Hirnforschung: Der Hirnscanner als Kartenleser
"Wo bin ich hier?" - Im Gehirn weiß das der Hippocampus, denn er erfasst und protokolliert unsere Position im Raum. Jetzt haben ihn Forscher genau abgehört und festgestellt: Wo der Proband glaubt, sich zu befinden, wäre im Prinzip von außen lesbar.
"Mit dieser Forschung nähern wir uns bereits dem Bereich des Gedankenlesens", jubelt die britische Hirnforscherin Eleanor Maguire dem interessierten Leser einen knackigen Aufhänger unter. Denn freilich hat ihre jüngste Veröffentlichung weniger mit einer Jahrmarktsattraktion zu tun als mit höherer Mathematik und der gewissenhaften Auswertung einer Masse von Hirnscanner-Daten.
Dabei ist Maguires Behauptung am Ende eigentlich ganz typisch. In den letzten Jahren erleben "Gedankenlese-Studien" einen regelrechten Boom, wenn auch aus ganz anderen Gründen: Es geht darum, dem Gehirn das Geheimnis seines Speichersystems abzuringen. Hat man es verstanden, kann man aus Messwerten die entsprechenden Schlüsse ziehen.
Was dabei überrascht – und Maguires Eyecatcher überflüssig macht – ist die Eleganz und Einfachheit der dahintersteckenden Organisationsprinzipien. Weil dem so ist, können Ansinnen wie das der Wissenschaftlerin vom University College London und ihrem Team überhaupt Erfolg haben: Räumliche Erinnerungen werden so strukturiert abgelegt, dass die Aktivität im Hippocampus ihnen verlässlich darüber Aufschluss gab, wo ihre Probanden glaubten, sich zu befinden.
Was der Scanner in diesen Momenten an Daten lieferte, schleusten die Forscher durch einen statistischen Mustererkennungsprozess. Übrig blieb pro Punkt im Raum nur jeweils ein eng umgrenzter Bereich im Hippocampus, der aktiv war. Oder andersherum formuliert: Welcher dieser einige Tausend Neuronen umfassenden Bereiche gerade feuerte, zeigte an, wo sich der Teilnehmer in der virtuellen Realität aufhielt. In diesem Sinne betrieb die Forscherin tatsächlich so etwas wie Gedankenlesen.
Dass man dabei im Hippocampus fündig wurde, einem vor allem für Erinnerungsleistungen verantwortlichen, zentral in der Mitte des Hirns liegenden Areal, kommt nicht von ungefähr. Bereits 1971 hatten die beiden Neurowissenschaftler John O'Keefe – ebenfalls vom University College London – und William Dostrovsky, heute an der University of Toronto, im Rattenhirn sogenannte Ortszellen ausgemacht, als sie Elektroden in einzelne Hippocampusneuronen freilaufender Tiere stachen. Dabei stellte sich heraus, dass jede Zelle selektiv auf genau eine Stelle im Labyrinth reagierte und jedes Mal ein Impulsfeuerwerk abschoss, wenn die Ratte dort vorbeikam. Bereits O'Keefe und Dostrovsky mutmaßten, dass sich im Hippocampus eine Art Karte der Umgebung bildet. An welcher Stelle es dort feuert, liefert die Positionsdaten für die weitere Navigation.
Auch im menschlichen Hippocampus waren in der Zwischenzeit ortsselektive Zellen aufgetaucht, das System sollte also ähnlich funktionieren, nur war eines nicht klar: Wie sind die Zellen über das ganze Areal verteilt? Liegen diejenigen, die auf benachbarte Positionen reagieren, auch im Hippocampus nebeneinander? Auch mag es eine Vielzahl von Neuronen geben, die sich auf dieselbe Stelle konzentrieren – sind sie zufällig über das Areal verteilt oder klumpen sie sich zusammen? Darüber hinaus sprechen sie weniger wie An-/Ausschalter auf eine Position an, sondern reagieren auf eine Zone. Je näher Mensch oder Tier deren Zentrum kommt, desto heftiger ihre Aktivität. Abertausende der Hippocampuszellen geben deshalb permanent Signale ab. Ein solches Durcheinander lässt sich mit Einzelzellableitungen wie bei O'Keefe und Dostrovsky nicht beherrschen.
Wohl aber mit dem fMRT. Und hier schließt sich der Kreis zum "Gedankenlesen": Statt einer Kakophonie scheint der Hippocampus tatsächlich eine Art Symphoniekonzert zum Besten zu geben. "Andernfalls hätten wir nie so akkurate Vorhersagen machen können", meint Maguire.
Verglichen mit der Einzelzellableitung ist die Auflösung des fMRT nämlich reichlich grob. Es tastet Gehirne in kubikmillimetergroßen Volumeneinheiten ab und wirft dabei die Aktivität einiger Tausend Neuronen pro Einheit zusammen. Wären ähnlich fokussierte Ortszellen gleichmäßig verteilt, würde ihr Feuern einfach im Hintergrundrauschen untergehen. Maguire aber fand, dass immer nur einzelne Volumeneinheiten aktiv waren. Hier hatten sich die relevanten Positionsindikatoren offenbar zusammengeballt. "In der Art, wie räumliche Erinnerungen im Hippocampus untergebracht sind, muss es eine Struktur geben", lautet daher das Fazit der Forscher. Wie genau diese beschaffen ist, bleibt noch zu klären.
Der Reiz, irgendwann einmal tatsächlich, also sozusagen "live" die Gedanken mitverfolgen zu können, bleibt natürlich bestehen. Noch können die Forscher nur mit Mittelwerten aus vielen Durchläufen dem ständigen Rauschen im Hirn Herr werden. Und auch das ist noch nicht möglich: die Position der Probanden während der Bewegung zu erfassen. "Eine interessante Herausforderung für die Zukunft", findet Maguire.
Dabei ist Maguires Behauptung am Ende eigentlich ganz typisch. In den letzten Jahren erleben "Gedankenlese-Studien" einen regelrechten Boom, wenn auch aus ganz anderen Gründen: Es geht darum, dem Gehirn das Geheimnis seines Speichersystems abzuringen. Hat man es verstanden, kann man aus Messwerten die entsprechenden Schlüsse ziehen.
Was dabei überrascht – und Maguires Eyecatcher überflüssig macht – ist die Eleganz und Einfachheit der dahintersteckenden Organisationsprinzipien. Weil dem so ist, können Ansinnen wie das der Wissenschaftlerin vom University College London und ihrem Team überhaupt Erfolg haben: Räumliche Erinnerungen werden so strukturiert abgelegt, dass die Aktivität im Hippocampus ihnen verlässlich darüber Aufschluss gab, wo ihre Probanden glaubten, sich zu befinden.
Wohlgemerkt: Wo sie glaubten sich zu befinden, denn in Wirklichkeit lagen sie ja in der Röhre des Scanners. Um die neuronalen Prozesse der räumlichen Orientierung zu untersuchen, musste das Team stattdessen den Geist ihrer Versuchsteilnehmer auf Wanderschaft schicken, in die 3D-Welt eines Computerspiels. Vier Punkte in einem spartanisch möblierten virtuellen Raum sollten die Probanden immer wieder anlaufen. Dort angekommen, senkte sich ihr Blick automatisch auf einen ungemusterten Boden. Alle Sinnesreize, die Aufschluss über ihre Position hätten geben können, waren dadurch ausgeblendet.
Was der Scanner in diesen Momenten an Daten lieferte, schleusten die Forscher durch einen statistischen Mustererkennungsprozess. Übrig blieb pro Punkt im Raum nur jeweils ein eng umgrenzter Bereich im Hippocampus, der aktiv war. Oder andersherum formuliert: Welcher dieser einige Tausend Neuronen umfassenden Bereiche gerade feuerte, zeigte an, wo sich der Teilnehmer in der virtuellen Realität aufhielt. In diesem Sinne betrieb die Forscherin tatsächlich so etwas wie Gedankenlesen.
Dass man dabei im Hippocampus fündig wurde, einem vor allem für Erinnerungsleistungen verantwortlichen, zentral in der Mitte des Hirns liegenden Areal, kommt nicht von ungefähr. Bereits 1971 hatten die beiden Neurowissenschaftler John O'Keefe – ebenfalls vom University College London – und William Dostrovsky, heute an der University of Toronto, im Rattenhirn sogenannte Ortszellen ausgemacht, als sie Elektroden in einzelne Hippocampusneuronen freilaufender Tiere stachen. Dabei stellte sich heraus, dass jede Zelle selektiv auf genau eine Stelle im Labyrinth reagierte und jedes Mal ein Impulsfeuerwerk abschoss, wenn die Ratte dort vorbeikam. Bereits O'Keefe und Dostrovsky mutmaßten, dass sich im Hippocampus eine Art Karte der Umgebung bildet. An welcher Stelle es dort feuert, liefert die Positionsdaten für die weitere Navigation.
Auch im menschlichen Hippocampus waren in der Zwischenzeit ortsselektive Zellen aufgetaucht, das System sollte also ähnlich funktionieren, nur war eines nicht klar: Wie sind die Zellen über das ganze Areal verteilt? Liegen diejenigen, die auf benachbarte Positionen reagieren, auch im Hippocampus nebeneinander? Auch mag es eine Vielzahl von Neuronen geben, die sich auf dieselbe Stelle konzentrieren – sind sie zufällig über das Areal verteilt oder klumpen sie sich zusammen? Darüber hinaus sprechen sie weniger wie An-/Ausschalter auf eine Position an, sondern reagieren auf eine Zone. Je näher Mensch oder Tier deren Zentrum kommt, desto heftiger ihre Aktivität. Abertausende der Hippocampuszellen geben deshalb permanent Signale ab. Ein solches Durcheinander lässt sich mit Einzelzellableitungen wie bei O'Keefe und Dostrovsky nicht beherrschen.
Wohl aber mit dem fMRT. Und hier schließt sich der Kreis zum "Gedankenlesen": Statt einer Kakophonie scheint der Hippocampus tatsächlich eine Art Symphoniekonzert zum Besten zu geben. "Andernfalls hätten wir nie so akkurate Vorhersagen machen können", meint Maguire.
Verglichen mit der Einzelzellableitung ist die Auflösung des fMRT nämlich reichlich grob. Es tastet Gehirne in kubikmillimetergroßen Volumeneinheiten ab und wirft dabei die Aktivität einiger Tausend Neuronen pro Einheit zusammen. Wären ähnlich fokussierte Ortszellen gleichmäßig verteilt, würde ihr Feuern einfach im Hintergrundrauschen untergehen. Maguire aber fand, dass immer nur einzelne Volumeneinheiten aktiv waren. Hier hatten sich die relevanten Positionsindikatoren offenbar zusammengeballt. "In der Art, wie räumliche Erinnerungen im Hippocampus untergebracht sind, muss es eine Struktur geben", lautet daher das Fazit der Forscher. Wie genau diese beschaffen ist, bleibt noch zu klären.
Der Reiz, irgendwann einmal tatsächlich, also sozusagen "live" die Gedanken mitverfolgen zu können, bleibt natürlich bestehen. Noch können die Forscher nur mit Mittelwerten aus vielen Durchläufen dem ständigen Rauschen im Hirn Herr werden. Und auch das ist noch nicht möglich: die Position der Probanden während der Bewegung zu erfassen. "Eine interessante Herausforderung für die Zukunft", findet Maguire.
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