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Olfaktorisches System: Der Geruchssinn reagiert schneller als gedacht

Menschen können zwei Gerüche unterscheiden, die weniger als eine Zehntelsekunde auseinanderliegen. Das ist überraschend, da ein Atemzug etwa zwei bis drei Sekunden dauert.
Eine Frau riecht mit geschlossenen Augen an einer Dahlie, im Hintergrund blauer Himmel.
Bei Menschen scheint der Geruchssinn oft eine geringere Rolle zu spielen als das Sehen, Hören oder Tasten. Seine Leistungen fallen aber dann auf, wenn die olfaktorische Wahrnehmung verloren geht.

Menschen sind in der Lage zwischen zwei verschiedenen Gerüchen zu unterscheiden, die weniger als einer Zehntelsekunde auseinanderliegen. Das berichtet ein Forschungsteam um Yuli Wu von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften im Fachmagazin »Nature Human Behaviour«. Das ist viel kürzer als die zwei bis drei Sekunden, die ein typischer Atemzug dauert.

Um zu verstehen, wie schnell Menschen Gerüche verarbeiten können, entwickelte das Team einen Apparat, der zwei unterschiedliche Geruchssequenzen, zum Beispiel den einer Zitrone und einer Zwiebel, in kurzem zeitlichem Abstand über ein Schlauchsystem in einen Nasenaufsatz schickt. Dann baten sie mehr als 200 Personen, sich das Gerät aufzusetzen und zu berichten, was sie riechen.

Die Teilnehmer konnten klar zwischen den beiden freigesetzten Düften unterscheiden, wenn diese mindestens 60 Millisekunden auseinanderlagen. Bislang ging man davon aus, dass die menschliche Nase nur ein recht grobes zeitliches Auflösungsvermögen hat und eher Langzeitaufnahmen der chemischen Umgebung macht. Die Ergebnisse des Experiments der chinesischen Wissenschaftler deuten jedoch darauf hin, dass Menschen Gerüche fast genauso schnell wahrnehmen können wie Farben – der zeitliche Abstand beträgt dabei etwa zehn Millisekunden – und ist damit viel kleiner als erwartet.

Unklar ist noch, wie das olfaktorische System Geruchseindrücke genau aufnimmt und weiterleitet. Untersuchungen mit Nagetieren haben gezeigt, dass es eine Art rhythmische Geruchsabtastung gibt. Die neuronalen Reaktionen der Mitral- und Büschelzellen im Riechkolben erfolgen offenbar nicht in einem einzigen sofortigen Ausbruch, sondern schubweise über die Dauer des Schnüffelzyklus. Die nachgeschalteten Geruchsregionen erhalten also Informationen auf Zeitskalen unterhalb eines Atemzugs.

Die im Experiment verwendeten Düfte seien stets sehr klar voneinander unterscheidbar gewesen, schreiben die Autoren. Es könne daher sein, dass das Ergebnis weniger eindeutig oder der zeitliche Abstand größer wird, wenn Probanden sehr ähnliche Gerüche erkennen sollen.

  • Quellen
Nature 10.1038/s41562–024–01984–8, 2024

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