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Anthropologie: Der doppelte American Way

Die ersten Amerikaner stammten aus Sibirien und betraten in Alaska ein menschenleeres Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Wie aber ging es weiter? Teilte sich die Reisegruppe auf oder suchten sie gemeinsam ihr Glück in der Neuen Welt?
Auf zwei Wegen nach Amerika
Als Christoph Kolumbus 1492 dem ersten Amerikaner begegnete, hielt er ihn für einen Asiaten, denn er war sich sicher den Seeweg nach Indien gefunden zu haben. Fortan nannte er die Neulinge im spanischen Weltreich Indianer. Einige Jahre später hob der Italiener Amerigo Vespucci den Zeigefinger und mutmaßte, dass sein Landsmann Kolumbus möglicherweise einen völlig neuen Kontinent entdeckt hatte. Schließlich war es der deutsche Kartograph Martin Waldseemüller, der auf seiner berühmten Weltkarte zu Ehren Vespuccis den Begriff Amerika für das Land jenseits des Großen Teichs einführte. Die Bezeichnung Indianer für alle amerikanischen Ureinwohner blieb jedoch erhalten und ist bis heute lebendiges Zeugnis eines der größten Missverständnisse der Menschheitsgeschichte.

Doch genaugenommen hatte der Entdecker aus Genua sogar Recht: Die ersten Amerikaner wanderten über die Bering-Landbrücke aus Asien nach Nordamerika ein, waren also tatsächlich ursprünglich Asiaten. Während der letzten Eiszeit lag der Meeresspiegel deutlich niedriger, so dass die Beringstrasse, die heute Sibirien von Alaska trennt, trocken lag. In dieser Beringia genannten Region siedelten vor etwa 35 000 Jahren die asiatischen Urahnen der heutigen Indianer. Als vor etwa 16 000 Jahren der Eisschild, welcher Nordamerika fast vollständig bedeckte, nach und nach abschmolz, offenbarten sich den Mammutjägern völlig neue Wege.

Quo vadis?

Wie die genaue Routenplanung der Paläo-Indianer aussah, liegt im Dunkel der Vergangenheit verborgen. Archäologische Funde in Chile deuten allerdings auf eine schnelle Ausbreitung entlang der Pazifikküste nach Südamerika hin. Unklar ist aber besonders, wie die Einwanderer in die Region östlich der Rocky Mountains gelangten. Möglicherweise spalteten sich einzelne Gruppen von der Küstenpopulation ab und wanderten über das Gebirge der aufgehenden Sonne entgegen. Alternativ könnte sich auch eine besonders abenteuerlustige Truppe schon in Alaska von der restlichen Verwandtschaft getrennt haben und durch einen eisfreien Korridor in die Region der Great Plains im Herzen der heutigen USA gewandert sein.

Antonio Torrini von der Università di Pavia untersuchte mit seinem Team die mitochondriale DNA heute lebender amerikanischer Ureinwohner auf dem ganzen Kontinent. Durch den Vergleich bestimmter Sequenzen dieser Erbinformation, sogenannter Haplogruppen, konnten sie die Verwandtschaftsverhältnisse der Indianer analysieren. Den Wissenschaftlern fielen besonders zwei Haplogruppen mit der Bezeichnung X2a und D4h3 auf, deren Träger jeweils eng miteinander verwandt sind. Menschen mit der X2a-Sequenz leben heute ausschließlich im nördlichen Nordamerika im Bereich der Großen Seen und der Great Plains. Dagegen findet man Indianer der D4h3-Haplogruppe überall entlang der amerikanischen Pazifikküste. Die Wissenschaftler konnten zudem berechnen, dass die Vorfahren beider Gruppen etwa zum gleichen Zeitpunkt, vor 16 000 Jahren, Beringia verließen und nach Nordamerika einwanderten.

Sowohl die heutigen Verteilungsmuster als auch der gemeinsame Eintrittszeitpunkt weisen darauf hin, dass zwei unterschiedliche Gruppen von Paläo-Indianern zur gleichen Zeit von der Landbrücke aus aufbrachen und auf verschiedenen Wegen die Neue Welt für sich entdeckten. Die Gruppe D4h3 wanderte entlang der Westküste nach Süden und erreichte schließlich das Sturm umtoste Feuerland. Dagegen schlug die Gruppe X2a einen ganz anderen Weg ein und zog zwischen zwei Eisschilden hindurch in das Herz Nordamerikas, wo sie sich dauerhaft niederließen.

Die Ergebnisse von Torroni und Kollegen fügen der Besiedlungsgeschichte Amerikas ein wichtiges Puzzleteil hinzu. Die genetischen Untersuchungen zeigen, dass die erste Migrationswelle aus Beringia gleichzeitig auf verschiedenen Routen und nicht ausschließlich entlang der Küste stattfand. Weiterhin sägen die Resultate auch am Stuhl der umstrittenen aber bislang nicht widerlegten Drei-Wellen-Theorie des Linguisten Joseph Greenberg. Dieser postulierte im Jahre 1987 eine Besiedlung der Neuen Welt in drei Stufen, die sich heute in drei klar voneinander abgrenzbaren Sprachfamilien manifestieren: Amerindisch als Folge der ersten Welle gegen Ende der Eiszeit und Na-Dene sowie Eskimo-Aleutisch als Resultat einer zweiten und dritten Migrationsphase. Eine doppelte erste Besiedlungsstufe, wie sie Torroni vorschlägt, eröffnet die Möglichkeit einer deutlich früheren Aufspaltung, so dass die Entwicklung der indianischen Sprachen komplizierter gewesen sein könnte als Greenberg dachte.
  • Quellen
Perego, U. et al.: Distinctive Palaeo-Indian Migration Routes from Beringia Marked by Two Rare mtDNA Haplogroups. In: Current Biology 10.1016/j.cub.2008.11.058, 2009.

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