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Invasive Arten: Der Feind meines Feindes

Schweine, Katzen, Mungos, Ratten: Naturschützer sind nicht sicher, wer davon die größte Plage für naive Inseltiere ist. Alle hinterlassen Tod und Verwüstung und treiben das Aussterberisiko nach oben. Abhilfe schafft nur ihre Bekämpfung - aber ausschließlich wenn sie alle zusammen umfasst.
Cook-Sturmvogel vor Bruthöhle

Bis mindestens ins Jahr 1350 hatten Sattelstar, Gelbband-Honigesser, Aucklandschnepfe, Cook- und Langflügelsturmvogel sowie viele Eidechsen und Brückenechsen ein eher paradiesisches Leben auf Little Barrier Island. Etwa achtzig Kilometer von Auckland entfernt vor Neuseelands Nordinsel gab es kaum natürliche Feinde, und die Vögel konnten weit gehend ungestört auf dem Boden brüten und ihre Küken großziehen.

Little Barrier Island | Little Barrier Island ist heute unbewohnt und könnte damit ein Paradies für Vögel sein – wenn da nicht viele eingeschleppte Fleischfresser wie Katzen und Ratten gewesen wären.

Als erstes brachen zwischen 1350 und 1650 die Maori in dieses Idyll ein, denn sie rodeten ein Drittel des Waldes auf dem kleinen Eiland oder brannten ihn nieder. Übler noch tobte sich allerdings ein tierischer Begleiter der Eroberer aus: Eingeschleppte Pazifische Ratten (Rattus exulans) – auch Kiore genannt – vergingen sich an den Eidechsen, attackierten kleine Seevögel und verhinderten, dass sich Teile der Flora vermehrten, weil sie Samen und Früchte fraßen.

Richtig schlimm wurde es allerdings erst ab etwa 1840, als die europäischen Siedler Little Barrier entdeckten: Sie holzten die Kauri-Bäume ab und brachten irgendwann in den folgenden Jahrzehnten Katzen mit sich. Noch 1867 sprach der englische Kapitän F.W. Hutton von zahlreichen Sattelstaren im lokalen Wald, Felis catus erwähnte er hingegen nicht. Knapp 15 Jahre später hatten sich die Verhältnisse umgekehrt: Katzen durchstreiften in großer Zahl die Insel, Sattelstare und Aucklandschnepfen waren ausgestorben, Honigesser auf kleine Reste dezimiert und Seevögel drastisch in ihrer Zahl reduziert – die eingeschleppten räuberischen Säuger hatten ganze Arbeit geleistet.

Verwilderte Hauskatze | Verwilderte Hauskatzen rotteten einige der heimischen Vögel von Little Barrier Island aus – und brachten andere in eine sehr bedrohliche Lage.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts ging Little Barrier Island in den Besitz der britischen Krone über, die Maori siedelten auf das Festland über und ein Ranger sollte sich um die Erholung der Natur kümmern. Regelmäßig schossen er und seine Nachfolger Katzen, doch geschah dies nicht planmäßig, sondern blieb immer nur Stückwerk – was den verbliebenen Vögeln und Echsen kaum eine Atempause verschaffte, geschweige denn ihrer nachhaltigen Bestandsvergrößerung diente. Es bedurfte einer konzertierten Aktion von Ökologen 1980, um schließlich den gesamten Katzenbestand des mehr als 2000 Hektar großen Eilandes zu entfernen, was damals als großer Erfolg gefeiert wurde: Jetzt sollte die bedrohte einheimische Fauna sich endlich wieder ungestört vermehren können.

Doch hatten die Beteiligten bei all dem schlicht die Kiore vergessen, wie Matty Rayner von der Universität Auckland und sein Team schreiben. Denn auch die Ratten wurden von den Katzen gejagt und gefressen – und damit in Schach gehalten. Ohne ihren Fressfeind explodierte ihre Zahl wieder, und manch urwüchsige Art geriet sogar stärker in Gefahr als zu Zeiten der Katzen: der Cook-Sturmvogel (Pterodroma cookii) beispielsweise. Dieser relativ kleine Seevögel nistet in schmalen Erdhöhlen im Wald der Insel. Er ist also darauf angewiesen, dass keine oder nur wenige am Boden lebenden Räuber in seiner direkten Umgebung hausen. Die Katzen waren meist zu groß, um in seinen Bau einzudringen, sie konnten den Vögeln allenfalls beim Anflug auflauern, was sie zu einer mühsamen und eher unergiebigen Nahrungsquelle macht, wenn sich zugleich andere Beute leichter erreichen lässt.

So hielten die Katzen eben manch andere Vogelart klein und ebenso die Ratten, wovon die Cook-Sturmvogel letztlich profitierten: Sie zogen laut Daten der Wissenschaftler aus den Jahren vor der großen Katzen-Exterminierung im Schnitt jährlich immerhin in jedem dritten Bau ein Junges groß. Nach Ende des felinen Terrorregimes sank die Zahl aber auf nur noch eine erfolgreiche Brut pro hundert Nester – eine miserable Quote, die den Bestand der Sturmvögel mittelfristig auf Talfahrt schickte, weil die Ratten mühelos in die Höhlen schlüpften und dort Eier und Küken stiebitzten.

Cook-Sturmvogel | Der Feind meines Feindes war mein Freund: Cook-Sturmvögel profitierten zuerst nicht von der Ausmerzung der Katzen, denn diese kontrollierten auch die Rattenpopulationen. Ohne die Katzen vermehrten sich die Kiore explosionsartig und dezimierten die Sturmvögel.

Erst die Fortschritte in der Bekämpfung von eingeschleppten Tierarten seit 1980 machten Little Barrier Island nagerfrei, ohne Kollateralschäden unter den einheimischen Tieren anzurichten. Einen Erfolg, den die Sturmvögel mit einem beachtlichen Geburtenanstieg quittierten: In zwei von drei Nestern zogen sie nun Nachwuchs bis zum Flüggewerden groß – mehr als jemals zuvor von Biologen notiert wurde. Bei genauerer Betrachtung ihrer Erhebungen staunten Rayner und sein Team allerdings über die Diskrepanz zwischen unterschiedlichen Erfolgsraten: In Küstennähe nistende Sturmvögel hatten zehnmal so viel Erfolg mit ihren Sprösslingen wie Artgenossen rund um den 700 Meter hohen Gipfel der Insel – ein Befund, den sich die Biologen nicht recht erklären konnten, denn die Ratten gab es damals eigentlich überall.

Dennoch unterschieden sich auch nach der Befreiung von den Kiore Hoch- und Tieflagen gewaltig: Rund um den Gipfel stellte sich neuer großer Kükensegen ein, an der Küste dagegen blieb der Anstieg hinter den Erwartungen zurück, obwohl dort die Forscher wegen der günstigeren Bedingungen deutlich mehr erwartet hatten. Lebte auf Little Barrier Island womöglich noch ein dritter – unbekannter – Vogeljäger? Oder beeinflusste das Verschwinden von Ratte und Katze weitere ökologische Faktoren wie das Pflanzenwachstum, die die Vögel an der erfolgreichen Brut hinderten? Unwahrscheinlich, meint Rayner: Vielmehr fanden die Ratten an den kühlen Berghängen nicht ausreichend Insekten, Samen oder Eidechsen, weshalb sie verstärkt auf die Sturmvögel ausweichen mussten.

Pazifische Ratte | Die Pazifische Ratte – auch genannt Kiore – dringt mühelos in die Bruthöhlen der Sturmvögel ein und frisst deren Eier wie Küken. Erst ihre Ausrottung brachte den Vögeln auf der gesamten Insel Erholung.

Komplizierte ökologische Probleme und Zusammenhänge wie diese beschäftigen Naturschützer weltweit, wenn sie ursprüngliche Ökosysteme restaurieren wollen: Auf den Galapagos-Inseln etwa war es kontraproduktiv, zuerst die Ziegen auszurotten, die die Vegetation kahlfraßen und so den Schildkröten wie Leguanen die Nahrung nahmen. Ohne die Ziegen erholten sich Bäume und Strauchwerk, doch bot der dichte Bewuchs plötzlich verwilderten Schweinen – sie zerstören die Nester der Schildkröten und verzehren die Jungtiere – so viel Deckung, dass Jäger sie nicht mehr fanden. Für die Reptilien war also erst einmal nicht viel gewonnen. Das Einschleppen der unerwünschten Gäste war dagegen ein Kinderspiel.

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