Sozialverhalten: Das Selbstbild ist wichtiger als die Geldgier
Nahezu weltweit geben Menschen ein gefundenes Portmonee – samt Inhalt – eher dann wieder zurück, wenn es mehr als nur ein paar Euro enthält. Dahinter stecke das Bemühen um ein vorteilhaftes Selbstbild, glauben Forscher aus der Schweiz und den USA, die ihre Ergebnisse aus einer internationalen Versuchsreihe im Fachmagazin »Science« darstellen. Das widerspreche der Vermutung, die Verhaltensökonomen in einer Vorstudie geäußert hatten: dass ein gut gefülltes Portmonee den Finder eher dazu verleite, es nicht zurückzugeben.
Die Wissenschaftler hatten in 40 Ländern das Schicksal von insgesamt 17 000 angeblich »verlorenen« Geldbörsen nachverfolgt, die ihre Mitarbeiter mit oder ohne Geld zum Beispiel am Schalter einer Bank oder Behörde oder an einer Hotelrezeption abgegeben hatten. In den Börsen befanden sich unter anderem auch Ausweisdokumente, so dass der mutmaßliche Besitzer leicht zu identifizieren war. Insgesamt tauchten 50 Prozent der vermeintlichen Fundstücke, die Geld enthalten hatten, wieder auf – aber nur 40 Prozent der leeren Portmonees.
Es machte außerdem einen unerwarteten Unterschied, wie viel Geld die Börsen enthielten. Bei umgerechnet 14 Dollar kamen 61 Prozent der Geldbeutel zurück, bei fast 100 US-Dollar sogar ganze 72 Prozent. Die Autoren schließen daraus, dass sich die meisten Menschen nicht für unehrlich halten wollen. Ein Finder würde sich aber umso eher als Dieb ansehen, je mehr er sich an einem Fundstück bereichere. Eine Rechtfertigung dafür zu finden, sei einfacher, wenn es sich lediglich um einen kleineren Geldbetrag handle.
Einen Hinweis auf altruistische Motive wie Mitgefühl sieht das Team außerdem darin, dass Geldbeutel mit Schlüssel noch häufiger zurückgegeben wurden. Keine Rolle spielte hingegen, ob es Zeugen oder Kameraaufnahmen von der Situation gab, in denen die unfreiwilligen Testpersonen das Fundstück ausgehändigt bekamen. Die Rückgabequote variierte allerdings je nach Land beträchtlich. Wenn man schon sein Portmonee verliert, sollte man das demnach in der Schweiz, Skandinavien oder den Niederlanden tun.
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