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Claudius Paternus Clementianus: Der Kelte, der den Posten von Pontius Pilatus übernahm

Heute ist Epfach ein süddeutsches Örtchen mit rund 500 Einwohnern. Doch vor fast 2000 Jahren begann hier die Karriere eines Mannes, der Pontius Pilatus auf seinem Posten beerbte.
Als Claudius Paternus Clementianus im Jahr 122 die Statthalterschaft in Noricum übernahm, ließ er den Tempel der Göttin Noreia erneuern. In den Überresten des Heiligtums entdeckten Fachleute seine Porträtbüste.

An Karfreitag gedenken die Christen der Kreuzigung von Jesus Christus. Doch eine weitere historische Figur spielt für diesen Tag eine nicht minder bedeutsame Rolle und ist vielleicht ebenso bekannt wie der Gekreuzigte. Der Mann, der als Verkünder des Todesurteils unglücklich in die Ereignisse vor 2000 Jahren verwickelt war: der römische Statthalter Pontius Pilatus. Kaum bekannt ist jedoch, dass keine 100 Jahre später ein aus dem heutigen Süddeutschland stammender Mann mit keltischen Wurzeln die Nachfolge des Präfekten im Heiligen Land antrat: Claudius Paternus Clementianus.

Über Paternus ist wesentlich mehr überliefert als über seinen prominenten Amtsvorgänger. Die Daten zeichnen eine Laufbahn, die Claudius Paternus Clementianus durch weite Teile des Römischen Reichs führte – von seiner rätischen Heimat an die Nordseeküste bis nach Judäa im heutigen Israel. Der Sohn einer alteingesessenen Familie aus dem Lechtal machte eine klassische Karriere in den Militärzirkeln des Imperium Romanum.

Eine Venus im Gasthof bei Epfach

Die ersten Hinweise auf den Kelten im Heiligen Land fanden sich im 19. Jahrhundert: in der Gemeinde Apfeldorf bei Epfach, das heute Teil der Gemeinde Denklingen im Landkreis Landsberg am Lech ist. Dort war 1810 in einem Gasthof »eine offenbar zufällig entdeckte Venus-Statuette herumgezeigt worden«. So stand es später in der Zeitung. Im Jahr 1830 ließ der Landrichter von Schongau Lorenz Boxler dann erstmals auf dem Lorenzberg bei Epfach ausgraben. Boxler wollte weitere Objekte aus der Zeit finden, als Epfach noch Abodiacum hieß und eine bedeutende Siedlung der römischen Provinz Rätien war. Seine Hoffnung war nicht unbegründet, denn in der Antike kreuzten hier, durch die Flussschleife des Lechs geschützt, zwei wichtige Fernverbindungen: die Claudia Augusta, die über die Alpen und Augusta Vindelicum (Augsburg) bis zum Kastell Submuntorium (Burghöfe) bei Donauwörth reichte; und eine Straße, die in Ost-West-Richtung von Iuvavum (Salzburg) über Cambodunum (Kempten) nach Brigantium (Bregenz) verlief.

Kein Wunder also, dass die Römer bereits bei der Eroberung des Alpenvorlands 14 v. Chr. auf dem strategisch günstig gelegenen Lorenzberg einen ersten Militärposten errichtet hatten. Zur Mitte des 1. Jahrhunderts entstand am Fuß des Hügels die Zivilsiedlung Abodiacum, die bis zum Einfall der Alemannen im 3. Jahrhundert existierte. Danach zogen sich die Einwohner auf den befestigten Lorenzberg zurück und verbauten dort jede Menge Steinblöcke aus der aufgegebenen Talsiedlung. Bei den Grabungen im Jahr 1830 fanden sich auch mehrere Quader mit Beschriftungen. Zwei davon stellten sich als Inschriften heraus, die den Bau von Gebäuden belegen, die Claudius Paternus Clementianus gesponsert hatte. Zudem kam der Grabstein von Paternus' Mutter ans Licht.

Jener gut 60 Zentimeter hohe Grabblock – im wissenschaftlichen Inschriftenverzeichnis »Corpus Inscriptionum Latinarum« ist er mit der Nummer 3, 5777 verzeichnet – trägt eine sechszeilige, fragmentarisch erhaltene Inschrift. Wie für römische Steintexte üblich, wurden Namen und Titel häufig abgekürzt. Sie sind in runden Klammern ergänzt, verlorene gegangene Abschnitte in eckigen:

Cl(audiae) Indut[i f(iliae)]
Clementi[nae]
Cl(audius) Paternus
Clementian[us]
proc(urator) Aug(usti)
matri

Auf Deutsch übersetzt, lautet der Text: »Seiner Mutter Claudia Clementina, der Tochter des Indutus, (hat) Claudius Paternus Clementianus, kaiserlicher Prokurator, [diesen Grabstein gewidmet].«

Die Inschrift erlaubt eine ganze Reihe an Rückschlüssen auf die Familie des Paternus. Der Name des Großvaters mütterlicherseits, Indutus, dürfte keltischen Ursprungs sein. Das bedeutet: Seine Mutter Clementina war aus Sicht der römischen Besatzer als »peregrina«, als »Fremde«, im Römischen Reich geboren worden – obwohl sie und ihre Familie in der Gegend offenbar schon lange ansässig waren. Unklar ist, unter welchen Umständen sie das römische Bürgerrecht erhielt. Ihr Namensbestandteil Claudia, den der Sohn in männlicher Form besaß, geht vermutlich auf den Geschlechternamen ihres Mannes zurück, Claudius. Womöglich hat das Ehepaar also irgendwann unter Kaiser Claudius, der von 41 bis 54 regierte, das römische Bürgerrecht verliehen bekommen.

Das ist jedoch nur denkbar, wenn Paternus' Vater und seine Vorfahren einer angesehenen und alteingesessenen Familie in der Provinz Rätien angehörten. Anfänglich haben die Römer nämlich vor allem einflussreiche lokale Würdenträger in die Reichsverwaltung eingebunden und sie zu römischen Bürgern gemacht.

Die Karriere eines römischen Ritters aus keltischen Landen

Nach den Angaben auf dem Grabstein seiner Mutter zu urteilen, dürfte Sohn Claudius Paternus Clementianus irgendwann zwischen 50 und 70 n. Chr. zur Welt gekommen sein. Und seine rechtliche Stellung als Bürger ermöglichte es ihm, in den römischen Ritterstand, die »milita equestris«, erhoben zu werden. Der Weg hin zum kaiserlichen Statthalter, den in der Grabinschrift genannten Prokurator, führte über die »tres militiae«. Dies war die standardisierte Laufbahn eines ritterlichen Offiziers: Sie begann als Präfekt einer Infanterieeinheit, darauf folgte das Amt eines Militärtribuns und zuletzt das eines Reitertribuns. Danach bekleidete Paternus erstmals das Amt des Prokurators. Und als seine Mutter starb, so lässt ihre Grabinschrift vermuten, muss er mindestens die erste seiner insgesamt vier kaiserlichen Statthalterschaften in diversen römischen Provinzen angetreten haben.

Über die Stufen von Paternus' Laufbahn informiert ein weiterer Quader vom Epfacher Lorenzberg. Dieser stand entweder an seinem Grab, war als Bauinschrift verbaut oder diente als Sockel für seine Statue. Die Inschrift CIL 3, 5776 ist teils zerstört, lässt sich aber gut lesen und zuverlässig ergänzen. Den Block bezeichnen Fachleute auch als »Laufbahnstein« – weil sich damit die Karriere des Paternus nachzeichnen lässt:

Inschrift | Ausgräber entdeckten den Block 1830 am Lorenzberg in Epfach. Die Inschrift nennt die Karrierestufen des Claudius Paternus Clementianus. Fachleute nennen den Quader deshalb auch »Laufbahnstein«.

Cla(udius) Paternus
Clementia[n]us
proc(urator) Aug(usti)
provincia[rum]
Iudaeae Sar[diniae]
Africae et [Norici]
praef(ectus) eq(uitum) [alae]
Silianae t[orq(uatae) c(ivium) R(omanorum)]
trib(unus) milit[um]
leg(ionis) XI C[l(audiae)]
pra[ef(ectus) coh(ortis) I classic(ae)]
[---]

»Claudius Paternus Clementianus, kaiserlicher Statthalter der Provinzen Judäa, Sardinien, Africa und Noricum, Reiterpräfekt der ala Siliana torquata civium romanorum, Tribun der Legio XI Claudia, Präfekt der Cohors I classica …«

Die Ämter sind den damaligen Gepflogenheiten entsprechend so aufgelistet, dass die ranghöheren, also die vier kaiserlichen Statthalterschaften unter Einhaltung ihrer zeitlichen Abfolge am Anfang stehen. Dann folgen die Stationen, die Paternus davor absolviert hatte: die »tres militiae«, die dreistufige Militärlaufbahn eines Angehörigen des römischen Ritterstands. Die Reihenfolge verläuft wiederum von hohem zu niedrigem Rang. Seinen Karrierestart legte Paternus demnach als Flottillenkommandant hin, der am Ende der Auflistung steht. Die Stelle, die den Höhepunkt und Abschluss seiner Laufbahn vor der Pensionierung und Rückkehr in seine Heimatprovinz Rätien nennt – seine vierte kaiserliche Statthalterschaft –, ist fast vollständig zerstört. Die dürfte er aber in der Provinz Noricum innegehabt haben, denn dort, im heutigen Österreich, fanden sich ebenfalls Denkmäler von Paternus.

Paternus ließ Gebäude errichten

Mit Hilfe dieses Textes konnten Epigrafiker dann die dritte und einst prunkvollste Inschrift des Paternus aus Abodiacum-Epfach (CIL 3, 5775) über weite Teile ergänzen. Es sind sechs Blöcke erhalten, die eine monumentale Inschrift ergeben: Sie nennt wiederum die Laufbahn des Paternus im Römischen Reich, die den Mann mit keltischen Wurzeln von der Rheinmündung bis nach Judäa im Osten des Mittelmeergebiets geführt hatte. Auch wenn von der Inschrift sicher Teile fehlen, so ist zumindest das Ende erhalten, das durch das abschließende »fecit« (er hat gemacht oder gebaut) gekennzeichnet ist. Unbekannt bleibt aber, an welchem Bauwerk die Inschrift prangte. Auf Grund der Reihung seiner Titel gehen Epigrafiker zumindest davon aus, dass Paternus der Bauherr gewesen war.

Bauinschrift | Die dunklen Blöcke sind Originale, die übrigen sind ergänzt. Die Inschrift misst heute 2,20 Meter in der Breite und 1,83 Meter in der Höhe. Einst war sie sicher größer und war an der Außenseite eines Gebäudes angebracht. Der vollständige Text dürfte Claudius Paternus Clementianus als Stifter des Baus in Abodiacum, dem heutigen Epfach, genannt haben.

Hatte sein Vater in der römischen Armee gedient, war für ihn selbst ebenfalls die militärische Laufbahn vorgezeichnet. Wann und wie lange er seine Posten ausübte, ist jedoch nicht überliefert. Diese Daten lassen sich aber im Vergleich mit seinen Amtsvorgängern und -nachfolgern einigermaßen rekonstruieren.

Die erste Station seiner »tres militia« führte ihn weit nach Norden, innerhalb der Provinz Germania inferior von der Rheinmündung bis fast an die Nordseeküste. Dort fungierte er als Vorsteher, als Präfekt, einer Hilfstruppeneinheit. Konkret war es die »Cohors I classica pia fidelis Domitiana«. »Classica« bezieht sich auf lateinisch »classis« – die Flotte. Paternus' Einheit war also auch zu Wasser unterwegs. Die Ehrenbezeichnung »treu und loyal« (pia fidelis) wurde der Truppe im Jahr 89 von Kaiser Domitian verliehen. Nach Ausweis eines mit dem Kürzel der Kohorte gestempelten Ziegels aus dem Kastell Op de Hoge Woerd war die Einheit zumindest zeitweise dort stationiert, wo heute die niederländische Provinz Utrecht liegt. In dieser Gegend sind schon häufiger römische Schiffwracks zu Tage getreten, allerdings keines, das in die Amtszeit des Paternus gehört, die wohl die Jahre von 101 bis 103 umfasste.

Von der Nordseeküste in die Karpaten

Danach befehligte Paternus als Militärtribun eine der sechs Untereinheiten der »Legio XI Claudia pia fidelis«. Während der durchschnittlich dreijährigen Dienstzeit als eine Art Stabsoffizier dürfte er vorwiegend mit lagerinternen Verwaltungsaufgaben betraut gewesen sein. Im Gefechtsfall, der wohl zu Paternus' Wirkungszeit zwischen 104 und 106 nicht eintrat, hätte er zwei Kohorten mit insgesamt etwa 1000 Mann in den Kampf geführt. Von Paternus sind nämlich keine besonderen militärischen Auszeichnungen bekannt, die er im Kriegsfall sicher verliehen bekommen hätte, obgleich die Römer zu jener Zeit Kriege führten, namentlich gegen die Daker im heutigen Rumänien. Die »Legio XI Claudia« war unter Kaiser Trajan um 100 von Vindonissa in der Schweiz nach Brigetio, heute Komárom in Ungarn, verlegt worden. Wahrscheinlich im Verlauf des so genannten zweiten Dakerkriegs in den Jahren 105 und 106 kam Paternus' Legion in die Colonia Ulpia Oescus im Norden Bulgariens, dem antiken Moesia inferior. Wahrscheinlich fiel auch diese erneute Truppenverschiebung in seine Dienstzeit, wie sich aus seiner nächsten Tätigkeit ableiten lässt.

Seine »tres militiae«, die später in die Statthalterschaften münden sollten, beendete er als Reiterpräfekt (»praefectus equitum«) der »Ala Siliana torquata civium Romanorum«. Als Anführer einer Reitereinheit stand Paternus in deutlich höherem Ansehen als der Präfekt einer Kohorte – mit diesem Amt hatte er seine Karriere begonnen. Wenn sich auch die einzelnen Standorte der Reitereinheit nicht lückenlos identifizieren lassen – das Standlager könnte in Südungarn gelegen haben –, war Paternus in der Provinz Pannonien, dem heutigen Westungarn, im Einsatz. Immerhin ermöglicht der Namenszusatz »torquata« eine zeitliche Eingrenzung seiner Tätigkeit, denn diesen Ehrentitel bekamen höchstwahrscheinlich nach den Dakerkriegen diejenigen Einheiten verliehen, die sich durch besondere Tapferkeit ausgezeichnet hatten. Später zeichnete derselbe Kaiser Trajan zwischen 114 und 116 die Reitereinheit nochmals aus, die sich fortan »bis torquata« nannte. Für Paternus bleibt diese Ehrung unerwähnt. Er muss vorher aus dem Militärdienst ausgeschieden sein. Reiterpräfekt war er dann aber wohl von 108 bis 110.

Damals hatte Paternus die Voraussetzungen geschaffen, um Prokurator, kaiserlicher Provinzverwalter, zu werden. Seine erste Station war: Judäa. Aus einem christlich geprägten Blickwinkel mag es erstaunen, dass Paternus hier seine Karriere als Prokurator begann, kam der Provinz doch durch den früheren Stelleninhaber Pontius Pilatus eine vermeintlich prominente Rolle zu. Zudem stellte jede Versetzung eine Beförderung, also einen sozialen Aufstieg dar. Doch die Statthalterschaft in dieser Gegend – einer Provinz zweiten Grades, die dem benachbarten Reichsteil Syrien unterstellt war – dürfte eher unbeliebt gewesen sein.

Als Pontius Pilatus nach Judäa kam

Pontius Pilatus hatte sein Amt in Judäa von 26 bis 36 inne. Er hat es als fünfter »Praefectus civitatis« angetreten. Das heißt, er kam als Verwalter oder Militäradministrator einer neu eroberten und deswegen am Rand des Römischen Reichs liegenden, aber noch nicht völlig befriedeten Region. Judäa sollte demnach erst noch zur römischen Provinz werden. Im Interesse der lokalen Eliten, allen voran des jüdischen Klerus, lag es nun, diesen Prozess zu unterbinden oder zumindest zu bremsen. So betrieb der Klerus eine Politik, welche die Römer nicht allzu sehr verärgern sollte. Vor allem Unruhen und Aufstände aller Art hätten die Großmacht sofort auf den Plan gerufen. Wohl deshalb schaltete der jüdische Hohepriester Kaiphas den römischen Präfekten Pontius Pilatus in das Geschehen ein, als ein vermeintlicher neuer »König der Juden« die Menschen begeisterte. Ein Mann, der die oberste Autorität der Römer hätte in Frage stellen können: Jesus von Nazareth.

Münze des Pontius Pilatus | Im Namen des Kaisers durfte Pontius Pilatus in Judäa Bronzemünzen prägen. Dieses Exemplar des Präfekten, von dem Vorder- und Rückseite abgebildet ist, stammt aus dem Jahr 31.

So kam es, dass im katholischen Glaubensbekenntnis noch heute Pontius Pilatus die einzige namentlich erwähnte Gestalt neben Maria und der Heiligen Dreifaltigkeit ist. Zwischenzeitlich stellten Gelehrte sogar die Historizität von Pontius Pilatus in Frage, bis in den Ruinen des antiken Caesarea maritima an der israelischen Mittelmeerküste eine Inschrift mit dem Namen des Statthalters zu Tage trat und seine Existenz belegte.

Die Verwaltungstätigkeit des Paternus, die von etwa 111 bis 114 reichte, fiel in eine vergleichsweise ruhige Phase zwischen den beiden großen jüdischen Aufständen: Von 66 bis 70 hatten sich die Juden erstmals gegen die Besatzer erhoben. Die Römer schlugen den Aufstand nieder, der damalige Feldherr und spätere Kaiser Titus ließ den Tempel von Jerusalem zerstören und plündern. Der zweite große jüdische Aufstand, den ein Mann namens Bar Kochba anführte, kam 136 zu einem blutigen Ende. Den Juden wurde anschließend bei Androhung der Todesstrafe untersagt, Jerusalem zu betreten. Die Provinz hieß fortan nicht mehr Judäa, sondern Syria Palästina.

Nach dem ersten Aufstand änderten die Römer die Zuständigkeiten. Der Statthalter von Judäa war nicht länger dem Amtsinhaber von Syrien unterstellt, sondern eigenständiger Vorsteher der Provinz Judäa. In dieser Funktion hatten die so genannten Legaten auch den Oberbefehl über die dort stationierten Truppen inne. Paternus konnte als einer der Letzten diese Machtfülle genießen, denn anschließend wurde die Befehlsgewalt wieder umverteilt.

Die römischen Verwalter und Statthalter Judäas durften im Namen des Kaisers auch eigene Kleinmünzen aus Bronze prägen. Aus der Zeit des Pontius Pilatus sind derartige Münzen überliefert, jedoch nicht aus der Amtszeit des Claudius Paternus Clementianus. Auch sonst ist Paternus' Verwaltungstätigkeit in Judäa nicht durch Inschriften vor Ort belegt.

Die letzten Stationen von Paternus' Karriere

Dasselbe gilt für seine anschließenden Statthalterschaften in den Provinzen Sardinia et Corsica – von 115 bis 119 – und Africa – von 119 bis 122. Mit Africa war die Provinz gemeint, die aus dem zerstörten Reich von Karthago hervorgegangen war. Heute liegen dort Ostalgerien, Tunesien und Westlibyen (Tripolitanien). Für die letzte Station in der Laufbahn des Paternus sieht die Quellenlage deutlich besser aus. Dass er in Noricum von etwa 122 bis 125 Prokurator war, ist auf seinem »Laufbahnstein« nicht mehr erhalten, aber dafür fanden sich in dieser Provinz Zeugnisse seines Wirkens.

Claudius Paternus Clementianus | Als er im Jahr 122 die Statthalterschaft in Noricum übernahm, ließ Paternus den Tempel der Göttin Noreia erneuern. In den Überresten des Heiligtums entdeckten Fachleute diese Porträtbüste eines älteren bärtigen Mannes. Stilistisch gehört sie in die Zeit des Paternus und dürfte den Prokurator auch darstellen.

Ähnlich wie Judäa war auch Noricum anfänglich ein Gebiet mit eingeschränkter Autonomie, das dem Römischen Reich tributpflichtig war – nur dass hier die Romanisierung wohl eher friedlich verlief und von der einheimischen Bevölkerung offenbar mitgetragen wurde. Kaiser Claudius erklärte Noricum zur römischen Provinz, deren Gebiete heute ungefähr den Südosten Bayerns (Chiemgau), Teile Tirols und vor allem die heutigen österreichischen Bundesländer Salzburg, Kärnten, Steiermark sowie Nieder- und Oberösterreich umfassten. Die Provinz unterstand Prokuratoren aus dem Ritterstand, wie es Paternus einer war.

Möglicherweise waren seine Abstammung aus der benachbarten Provinz Rätien und seine keltischen Wurzeln von Vorteil für seine Berufung zum norischen Statthalter. Denn viele der bislang etwa 30 namentlich bekannten Inhaber dieses Amts lassen sich Herkunftsregionen vor allem in Norditalien und den Alpenprovinzen zuordnen. Gute Beziehungen zur einheimischen Bevölkerung waren wohl hilfreich für diesen Posten.

Paternus sponsorte den Tempel für Noreia

Bereits Kaiser Claudius hatte Virunum im heutigen Kärnten zur Provinzhauptstadt und zum Sitz des Statthalters erhoben. Dort ließ Paternus während seiner Dienstzeit auch Bauten errichten. Zumindest kennt man eine fragmentarische Bauinschrift, die zum Tempel der keltisch-römischen Göttin Noreia gehörte. Nach Ausweis zahlreicher Statuen und Weihgaben dürfte sie die Hauptgottheit in der Region gewesen sein. Auf Paternus' Inschrift entzifferten und ergänzten Epigrafiker folgenden Text:

[Noreia Au]g(ustae) sacrum
Sabi[nius … b(ene)f(iciarius) ... Cl]audi(i) Paterni Clementiani proc(uratoris) Aug(usti)
a [solo restituit cel]lam columnas pavimenta porticum.

Demzufolge scheint ein »beneficiarius«, also ein mit polizeilichen Aufgaben betrauter und dem Statthalter Paternus unterstellter Würdenträger namens Sabi[nius], das Allerheiligste (cella), die Säulen (columnae), das Pflaster (pavimenta) und den Zugang (porticus) des Heiligtums mit Widmung an seinen Dienstherrn erneuert zu haben. Der ergänzte Name Sabinius kann als weitgehend gesichert gelten, da die Familie der Sabinii in Virunum mehrfach als Bürgermeister belegt sind.

Zudem fanden Archäologen im Noreia-Tempel eine lebensgroße Porträtbüste, die wohl niemand anderen als Paternus selbst darstellte. Stilistisch datieren Fachleute sie in die Zeit des Kaisers Hadrian, der von 117 bis 138 regierte. Das Bildnis zeigt einen älteren Mann mit faltigem Gesicht und Bart. Über die linke Schulter des nackten Oberkörpers ist ein Mantel drapiert, der von einer Scheibenfibel zusammengehalten wird. Das gut gearbeitete Porträt ist wahrscheinlich das Werk eines italischen Bildhauers.

Wie lange Paternus noch lebte, nachdem er für sein eindrucksvolles Altersporträt Modell gestanden hatte, lässt sich nicht bestimmen. Nach seinem Dienst in Noricum kehrte er jedenfalls als Veteran in seine rätische Heimat nach Abodiacum zurück, wo er wohl um das Jahr 130 starb. Jahrzehntelang war Paternus als Militär und Beamter im Römischen Reich unterwegs gewesen – der Mann mit keltischen Wurzeln, der wie Pontius Pilatus für den neuen Karrierestart ins unliebsame Judäa beordert wurde. Zumindest aus römischer Sicht war es wohl kein Posten in heiligem Land.

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