Paläontologie: Der größte Knochenfisch aller Zeiten
Ein urzeitlicher "Problemfisch" aus dem Jura übertrifft wohl noch das schlimmsten Seemannsgarn überdimensionierter Meereskreaturen: Leedsichthys problematicus aus der ausgestorbenen Familie der Pachycormidae konnte nach Schätzungen von englischen Forschern eine stattliche Länge von 16,5 Metern erreichen und wäre damit der bei weitem größte Knochenfisch aller Zeiten.
Seit seiner Entdeckung im Jahre 1889 im englischen Peterborough waren die tatsächlichen Ausmaße des Ozeanriesen unter Forschern höchst umstritten, daher auch der Artname "problematicus". Die gefundenen Überreste sind meist sehr schlecht erhalten, da das Skelett nur schwach verknöchert ist. Unter dem Druck der Tonsedimente wurden die Überreste des Fisches zudem regelrecht zermalmt: So bot sich den Experten ein Puzzle aus Tausenden von Knochenteilen. Dementsprechend spekulativ waren bisherige Schätzungen, die mit 27 Metern sogar an die Ausmaße von Blauwalen heranreichten.
Forscher um Jeff Liston von der University of Bristol haben nun eine fundierte Analyse des Urzeitfisches vorgelegt. "Wir sahen uns die Wachstumsstrukturen in den Knochen an, um das Alter der Tiere abschätzen zu können. Diese sind vergleichbar mit den Wachstumsringen von Bäumen", erzählt der Paläontologe. Die so ermittelten Ergebnisse wurden mit erhaltenen Schädelstrukturen und anderem Knochenmaterial verglichen, um die Wachstumsrate der Fische abschätzen zu können: Demzufolge konnte Leedsichthys eine Länge von acht bis neun Metern in 20 Jahren erreichen. Das größte bislang gefundene Exemplar hätte dann bei einem geschätzten Alter von 38 Jahren 16,5 Meter erreicht und somit sogar den Walhai (maximal 13,7 Meter) übertroffen. Das relativ langsame Wachstum stimmt auch gut mit jenem von rezenten marinen Planktonfressern wie Wal- und Riesenhaien überein.
Der Riesenfisch war wahrscheinlich zahnlos, verfügte aber über ein einzigartiges Filtersystem, das sich deutlich von jenem heute lebender Planktonfresser unterscheidet. Eine komplexe Netzwerkstruktur, die oberflächlich Honigwaben ähnelt, durchzieht die Kiemen. "Eine einzigartige Lösung für das gleiche Problem", so Liston.
Leedsichthys war der erste bekannte planktonfressende Meeresriese. Davor gab es offenbar nur Filterfresser, die kaum 50 Zentimeter maßen. "Die Existenz dieser riesigen Fische ist sehr wichtig, da sie ein klarer Hinweis darauf ist, wie sich im Jura die Planktonpopulationen in den Ozeanen veränderten" sagt Liston. Vielleicht tauchten damals erstmals Copepoden, kleine Krebstierchen, auf. Die Giganten starben Ende der Kreidezeit gleichzeitig mit den Dinosauriern aus. Heute nehmen planktonfressende Haie und Bartenwale ihre ökologische Nische ein: Filterfresser sind auch heute die größten lebenden Tiere unseres Planeten.
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