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News: Der lange Weg zum modernen Menschen

Lange Zeit glaubte man, eine plötzliche Trockenzeit auf dem afrikanischen Kontinent hätte eine Periode schneller evolutionärer Wechsel hervorgerufen, die letztendlich zum Auftauchen des heutigen Menschen führte. In einem Artikel in Science vom 27. November 1997 wurde jetzt eine konträre Meinung vertreten. Aufgrund einer neuen Analyse von ostafrikanischen Säugetierfossilien sind amerikanische Wissenschaftler der Meinung, der moderne Mensch habe sich nach dem Klimaumschwung vor mehreren Millionen Jahren erst langsam über die Zeit entwickelt. Die angenommene Periode einer sehr schnellen Evolution sei kaum mehr als ein wissenschaftlicher Artefakt.
Eine Abschätzung von Evolutionsgeschwindigkeiten ist schwierig. Vergangene Umweltverhältnisse sind sehr verschiedenartig und in einigen Umgebungen sind mehr Knochen erhalten worden, als in anderen. Eine Schicht mit besonders vielen Fossilien könnte deshalb die Abschätzung der Anzahl neuer Spezies, die zu jener Zeit auftauchten, stark verfälschen. Anna Behrensmeyer und ihre Kollegen vom National Museum of Natural History in Washington vermuten, daß diese Verzerrung daran schuld sein könnte, daß der sogenannte „turnover pulse” zeitlich falsch angesetzt wurde. Viele Paläontologen glauben, daß er vor 2,8 bis 2,5 Millionen Jahren stattgefunden haben könnte. Herkömmliche Analysen der Fossilienfunde deuten darauf hin, daß sich zu der Zeit, als das Klima in Afrika trockener und kühler wurde, der Australopithecus zum Homo entwickelte.

Um diese These zu überprüfen, sammelten die Wissenschaftler in einer Datenbank alle veröffentlichten Funde von Säugetierfossilien, die im Bereich des Lake Turkana in Äthiopien und Kenia von vor 4,4 Millionen Jahren bis heute gemacht wurden. Dann schätzten sie die Anzahl der Spezies ab, die in jeder geologischen Periode neu auftauchten oder ausstarben. Als diese Zahlen mit der Menge von Fossilien in jeder Periode verglichen wurden, entdeckten die Forscher, daß viele der scheinbar raschen evolutionären Veränderungen – einschließlich des Höhepunktes vor 2,8 Millionen bis 2,5 Millionen Jahren – sich mit Perioden decken, in denen viele Fossilien gefunden wurden.

Dies bedeutet, sagt Behrensmeyer, daß Säugetiere – einschließlich der Hominiden – sich der Klimaveränderung viel langsamer anpaßten als bisher angenommen. „Wenn wir annehmen, daß es einen Takt der Klimatrommel gibt, und auf einen Schlag hin, vollzog sich die menschliche Entwicklung”, sagt sie, ” dann [hat Lake Turkana nicht] auf diese Trommel gehört.”

Es gibt aber auch kritische Stimmen. Eine von ihnen gehört Yves Coppens, Paläoanthropologe am Collège de France in Paris, der lange Jahre mit den Fossilienfunden am Lake Turkana arbeitete. Er glaubt, daß es noch zu früh ist, um die These vom „turnover pulse” fallen zu lassen.

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