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Einsteins Wegbegleiter: Der Mentor

Zwei Menschen konnten kaum gegensätzlicher sein als Albert Einstein und Max Planck. Dennoch verband sie lebenslanger tiefer Respekt. Beide begründeten jeweils eine neuartige Physik. Die Vereinigung der Allgemeinen Relativitätstheorie mit der Quantenphysik steht aber bis heute aus.
Max Planck
Kaum einer hatte mehr Einfluss auf die Physik in Deutschland als Max Planck. Noch heute zeugt die nach ihm benannte Max-Planck-Gesellschaft von seinem Ruhm, die zusammen mit ihrer Vorgängerorganisation immerhin dreißig Nobelpreisträger hervorbrachte. Dabei fing die Karriere des am 23. April 1858 in Kiel geborenen Sohnes einer traditionsreichen Gelehrtenfamilie eher bescheiden an: Der Münchner Professor Philipp von Jolly riet dem angehenden Hochschüler entschieden vom Studium der Physik ab. Seine Begründung: Es sei schon fast alles erforscht und es gelte, ausschließlich einige kleine Lücken zu schließen. Planck soll daraufhin erwidert haben, er hege nicht den Wunsch, Neues zu entdecken, sondern wolle lediglich die bestehenden physikalischen Fundamente verstehen und sie vielleicht ein wenig vertiefen. Etwas über zwanzig Jahre später, im Jahr 1900, als er bereits ein hoch angesehener Gelehrter war, begründete Planck mit seiner Quantenhypothese die heutige, moderne Physik.

Noch bevor Einstein seine Karriere begann, war Planck bereits ein respektiertes Mitglied der Forschergemeinde. Zugleich war er der für theoretische Arbeiten zuständige Mitherausgeber der Annalen der Physik. Als solcher wurde er schnell auf den jungen Querdenker aus dem Berner Patentamt aufmerksam. Ohne zu zögern, ließ er beispielsweise Einsteins "heuristischen Gesichtspunkt" der Lichtquanten drucken, obwohl die Arbeit dieses bislang relativ unbekannten Schweizer Autors seinen eigenen Auffassungen eigentlich zuwiderlief. Zurecht kann man daher guten Gewissens behaupten, Planck sei der Entdecker des jungen Einsteins gewesen.

Bereits zu Lebzeiten ein Denkmal

Doch wesensverschiedenere Menschen als diese beiden Koryphäen konnte es kaum geben. War Einstein der erste und wohl bis heute wohl bekannteste Physiker, den man als Medienstar bezeichnen könnte, galt Planck bereits zu Lebzeiten als unnahbares Denkmal. Fühlte sich Einstein als Weltenbürger, war Planck stets der kaisertreue Staatsdiener, dessen Vater wesentlich am Bürgerlichen Gesetzbuch mitgewirkt hatte.

Planck im Kreise seiner Kollegen | Max Planck im Kreise seiner Kollegen um 1928. Von links nach rechts: Walther Nernst, Albert Einstein, Max Planck, Robert Andrews Millikan und Max von Laue
Doch was die beiden außergewöhnlichen Wissenschaftler verband, war ihr physikalisches Verständnis. Daher überredete Planck zusammen mit Walther Nernst den jungen Einstein, 1914 nach Berlin überzusiedeln, um dort an der Akademie der Wissenschaften eine gut dotierte Stelle anzunehmen. Für Einstein begann damit die wohl stürmischste Phase seines Lebens und Schaffens, stets begleitet von seinem Förderer Planck.

Beide gingen in den Wohnungen des jeweils anderen ein und aus, sie diskutierten und musizierten. Galt Planck doch ebenso wie Einstein als musikalisch hoch begabt: Er spielte Klavier, Orgel und Cello, komponierte Lieder und sogar eine Operette. Zudem ließ er sich in Gesang unterrichten. Bei den Einsteins ging es meist lustig zu, besonders wenn sein Kollege Max von Laue da war, alberte Albert. Doch wenn Planck kam, wurde es nahezu förmlich im Hause von Einstein und Elsa Löwenthal.

Ein Quantum zeigt Wirkung

Plancks berufliches Steckenpferd war die Thermodynamik. Einer seiner Hörer an der Berliner Universität, der Engländer James Partington, beschrieb Plancks Vorlesungsstil folgendermaßen: "Er stockt niemals, macht keine Fehler und benutzt dennoch keine Notizen." In Berlin trat Planck früh – und als erster reiner Theoretiker – der Berliner Physikalischen Gesellschaft bei, die später auf seine Initiative hin in die Deutsche Physikalische Gesellschaft aufging.

Seine Meisterleistung, mit der sich Planck einen Sitz im Olymp der Physiker sicherte, war die Herleitung eines Strahlungsgesetzes für schwarze Körper. Das sind näherungsweise Objekte wie die Sonne oder simpler: wie eine glühende Herdplatte. Es gab bereits zwei Formeln, die diese Vorgänge zu beschreiben versuchten. Doch versagte die eine bei kleinen Wellenlängen, die andere dagegen bei großen. Planck löste das Puzzle. Doch musste er dazu annehmen, dass ein idealer Strahler Energie nicht kontinuierlich abgeben oder aufnehmen kann, sondern nur in kleinen Happen, in so genannten Quanten. Dies berücksichtigte er, indem er eine Konstante einführte, die er mit h bezeichnete. Sie gilt heute als eine der wichtigsten Naturkonstanten der modernen Physik und trägt zu seinen Ehren den Namen Planck'sches Wirkungsquantum. Es war die Geburtsstunde der Quantenphysik.

Allerdings war Planck sich der Konsequenz seiner Entdeckung zunächst nicht bewusst. Es passte einfach nicht zu seiner Vorstellung von der physikalischen Welt, dass die Natur Sprünge machen sollte. Seine Formel zur Berechnung der Strahlung sowie das Einführen der Konstante bezeichnete er daher als Akt der Verzweiflung, als mathematischer Kniff, um das gewünschte Resultat zu erhalten, ohne ihm jedoch physikalische Realität beizumessen. Jahrelang versuchte er vergeblich die Eingliederung des Wirkungsquantums in die klassische Physik.

Einstein nimmt Planck ernst

Anders Einstein. Er begründete mit Plancks Energiequanten seine Lichtquanten-Hypothese aus dem Jahre 1905. Dafür erhielt er 1921 – unter anderem auf Vorschlag von Max Planck – den Nobelpreis für Physik. Planck revanchierte sich für diese geniale Deutung bei Einstein, indem er im September des Jahres 1906 auf einer Naturwissenschaftlichen Jahrestagung den Begriff "Relativitätstheorie" für die bis dato namenlosen Arbeiten Einsteins zur neuen Betrachtung von Raum und Zeit prägte.

Preußische Akademie der Wissenschaften | Max Planck (1. Reihe, 6. von links) und Albert Einstein (1. Reihe, 2. von links) in der Preußischen Akademie der Wissenschaften um 1930
Gegenseitig überschütteten sich Planck und Einstein mit Lob und Respekt. Planck verglich die Bedeutung von Einsteins Arbeiten schon früh mit denen von Kopernikus. Darüber hinaus erhielt Einstein im Juni 1929 von der damals noch Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft genannten Forschungsgemeinschaft (heute Max-Planck-Gesellschaft) als zweiter Mensch überhaupt die Max-Planck-Medaille. Die erste ging unmittelbar zuvor an Planck selbst.

Durchhalten und Weiterarbeiten

Doch trübte der aufkommende Nationalsozialismus das Verhältnis zwischen den beiden großen Denkern. Als 1933 in Deutschland die NSDAP an die Macht kam, war Planck bereits 74 Jahre alt, mittlerweile aber zur obersten Autorität der deutschen Physiker aufgestiegen. Er enthielt sich zwar jedes übersteigerten Nationalsozialismus. Doch tat er sich gleichfalls nicht als Kritiker des Regimes hervor. Seine Devise lautete: "Durchhalten und Weiterarbeiten". Und so gut es ging versuchte er, die Politik aus "seiner" Akademie herauszuhalten, was angesichts der antisemitischen Bestrebungen des Nazi-Regimes ein hoffnungsloses Unterfangen war. Er musste zusehen, wie seine jüdischen Freunde und Kollegen gedemütigt und aus ihren Ämtern gedrängt wurden, woraufhin viele Deutschland den Rücken kehrten.

Auch der mittlerweile international hoch angesehene Einstein konnte sich dem nicht entziehen: 1933 emigrierte er in die Vereinigten Staaten. Planck war darüber sehr betrübt. Gleichzeitig befand er sich in einem argen Gewissenskonflikt. Auf der einen Seite stand Planck loyal zum Staat, auf der anderen Seite bewunderte er Einstein und seine wissenschaftlichen Leistungen. Seine Zerrissenheit wird in einer Rede deutlich, die er nach Einsteins Emigration vor der Preußischen Akademie der Wissenschaften hielt. Dort verkündete er, dass "Herr Einstein selber durch sein politisches Verhalten sein Verbleiben in der Akademie unmöglich gemacht" habe. Trotzig rief er aber den Nazis zu: "Herr Einstein ist der Physiker, durch dessen in unserer Akademie veröffentlichte Arbeiten die physikalische Erkenntnis in unserem Jahrhundert eine Vertiefung erfahren hat, deren Bedeutung nur an den Leistungen Johannes Keplers und Isaac Newtons gemessen werden kann." Ende 1938, als die Akademie schließlich von den Nazis gleichgeschaltet wurde, trat Planck aus Protest zurück.

Nach den Kriegswirren wurde die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft wieder aufgebaut und der nunmehr fast 90-jährige Planck übernahm formal deren Vorsitz. Doch bestanden die Besatzungsmächte darauf, die Forschungsgemeinschaft, der Einstein so viele Jahre vorstand, umzubenennen: Im Februar 1948, wenige Monate nach Plancks Ableben am 4. Oktober 1947 in Göttingen, entstand daraus die Max-Planck-Gesellschaft.

Damit hat Planck Einstein zumindest in einigen Punkten etwas voraus: Es gibt weder eine Albert-Einstein-Forschungsgesellschaft noch eine Albert-Einstein-Medaille oder eine Einstein-Konstante.

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