Hahnenschrei: Davor kräht kein Hahn
Mit dem ersten Hahnenschrei aufzuwachen ist kein Vergnügen, denn der Weckruf ertönt viel zu früh am Morgen. Sobald in der Morgendämmerung ein Hahn mit seinem lauten Kikeriki den Anfang macht, fallen innerhalb von Sekunden die anderen Hähne mit ein. Den primären Schrei initiiert jedoch nicht etwa der Gockel, der als Erster erwacht, sondern derjenige, der ganz oben in der Rangordnung steht. Tsuyoshi Shimmura und Takashi Yoshimura von der Univerität Nagoya in Japan untersuchten die soziale Hierarchie von Hühnern und entdeckten, dass diese nicht nur festlegt, welcher Hahn als Erster kräht, sondern auch, in welcher Reihenfolge die restlichen Geflügeltiere einsetzen.
Beim Kampf um Futter und Weibchen hacken ranghöhere Hühner rangniedrige mit ihrem Schnabel beiseite. So stabilisiert sich eine Rangordnung – vielmehr Hackordnung –, bei der das Verhalten eines jeden Huhns seine soziale Stellung reflektiert. Im Rahmen der Studie führten die japanischen Forscher vier Hähne in einem Gruppenkäfig zusammen, so dass sich eine soziale Hierarchie festigen konnte. Anschließend wurden die Tiere in einzelne Käfige separiert und ihr Krähverhalten in den kommenden Wochen aufgezeichnet. Die japanischen Wissenschaftler entdeckten, dass dem obersten Hahn eine ganz spezielle Aufgabe zukommt: Er entscheidet, wann es Zeit ist aufzustehen. Erst wenn sein Schrei ertönt, ziehen seine Artgenossen nach.
Die Abfolge der Rufe folgt der sozialen Stellung der Hähne, und auch die Schreirate orientiert sich danach. Schwach positionierte Tiere haben demnach erst spät und nur wenig zu melden. Entfernten die Forscher den Leithahn von seiner Gruppe, so hatte das keine Auswirkung auf den täglichen Weckruf. Der Rangzweite übernahm die Aufgabe einfach stellvertretend. Dass der ranghöchste Hahn den morgendlichen Schrei initiiere, habe einen evolutionären Grund, erklären die Forscher. Durch die Lautäußerung markiere er akustisch sein Territorium, um aggressiven Konfrontationen vorzubeugen.
Aber woher weiß der Hahn eigentlich, wann er krähen muss? Er folgt einfach – unbeirrt von Tageslicht und anderen äußeren Reizen – dem Signal seiner inneren Uhr, die einem zirkadianen Rhythmus von 24 Stunden unterworfen ist. Das Forscherteam um Shimmura stellte sich deswegen die Frage, ob der individuelle Krähbeginn vielleicht seine Ursache in unterschiedlich ausgeprägten Rhythmen habe.
Als Indiz für den biologischen Taktgeber galt die Körpertemperatur der Tiere, da diese je nach Uhrzeit bestimmten Schwankungen unterworfen ist. Es zeigte sich jedoch kein signifikanter Unterschied in der Veränderung der Körperwärme in Abhängigkeit der jeweiligen Hackposition. Dass der rangniedrige Hahn dem Leithahn den Vortritt lässt, ist demzufolge nicht biologisch bedingt, aber trotzdem tief verankert. Denn obwohl die schwächeren Versuchshähne eigentlich durch die Einzelkäfige geschützt sind, überlassen sie dem Leithahn ausnahmslos den Vortritt. Es ist nun mal das Recht des Stärkeren.
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