Kosmologie: Der kosmische Jojo-Urknall
Auf den großen Knall, mit dem das Universum angefangen hat, folgte ein langes Grollen, das nach aktuellen Erkenntnissen immer komplizierter wurde. Schließlich stellte sich eine friedliche Stille ein, in welcher zaghafte Stimmchen fragen: "Ja, aber ...?"
Wo kommt das Universum her? Und warum sieht es so aus, wie es aussieht? So lauten nur zwei der wahrhaft großen Fragen, mit denen sich die moderne Physik momentan herumschlägt und seit Jahrzehnten für rauchende Wissenschaftlerköpfe sorgt.
Dabei schien alles bereits hervorragend gelöst. Edwin Hubble hatte experimentell festgestellt, dass weit entfernte Galaxien sich rasch von uns entfernen – je weiter, desto rascher. Aha, folgerte er, dann dehnt sich offenbar der Weltraum aus. Und wenn er sich ausdehnt und wir in Gedanken die Zeit rückwärts laufen lassen, dann muss vor Urzeiten alles auf einem unendlich kleinen Punkt konzentriert gewesen sein. So ähnlich wie bei einem Hefeteig in der Dose, der unglücklicherweise auf dem Rücksitz eines geparkten Autos in der prallen Sonne vor sich her brodelt. Hefeteig wie unendlich komprimierte Raumzeit werden zum gegebenen Zeitpunkt ihrem Expansionsdrang nachkommen und im Falle des Teiges eine Sauerei anrichten, im Falle der Raumzeit ein Universum aufspannen. Ersteres ist ärgerlich, letzteres erfreulich, denn dank dieses so genannten Urknalls haben wir Menschen mitsamt Physikern eine Wohnstatt erhalten.
Das Szenario ist bekannt und wegen seiner scheinbaren Anschaulichkeit auch unter astrophoben Mitbürgern berühmt. Dummerweise stolperten in der Folge immer mehr Fachleute über ungeklärte Eckchen der Theorie und widersprüchliche Beobachtungen. So stellte man fest, dass das Universum sich im krassen Gegensatz zu einem Hefeteig mit zunehmenden Alter nicht immer langsamer ausdehnte, sondern schneller. Und direkt nach dem Urknall musste es sogar kurzzeitig ganz besonders fix gewesen sein.
Außerdem hatte es beim Start eine gewisse Energiemenge mitbekommen, die sich bis heute als Vakuumenergie erhalten haben müsste. Anders als für Laien ist für Physiker ein Vakuum nämlich viel mehr als einfach Nichts. Es hat eine Energiedichte, die ständig gemäß Einsteins E=mc2 Teilchenpaare hervorbringt und wieder zerstoben lässt. Kurz: Es ist gewaltig viel los im Vakuum – dank Vakuumenergie. Deren Dichte müsste theoretisch bei rund 1093 Gramm pro Kubikzentimeter liegen, denn theoretisch ist sie konstant und darum theoretisch so groß wie beim Urknall. Nur praktisch liegt sie eben niedriger. Viel niedriger. Sehr, sehr viel niedriger. Sagen wir: um den Faktor 10120 niedriger. Schlappe 7x10-30 Gramm pro Kubikzentimeter sind zu beobachten. Offenbar liegt hier eine gewisse Diskrepanz zwischen Modell und widerspenstiger Wirklichkeit vor.
Was nicht weiter schlimm wäre. Wenn nicht die Dichte der Vakuumenergie äquivalent wäre zur kosmologischen Konstanten, die Einstein in seiner Allgemeinen Relativitätstheorie als abstoßende Komponente – quasi der Gegenspieler zur Gravitation – eingeführt hat. Eine Energiedichte, die der Theorie gehorcht, hätte eine entsprechend größere Abstoßung zur Folge, was wiederum dem Urknall extra Schub verliehen hätte, und mit einem infinitesimal kurzem Wumm! wäre das Universum so groß und dünn geworden, dass niemand diesen Text schreiben oder lesen würde.
Womit wir bei der bescheidenen, aber ungeheuer schwierigen Frage wären, warum wir Texte schreiben und lesen können. Oder anders formuliert: Weshalb sind die tatsächlichen Umstände im Universum so, dass es Leben, und speziell uns, überhaupt gibt?
Die Antwort der Wissenschaft lautet: Keine Ahnung! Alles, was sie vorzuweisen hat, sind Spekulationen. So gibt es etwa den Gedanken, dass nicht ein Universum existiert, sondern unzählig viele Universen, und in den meisten die Dinge nicht zum Leben passen. Oder es befindet sich doch alles in einem Universum, aber das hat verschiedene blasenförmige Experimentierbereiche mit unterschiedlichen Einstellungen. Wir sitzen deshalb in einer zufällig priviligierten Ecke, die Leben zulässt oder zwingend erschafft. Dieses anthropische Prinzip läuft somit hinaus auf: Wir sind da, weil wir da sind und deshalb so dumme Fragen stellen können.
Eine Begründung, die nicht jeden Forscher so ganz zu befriedigen vermag. Unter anderem sehnen sich Paul Steinhardt von der Universität Princeton in den USA und Neil Turok von der Universität Cambridge in Großbritannien nach einer alternativen Erklärung. Sie glauben, das Problem mit der viel zu geringen Energiedichte des Vakuums sei im Grunde nur eine Frage des Alters. Nehmen wir einmal an, das Universum sei ein System, das fleißig ständig wiedergeboren wird, so könnte es nicht auf laue 13,8 Milliarden Jahre zurückblicken, wie die Wissenschaft momentan vermutet. Vielmehr könnte sich sein Gesamtalter auf Billionen, Billiarden, Trillionen ... Fantastillionen Jahre belaufen. Unter solchen Umständen reicht eine äußerst langsam abnehmende Energiedichte, um vom theoretischen Startwert auf den praktischen aktuellen Stand zu gelangen.
Wie in der Wissenschaft üblich, musste diese Idee natürlich mathematisch analysiert und durchgerechnet werden. Dabei ergab sich, dass so ein zyklisches Universum, das sich in unzähligen Urknällen ausbreitet, irgendwann wieder zusammenzieht und abermals ausdehnt, durchaus möglich wäre. Erfreulicherweise nimmt die kosmologische Konstante über die längste Zeit in jedem Fleckchen Universum Werte an, die durchaus lebensfreundlich sind. Aus dem anthropischen "Ist-nunmal-zufällig-so" wird damit ein "Passiert-halt-überall".
Seltsamerweise jubelt die Fachwelt im Anblick des zyklischen Ablaufs nicht vor Begeisterung. Einerseits gab es die Idee mit dem oszillierenden Kosmos in ähnlicher Form bereits und konnte sich nie so ganz durchsetzen. Andererseits erklärt sie eben auch nicht alle Merkwürdigkeiten des Weltraums. Beispielsweise das Verhältnis zwischen Materiedichte und Energiedichte, das ebenfalls empfindlichen Einfluss auf die Lebensfreundlichkeit hat. Wir wissen folglich weiterhin nicht so recht Bescheid über das Leben, das Universum und den ganzen Rest. Aber vielleicht liefern uns die vielen interessanten Einfälle eines Tages die korrekte Antwort.
Dabei schien alles bereits hervorragend gelöst. Edwin Hubble hatte experimentell festgestellt, dass weit entfernte Galaxien sich rasch von uns entfernen – je weiter, desto rascher. Aha, folgerte er, dann dehnt sich offenbar der Weltraum aus. Und wenn er sich ausdehnt und wir in Gedanken die Zeit rückwärts laufen lassen, dann muss vor Urzeiten alles auf einem unendlich kleinen Punkt konzentriert gewesen sein. So ähnlich wie bei einem Hefeteig in der Dose, der unglücklicherweise auf dem Rücksitz eines geparkten Autos in der prallen Sonne vor sich her brodelt. Hefeteig wie unendlich komprimierte Raumzeit werden zum gegebenen Zeitpunkt ihrem Expansionsdrang nachkommen und im Falle des Teiges eine Sauerei anrichten, im Falle der Raumzeit ein Universum aufspannen. Ersteres ist ärgerlich, letzteres erfreulich, denn dank dieses so genannten Urknalls haben wir Menschen mitsamt Physikern eine Wohnstatt erhalten.
Das Szenario ist bekannt und wegen seiner scheinbaren Anschaulichkeit auch unter astrophoben Mitbürgern berühmt. Dummerweise stolperten in der Folge immer mehr Fachleute über ungeklärte Eckchen der Theorie und widersprüchliche Beobachtungen. So stellte man fest, dass das Universum sich im krassen Gegensatz zu einem Hefeteig mit zunehmenden Alter nicht immer langsamer ausdehnte, sondern schneller. Und direkt nach dem Urknall musste es sogar kurzzeitig ganz besonders fix gewesen sein.
Außerdem hatte es beim Start eine gewisse Energiemenge mitbekommen, die sich bis heute als Vakuumenergie erhalten haben müsste. Anders als für Laien ist für Physiker ein Vakuum nämlich viel mehr als einfach Nichts. Es hat eine Energiedichte, die ständig gemäß Einsteins E=mc2 Teilchenpaare hervorbringt und wieder zerstoben lässt. Kurz: Es ist gewaltig viel los im Vakuum – dank Vakuumenergie. Deren Dichte müsste theoretisch bei rund 1093 Gramm pro Kubikzentimeter liegen, denn theoretisch ist sie konstant und darum theoretisch so groß wie beim Urknall. Nur praktisch liegt sie eben niedriger. Viel niedriger. Sehr, sehr viel niedriger. Sagen wir: um den Faktor 10120 niedriger. Schlappe 7x10-30 Gramm pro Kubikzentimeter sind zu beobachten. Offenbar liegt hier eine gewisse Diskrepanz zwischen Modell und widerspenstiger Wirklichkeit vor.
Was nicht weiter schlimm wäre. Wenn nicht die Dichte der Vakuumenergie äquivalent wäre zur kosmologischen Konstanten, die Einstein in seiner Allgemeinen Relativitätstheorie als abstoßende Komponente – quasi der Gegenspieler zur Gravitation – eingeführt hat. Eine Energiedichte, die der Theorie gehorcht, hätte eine entsprechend größere Abstoßung zur Folge, was wiederum dem Urknall extra Schub verliehen hätte, und mit einem infinitesimal kurzem Wumm! wäre das Universum so groß und dünn geworden, dass niemand diesen Text schreiben oder lesen würde.
Womit wir bei der bescheidenen, aber ungeheuer schwierigen Frage wären, warum wir Texte schreiben und lesen können. Oder anders formuliert: Weshalb sind die tatsächlichen Umstände im Universum so, dass es Leben, und speziell uns, überhaupt gibt?
Die Antwort der Wissenschaft lautet: Keine Ahnung! Alles, was sie vorzuweisen hat, sind Spekulationen. So gibt es etwa den Gedanken, dass nicht ein Universum existiert, sondern unzählig viele Universen, und in den meisten die Dinge nicht zum Leben passen. Oder es befindet sich doch alles in einem Universum, aber das hat verschiedene blasenförmige Experimentierbereiche mit unterschiedlichen Einstellungen. Wir sitzen deshalb in einer zufällig priviligierten Ecke, die Leben zulässt oder zwingend erschafft. Dieses anthropische Prinzip läuft somit hinaus auf: Wir sind da, weil wir da sind und deshalb so dumme Fragen stellen können.
Eine Begründung, die nicht jeden Forscher so ganz zu befriedigen vermag. Unter anderem sehnen sich Paul Steinhardt von der Universität Princeton in den USA und Neil Turok von der Universität Cambridge in Großbritannien nach einer alternativen Erklärung. Sie glauben, das Problem mit der viel zu geringen Energiedichte des Vakuums sei im Grunde nur eine Frage des Alters. Nehmen wir einmal an, das Universum sei ein System, das fleißig ständig wiedergeboren wird, so könnte es nicht auf laue 13,8 Milliarden Jahre zurückblicken, wie die Wissenschaft momentan vermutet. Vielmehr könnte sich sein Gesamtalter auf Billionen, Billiarden, Trillionen ... Fantastillionen Jahre belaufen. Unter solchen Umständen reicht eine äußerst langsam abnehmende Energiedichte, um vom theoretischen Startwert auf den praktischen aktuellen Stand zu gelangen.
Wie in der Wissenschaft üblich, musste diese Idee natürlich mathematisch analysiert und durchgerechnet werden. Dabei ergab sich, dass so ein zyklisches Universum, das sich in unzähligen Urknällen ausbreitet, irgendwann wieder zusammenzieht und abermals ausdehnt, durchaus möglich wäre. Erfreulicherweise nimmt die kosmologische Konstante über die längste Zeit in jedem Fleckchen Universum Werte an, die durchaus lebensfreundlich sind. Aus dem anthropischen "Ist-nunmal-zufällig-so" wird damit ein "Passiert-halt-überall".
Seltsamerweise jubelt die Fachwelt im Anblick des zyklischen Ablaufs nicht vor Begeisterung. Einerseits gab es die Idee mit dem oszillierenden Kosmos in ähnlicher Form bereits und konnte sich nie so ganz durchsetzen. Andererseits erklärt sie eben auch nicht alle Merkwürdigkeiten des Weltraums. Beispielsweise das Verhältnis zwischen Materiedichte und Energiedichte, das ebenfalls empfindlichen Einfluss auf die Lebensfreundlichkeit hat. Wir wissen folglich weiterhin nicht so recht Bescheid über das Leben, das Universum und den ganzen Rest. Aber vielleicht liefern uns die vielen interessanten Einfälle eines Tages die korrekte Antwort.
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