Chemische Evolution: Der Geist der Ursuppe
Wirklich nachhaltige Laborexperimente liefern auch nach einem halben Jahrhundert noch Ergebnisse. Zum Beispiel das Ursuppenexperiment von Stanley Miller.
![Miller-Proben Miller-Proben](https://static.spektrum.de/fm/912/f2000x857/ursuppe2.jpg)
© Scripps Institution of Oceanographie, University of California at San Diego (Ausschnitt)
© spektrum.de (Ausschnitt)
Internationales Jahr der Chemie 2011
© Spektrum Akademischer Verlag (Ausschnitt)
Millers Original-Versuchsaufbau | Das Miller-Experiment ist ein in den 1950er Jahren erstmals durchgeführtes Experiment zur Simulation präbiotischer Synthesen in einer künstlichen Uratmosphäre. Dabei werden vermutete Komponenten der Uratmosphäre – Ammoniak, Wasserstoff, Methan und Wasser – elektrischen Funkenentladungen ausgesetzt, die Blitzschläge simulieren. Die in der Kälte kondensierten Gase werden dann in einer Wasserfalle (dem "Urozean") aufgefangen, durch Erhitzen wieder in die Uratmosphäre gebracht und erneut Funkenentladungen ausgesetzt. Wenn das System über eine Woche lang unter den künstlichen Bedingungen der Uratmosphäre gehalten wird, bildet sich in der wässrigen Phase ein komplexes Gemisch organischer Verbindungen, worunter sich auch eine Reihe von einfachen Fettsäuren, Zuckern und Aminosäuren befinden.
Jetzt legen Bada und Kollegen noch einmal nach [3]. Ihr Augenmerk richteten sie dabei auf eines der weniger bekannten Nachfolgeexperimente von Miller – einen Versuch, mit dem er 1959 den Einfluss von Vulkanen auf die chemische Evolution simulieren wollte. Aus den penibel geführten Labortagebüchern geht hervor, wie Miller das Experiment durchgeführt hatte, dessen Ergebnisse er dann in sterilisierten Probenbehältern versiegelt archivierte. Im Detail ausgewertet und publiziert hatte Miller damals das Experiment allerdings nicht – warum auch immer.
© Ned Shaw, Indiana University (Ausschnitt)
Stanley Millers zweite Apparatur | Wie beim klassischen Ansatz wird im unteren Glaskolben Wasser in einer Atmosphäre aus Wasserstoff, Methan und Ammoniak erhitzt (1). Die Dämpfe steigen zu einem zweiten Glaskolben auf, werden hier einer Funkenentladung ausgesetzt (2), um anschließend in einem Kühler zu kondensieren (3). In einem U-Rohr sammeln sich die entstandenen Reaktionsprodukte (4).
Neu hinzu kommt eine Düse im aufsteigenden Rohr, das die Dämpfe beschleunigt, sowie eine Brücke zum absteigenden Rohr. Damit sollen vulkanischen Eruptionen simuliert werden.
Neu hinzu kommt eine Düse im aufsteigenden Rohr, das die Dämpfe beschleunigt, sowie eine Brücke zum absteigenden Rohr. Damit sollen vulkanischen Eruptionen simuliert werden.
© Ned Shaw, Indiana University (Ausschnitt)
Alte Proben | Stanley Miller hob alle seine Proben sorgfältig auf.
Dabei, spekuliert Badas Team alternativ, muss das typische Gemisch der ersten Lebensmoleküle aber nicht einmal unbedingt auf der frühen Erde entstanden sein, sondern vielleicht über lange Zeiträume in den Urzeiten des Sonnensystems auf Meteoriten. Dies lege ein Vergleich der schwefelhaltigen Moleküle aus dem Miller-Kolben mit den Molekülen nahe, die in bestimmten Meteoriten wie "CM2-Murchinson" vorkommen. Das Molekülspektrum auf solchen primitiven "kohligen Chondriten" korreliere jedenfalls stark mit dem, was jetzt in den alten Miller-Proben nachgewiesen wurde. Wo immer Schwefelwsserstoffquellen vorhanden sind – wie etwa im interstellaren Raum – könnten präbiotische Moleküle entstehen. Übrigens: Auch das hatte Miller bereits vermutet, nachdem er 1972 auf die Liste der Aminosäuren gestoßen war, die man damals schon im Murchinson-Meteroiten nachweisen konnte.
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