Direkt zum Inhalt

Raumfahrt: Der Erde entrückt

Vor dreißig Jahren startete die US-amerikanische Sonde Voyager 1 ins All. Heute ist sie mehr als 15 Milliarden Kilometer von uns entfernt - weiter als jedes andere von Menschen gebaute Objekt. Und noch immer funkt sie Daten zur Erde.
Voyager 1
Am 5. September 1977, auf den Tag genau vor drei Jahrzehnten, erhob sich eine Titan-3-Rakete donnernd vom Weltraumbahnhof Cape Canaveral. Sie schoss eine kostbare Fracht in den Weltraum: die Nasa-Sonde Voyager 1. Das Vehikel war zu Großem auserkoren, sollte es doch zu den Gasplaneten im äußeren Sonnensystem vorstoßen. So weit nach draußen hatten es bis dahin nur die Sonden Pioneer 10 und 11 geschafft, die in den frühen 1970ern am Jupiter vorbei flogen und dabei einige Nahaufnahmen von dem Riesenplaneten machten. Aus technischen Gründen waren die Pioneer-Fotos von recht bescheidener Qualität, deshalb sollte Voyager 1 sich den Gasriesen noch einmal genauer ansehen.

Explosiver Trabant | Eine der ersten Überraschungen der Voyager-Missionen war die Entdeckung aktiver Vulkane auf den Jupiter-Monden Io (links vorne) und Europa (rechts vorne). Hinter Io ist der Rote Fleck des Jupiter zu sehen.
Allerdings reiste die Sonde nicht allein dorthin, sondern mit einer baugleichen Schwester: Voyager 2. Sie war zwar schon 16 Tage vor Voyager 1 gestartet, nahm aber eine andere Route und kam deshalb später am Jupiter an. Beide Raumsonden sollten, nachdem sie den Gasplaneten passiert hatten, weiter zum Saturn fliegen und dann, wenn alles gut ging ... nun ja, das würde sich zeigen. Ursprünglich hatten die Missionsplaner eine "Grand Tour" zu den vier Planeten Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun vorgehabt, weil diese Himmelskörper gerade so angeordnet waren, dass sie mit einem einzigen Flug erreicht werden konnten – eine Gelegenheit, die sich nur alle 175 Jahre bietet. Doch aus Geldgründen hatte die Nasa das Projekt auf eine Jupiter-Saturn-Mission zusammengestrichen.

Ringplanet mit Begleitung | Diese Aufnahme vom 4. August 1982 zeigt den Saturn mit seinen drei Monden Tethys, Dion and Rhea.
Aus heutiger Sicht wirken die technischen Details der Voyager-Sonden fast erheiternd dürftig. Eine vier Meter große Parabolantenne saß auf einem achteckigen Ring, in dem Bordcomputer, Datenspeicher und Instrumente untergebracht waren. Ausleger am Rumpf trugen weitere Instrumente, darunter eine Fernsehkamera. Drei Computer sorgten für die Überwachung des Raumschiffs, die Navigation und die Verarbeitung der Messdaten. Die Rechenmaschinen verfügten über einen Arbeitsspeicher von 32 Kilobyte – deutlich zu wenig, um die Kamerafotos komplett zu erfassen. Deshalb musste noch ein Tonbandgerät an Bord, um die Bilddaten auf Band zwischenzuspeichern. Der Nachteil: Wenn die Spulen anliefen, wackelte das ganze Raumschiff.

Im Frühjahr 1979 flog Voyager 1 am Jupiter vorbei; am 5. März war sie ihm mit 278 000 Kilometer Abstand am nächsten. Die Sonde machte tausende Aufnahmen von dem Planeten und seinen Monden, die alle bis dahin bekannten Fotos in den Schatten stellten. Die Bilder zeigten unter anderem auch Details von Jupiters Trabanten – etwa vulkanische Aktivitäten auf Io. Das verblüffte, weil man nach den Apollo-Missionen nicht Überraschendes mehr bei den Monden erwartet hatte. Voyager 2 erreichte das Jupitersystem im Juli 1979. Auch sie machte Aufnahmen und lieferte neue Erkenntnisse, zum Beispiel über den bis dahin unbekannten Jupiter-Ring.

Herr der Ringe, Teil Eins (USA, 1981) | Die Voyager-Sonden lieferten besonders detailreiche Aufnahme vom Ringsystem des Saturns. Dieses Bild vom 22. August 1981 zeigt die mysteriösen Speichen im B-Ring des Gasplaneten.
Beide Sonden wurden im Schwerefeld des riesigen Gasplaneten beschleunigt und erhielten so den nötigen Schwung, um in Richtung Saturn durchzustarten. 1980 kam Voyager 1 dort an. Am 12. November passierte sie den Ringplaneten im Abstand von 124 200 Kilometern und lieferte außerordentlich detailreiche Bilder von seinem Ringsystem. Hatte man bis dahin angenommen, der Saturn besäße sechs Ringe, so musste man diese Zahl nun auf einige tausend korrigieren. Auch neue Monde tauchten auf den Fotos auf.

In nur 4000 Kilometer Abstand flog Voyager 1 am Saturnmond Titan vorbei und erkundete ihn. Ihre Messdaten zeigten, dass der Himmelskörper eine dichte Atmosphäre besitzt, die eine äußerst reichhaltige Palette an Chemikalien – darunter viele organische Stoffe – enthält. Diese Ergebnisse waren ein wichtiges Motiv für die spätere Cassini-Huyens-Mission, bei der eine europäische Landeeinheit auf dem Saturnmond aufsetzte.

Im Schwerefeld des Titans wurde die Bahn von Voyager 1 so abgelenkt, dass sie aus dem Sonnensystem herausführte, ohne an weiteren Planeten vorbeizulaufen. Die Sonde begab sich nun auf eine lange, einsame Reise in die Tiefen des Kosmos.

Abschiedsfoto | Nachdem sie den Gasriesen passiert hatte, machte Voyager 2 am 25. Januar 1986 noch diesen Schnappschuss des sichelförmigen Uranus. Die bei der Passage enstandenen Bilder sind bis heute die einzigen Nahaufnahmen des Planeten geblieben.
Voyager 2 erreichte den Ringplaneten 1981. Am 25. August verschwand sie, von der Erde aus gesehen, 95 Minuten lang hinter ihm. Als sie wieder auftauchte, frohlockten die Forscher: Das Raumschiff war in Richtung Uranus umgeleitet worden, so dass es nun doch die "Grand Tour" absolvierte. Natürlich war diese Möglichkeit von Anfang an eingeplant worden, aber lange Zeit wussten die Missionsplaner nicht, ob es tatsächlich dazu kommen würde. Hätte Voyager 1 bei der Erkundung des Titans versagt, dann hätte Voyager 2 als Ersatz einspringen müssen; die Grand Tour wäre damit gestorben.

Zerborstener Mond | Der Uransutrabant Miranda hat eine bewegte Geschichte: Kraterübersäte Gebiete wechseln sich mit tief gefurchten Ebenen ab – als ob der Mond aus mehreren verschiedenen Teilen zusammengesetzt wäre. Tatsächlich zerbrach er wohl fünfmal.
1986 kam Voyager 2 am Uranus an und lieferte Bilder von ihm und seinem Mond Miranda. Es sind die bis heute einzigen Nahaufnahmen von diesen Himmelskörpern. 1989 erreichte die Sonde den Neptun und seinen Mond Triton und funkte auch von dort Bilder zur Erde – die erste und vorläufig letzte Expedition der Menschheit zu diesem fernen und eiskalten Planeten.

Noch ein blauer Planet | Im Sommer 1989 warf Voyager 2 als erste Sonde einen Blick zurück auf den Neptun.
Seither fliegen die beiden Voyager-Sonden immer weiter in den Raum hinaus. Auch wenn ihre Kameras längst nicht mehr funktionieren, übermitteln sie weiterhin Messdaten über den Sonnenwind und die Magnetfelder dort draußen. Voyager 1 hat zur Erde inzwischen einen Abstand von mehr als 15 Milliarden Kilometern und ist damit das am weitesten entfernte Artefakt der Menschheit. Die Sonde ist bereits in die äußere Heliosphäre eingedrungen – jenen Bereich, in dem sich die Teilchen des Sonnenwinds und des interstellaren Mediums vermischen. Voraussichtlich 2015 wird Voyager 1 die Heliopause erreichen, also die äußere Grenze unseres Sonnensystems. Auch Voyager 2 hat schon viele Milliarden Kilometer in den luftleeren Tiefen des Alls hinter sich gebracht.

Kosmische Botschaft | An der Außenseite der beiden Voyager-Sonden ist eine goldene Schallplatte befestigt. Darauf sind 27 Lieder, 35 Geräusche und 116 Bilder kodiert – zudem ein freundliches "Herzliche Grüße an alle" in 55 Sprachen. Auf der Hülle der etwa zwei Kilogramm schweren Fracht finden sich Hinweise zur Position der Sonne – ebenso wie eine Bedienungsanleitung für den Plattenspieler.
Noch mindestens bis 2020 dürften die Sonden Daten übertragen, bevor ihre Batterieversorgung zusammenbricht. Im Jahr 8569 wird Voyager 2 an Barnards Pfeilstern im Sternbild Schlangenträger vorbeifliegen, Sirius steht knapp 300 000 Jahre später auf dem Programm. Schon möglich, dass es zu diesem Zeitpunkt noch Menschen gibt – aber sie werden sich ganz gewiss deutlich von uns unterscheiden.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.