen der Prionen, welche die infizierten Hefezellen ebenfalls an ihre Nachkommen weiter gab [2].

Prionen brauchen demnach – zumindest bei Hefen – keine Nucleinsäuren, um ihre Eigenschaften zu vererben. Natürlich sind Hefen keine Menschen, und was für Einzeller gilt, muss längst nicht auch für Säugetiere zutreffen. "Bei Säugern könnten andere Faktoren bei der Umfaltung von Prionen mit beteiligt sein", gibt Weissman zu. "Aber das müssen jetzt andere beweisen; und es gibt keinen Grund anzunehmen, dass es diese Faktoren gibt."

Chih-Yen King geht sogar noch einen Schritt weiter. Schließlich erinnert die Struktur der unlöslichen Prionenfasern an jene Amyloid-Plaques, die in Gehirnen von Alzheimer- und Parkinson-Patienten gefunden werden. Bisher streitet sich die Wissenschaft, ob diese Plaques die Nervenleiden unmittelbar auslösen oder nur als Folgeerscheinung auftauchen. King ist überzeugt: "Wir wissen jetzt, dass Amyloid-Fasern bei Hefen nicht das Endprodukt der Infektion sind – sie sind die Ursache."

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