Sternexplosionen: Der fehlende Begleiter der Supernova SN 1006
All dies wussten die Menschen im Jahr 1006 natürlich noch nicht, als ein neuer "Stern" so hell am Himmel leuchtete, dass er sogar tagsüber sichtbar war. Inzwischen gilt es als gesichert, dass es sich hierbei um eine Supernova vom Typ Ia handelte – doch um welche Art? Nun ergaben Beobachtungen, dass SN 1006 wahrscheinlich keinen Begleiter zurückgelassen hat. Dieses Ergebnis hat auch Auswirkungen auf das allgemeine Verständnis dieses Typs von Supernovae. Darüber berichten Jonay González Hernández und Kollegen in der Fachzeitschrift "Nature".
Beide Unterarten von Supernovae Typ Ia ereignen sich, wenn ein Weißer Zwerg explodiert. Doch wie es um die relative Häufigkeit dieser beiden Unterarten bestellt ist, wird unter Astronomen noch debattiert. Eine Antwort darauf hätte weitreichende Folgen: Schließlich werden Supernovae vom Typ Ia als Standardkerzen genutzt, mit deren Hilfe sich Entfernungen im Universum messen lassen.
Sammelt nämlich ein Weißer Zwerg Materie von seinem Begleiter, explodiert er, sobald er das sogenannte Chandrasekhar-Limit überschritten hat. Dieses liegt bei rund 1,44 Sonnenmassen. Aufgrund dieser konstanten Masse ist die Leuchtkraft der Supernova-Explosion ebenfalls immer konstant. Aus der scheinbaren Helligkeit der Himmelskörper lässt sich anschließend sehr genau berechnen, wie weit sie entfernt sind.
Es gibt nur einen Haken: Verschmilzt ein Weißer Zwerg mit einem weiteren Weißen Zwerg, gilt das Chandrasekhar-Limit nicht. Die absolute Leuchtkraft ist also unbekannt. Für eine Nutzung der Supernovae vom Typ Ia als Standardkerzen ist es also wichtig zu wissen, wie viele von ihnen tatsächlich beim Erreichen des Chandrasekhar-Limits explodieren.
In der Geschichte der Menschheit wurden bislang lediglich vier Supernova-Explosionen vom Typ Ia in der Milchstraße beobachtet. Nur im Fall von Tycho Brahes Supernova, SN 1572, konnte inzwischen der ehemalige Begleiter in Form eines Sterns der Spektralklasse G gefunden werden.
SN 1006 ist rund 7200 Lichtjahre von der Erde entfernt. Um einen Begleiter aufzuspüren, beobachtete das Astronomenteam um Hernández eine Region mit einem Radius von vier Bogenminuten um den wahrscheinlichen Ursprung der Explosion und nahm die Spektren der dortigen Himmelskörper auf. Aus dem Licht der Sterne und ihren charakteristischen Spektrallinien lässt sich auf ihre Zusammensetzung schließen.
Die Spektren zurückbleibender Sterne in einem System nach einer Supernova-Explosion sollten Hinweise auf diesen Vorgang liefern, beispielsweise in den relativen Häufigkeiten von eisenähnlichen Elementen. So weist der Stern von Tycho Brahes Supernova einen Überschuss an Nickel auf. Eine Analyse der Häufigkeiten von Chrom, Mangan, Kobalt und Nickel ergab allerdings bei keinem der Sterne in der Nähe von SN 1006 eine Abweichung von der durchschnittlichen Verteilung dieser Elemente.
Wenn es sich dagegen beim Begleiter nicht um einen Stern in der Mitte seiner Entwicklung handelt, sondern um einen Roten Riesen, dann sollte die Supernova ebenfalls ihre Spuren in seinem Spektrum hinterlassen haben. In einem Doppelsystem erleidet der Rote Riese durch die Explosion einen fast kompletten Verlust seiner Wasserstoffhülle. Die vier Roten Riesen im durchmusterten Gebiet wiesen keine solche Abweichungen auf. Ihre Wasserstoffhülle ist also noch intakt.
Alle Himmelskörper, die aufgrund ihrer Nähe als Begleiter des Weißen Zwergs im Vorgängersystem von SN 1006 infrage kommen, weisen also keinerlei Anzeichen einer Supernova-Explosion auf. Daraus schließen die Wissenschaftler, dass das Doppelsystem wahrscheinlich ursprünglich aus zwei Weißen Zwergen bestand, die in der Explosion beide zerstört wurden.
In dieser und anderen Beobachtungen sehen die Forscher Hinweise, dass bis zu achtzig Prozent aller Supernovae vom Typ Ia aus der Verschmelzung zweier Weißer Zwerge entstehen. Die Absolutheit des Chandrasekhar-Limits geriete damit ins Wanken. Denn obwohl die Unterschiede in der Leuchtkraft zwischen den verschiedenen Supernovae gering sind, muss die absolute Helligkeit genau bekannt sein, um diese Himmelskörper als Standardkerzen verwenden zu können.
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