Attraktivität: Der Cheerleader-Effekt wirkt nicht bei jedem
Vor einigen Jahren beschrieben Psychologen den so genannten Cheerleader-Effekt: Ist eine Person von einer Gruppe Menschen desselben Geschlechts umgeben, halten Betrachter sie für attraktiver. Bislang wusste man jedoch wenig darüber, unter welchen Umständen der Effekt tatsächlich auftritt. Zwei Psychologinnen von der Nova Southeastern University in Florida haben nun systematisch verschiedene Bedingungen erprobt und festgestellt: Ein Gruppenfoto ist nicht immer und für jeden von Vorteil.
Jackie McDowell und Valerie Starratt präsentierten ihren Studierenden Bilder von 18 Frauen und 18 Männern, die in einer Vorstudie für sehr attraktiv, durchschnittlich oder wenig attraktiv befunden worden waren. Die Fotos zeigten die Gesichter mal allein, mal gemeinsam mit ähnlich oder mit unterschiedlich hübschen Vertretern desselben Geschlechts. Anhand dieser Solo- und Gruppenbilder sollten die rund 60 Probandinnen und Probanden beurteilen, wie anziehend die Personen für das andere Geschlecht sind und wie hoch sie bei diesem wohl für eine kurze oder dauerhafte Beziehung im Kurs liegen.
Bei den Fotos der Frauen zeigte sich der erwartete Cheerleader-Effekt. Aber nur in gemischt-attraktiver Gesellschaft: Unter durchweg gleich gut aussehenden Frauen erschien ein Gesicht sogar weniger hübsch als solo. Bei Männern ließ sich zwar kein Attraktivitätsboost nachweisen, doch ein anderer Vorteil: Umgeben von gemischt-attraktiven Geschlechtsgenossen steigt für sehr attraktive Männer die Chance auf ein Liebesabenteuer, für durchschnittlich attraktive Männer die Chance auf eine dauerhafte Partnerschaft. Frauen hingegen wirkten, unabhängig von ihrer Attraktivität, als kurz- und langfristige Partnerinnen auf einem Gruppenfoto interessanter – sofern darauf auch sehr attraktive Personen zu sehen waren.
Ein simpler Mechanismus im visuellen System, wie ihn Psychologen der University of California in Berkeley vorschlagen, kann die differenzierten Effekte vermutlich nicht schlüssig erklären. Jason Haberman und David Whitney hatten demonstriert, dass der Gesamteindruck eines Bilds auf einer »zusammenfassenden Statistik« aller Elemente beruht. Ihren Versuchspersonen war es gelungen, aus einem Foto mit 16 Gesichtern innerhalb einer halben Sekunde einen korrekten »Durchschnitt« von deren mimischem Ausdruck zu bilden. Freude und Trauer etwa mittelten sich auf diese Weise heraus.
In ähnlicher Weise könnte der Durchschnitt über alle Gesichter auch etwaige individuelle Makel ausgleichen, so lautet eine Hypothese zum Cheerleader-Effekt. Doch anscheinend taugt dieser nicht zur Universalretusche. Sollten sich die vorliegenden Befunde an größeren Stichproben bestätigen, lässt dies auf unvermutet vielschichtige Ursachen des Cheerleader-Effekts schließen.
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