Astrophysik: Turbulenter Riesenstern
Rund 550 Lichtjahre von uns entfernt im Sternbild Skorpion befindet sich der Rote Überriese Antares. Einer Forschergruppe um Keiichi Ohnaka an der chilenischen Universidad Católica del Norte in Antofagasta und vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn gelang es nun erstmals, detaillierte Bilder des Riesensterns aufzunehmen. Sie zeigen die Bewegungen des heißen Gases auf der Oberfläche und in der Atmosphäre des Sterngiganten. Auf den Bildern lassen sich große Klumpen aufsteigenden und absinkenden Gases in der Sternatmosphäre ausmachen. Sie sind so ausgeprägt, dass sie vermutlich nicht nur auf klassische Konvektionsprozesse im Inneren des Sterns zurückgehen.
Die Forscher verwendeten das Very Large Telescope Interferometer (VLTI) der Europäischen Südsternwarte in Chile, um das Licht von drei 1,8-Meter-Teleskopen so zu kombinieren, dass die resultierende räumliche Auflösung derjenigen eines Riesenteleskops mit 82 Meter Spiegeldurchmesser entspricht. Antares erscheint uns am Himmel unter einem Winkel von 37,6 Millibogensekunden, das entspricht rund einem 50 000stel des Vollmonddurchmessers. Der Riesenstern misst rund eine Milliarde Kilometer – nähme er den Platz der Sonne ein, würde er noch deutlich über die Umlaufbahn des Planeten Mars hinausragen. Antares hat etwa die 15-fache Masse der Sonne und steht nach astronomischen Maßstäben kurz davor, in einer gewaltigen Supernova zu explodieren.
Bei ihren Untersuchungen spalteten die Astronomen die vom VLTI aufgefangene infrarote Strahlung so fein auf, dass sie einzelne Molekülbanden von Kohlenmonoxid (CO) im Licht von Antares untersuchen konnten. Dabei machten sie sich den Umstand zu Nutze, dass das Licht von unterschiedlichen Bereichen des Sterns durch den Dopplereffekt entweder geringfügig ins Rote oder ins Blaue verschoben ist. Aus diesen Daten fertigten sie ein so genanntes Dopplergramm des Riesensterns an, das erste von einem Stern jenseits der Sonne. Es gibt die Bewegungen in den heißen Gasen der Sternoberfläche und in der sich unmittelbar anschließenden Sternatmosphäre wieder.
Im Allgemeinen erscheint die Oberfläche von Antares eher homogen, allerdings zeigen sich zwei helle Flecken, welche die Forscher auf Regionen zurückführen, an denen heißes Gas aus dem Sterninneren aufsteigt. Die umgebende Sternatmosphäre, die sich bis zu 1,7 Sternradien um Antares erstreckt, ist dagegen sehr inhomogen und unregelmäßig geformt. Aus den Karten ergibt sich, dass hier größere Mengen von Gas mit Geschwindigkeiten von 20 Kilometern pro Sekunde aufsteigen oder zur Oberfläche des Riesensterns zurückfallen. Schon früher hatten spektrale Untersuchungen bei anderen Sterngiganten Hinweise auf solche Vorgänge geliefert, aber bei Antares ließen sie sich nun erstmals sichtbar machen.
Die beobachteten Bewegungsmuster ähneln jenen, die bei Konvektionsprozessen auftreten. Hier steigen in einem Schwerefeld heißere und damit gegenüber der Umgebung weniger dichte Gaspartien auf, während kühlere, also dichtere Bereiche absinken. Solche Vorgänge lassen sich auch im Alltag beobachten, beispielsweise beim Kochen. Bei Antares zeigt sich jedoch, dass Dichte und Ausdehnung der Atmosphäre viel größer sind, als es die Modelle für Konvektionsprozesse bei massereichen Sternen vorhersagen. Offenbar sorgen neben der Konvektion noch andere Vorgänge dafür, größere Mengen an Gas von der Oberfläche bis zur beobachteten Entfernung abzuheben. Möglicherweise könnten die enormen Mengen der von Antares abgegebenen Strahlung Druck auf die Moleküle in der Sternoberfläche ausüben und diese vom Stern wegdrücken. Zudem könnte sich Staub näher am Stern bilden als vermutet und dadurch stärker weggeblasen werden. Außerdem müssen wohl auch Einflüsse von Sternrotation und von Magnetfeldern in die theoretischen Modelle für eine exakte Beschreibung mit einfließen, so die Forscher.
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