News: Der restliche Strom kommt wieder zurück ins Netz
Richtig los ging's aber erst, als die Häuser immer mehr in den Himmel wuchsen. Und noch zwei andere Dinge waren nötig, damit der Aufzug zu dem wurde, was er heute ist – das Drahtseil, erfunden 1834 in Clausthal, und die Fangvorrichtung aus dem Jahr 1853. Die ist besonders wichtig, macht sie den Aufzug doch, gemeinsam mit der Wuppertaler Schwebebahn und dem Riesenrad in Wien, zum sichersten Fortbewegungsmittel überhaupt. Egal, ob die Steuerung nicht mehr funktioniert, der Aufzug zu schnell wird oder sogar das Seil reißt – sofort packen Zangen auf der Führungsschiene zu und stoppen die Fahrt in den Abgrund.
Freilich, daß der Aufzug stecken bleibt, kommt häufiger mal vor – meist, weil mehr Personen eingestiegen sind, als zulässig. So viele Leute auf engsten Raum, die sich womöglich nicht ausstehen können, das ist der klassische Plot für spannende Filme, etwa "Abwärts" mit Götz George. In "Fahrstuhl zum Schafott" dagegen bleibt ein Mann nach dem perfekten Mord im Aufzug hängen und kann deshalb ein wichtiges Beweisstück nicht beseitigen. Gefahr droht in solchen Fällen aber allenfalls von den Menschen, nicht von der Technik.
Wie viele Aufzüge es auf der Welt gibt, weiß übrigens keiner so recht. Nur soviel ist gewiß: Täglich werden weit über eine Milliarde Menschen in Aufzügen transportiert. Überraschend auch dies: Im kleinen Italien sind mehr Aufzüge installiert als in den großen USA.
Allerdings verbraucht ein Aufzug recht viel Strom – wieviel genau, hängt davon ab, wie groß und wie schnell er ist und vor allem, wie oft er benutzt wird. Mit acht Kilowatt hängt zum Beispiel ein normaler sechs-Personen-Aufzug, der mit dem üblichen einen Meter pro Sekunde auf- und absteigt, an der Leitung. Die sind auch nötig, weil ein Aufzug sehr häufig beschleunigen und bremsen muß. Die beim Bremsen erzeugte elektrische Energie geht dabei als Wärme verloren.
Jetzt haben Prof. Dr. Wilfried Hofmann und Dipl.-Ing. Marcus Ziegler von der Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik der Universität Chemnitz einen neuartigen Umrichter entwickelt, der diese Bremsenergie ins Netz zurückspeisen kann. Die Chemnitzer Forscher arbeiten dabei mit deutschen und schweizerischen Partnern zusammen, darunter die renommierte Eidgenössische Technische Hochschule (ETH) in Zürich, die Firma Schindler, zweitgrößter Aufzugbauer der Welt, und die Firma Integral Drive Systems (IDS), die unter anderem Kräne und Windkraftanlagen herstellt. Eine Rückführung der Bremsenergie sehen übrigens auch neue Richtlinien der Europäischen Union (EU) vor, die für die nahe Zukunft geplant sind. Deshalb hat die EU der Entwicklung den Status eines EUREKA-Projekts verliehen.
Umrichter sind Geräte, die Wechselstrom mit einer bestimmten Spannung, Frequenz und Phasenzahl in Wechselstrom mit anderen Eigenschaften umwandeln können. Mit ihnen lassen sich besonders schnell drehende Motoren steuern, etwa bei Zentrifugen oder Textilmaschinen, aber auch besonders langsame, wie bei Zementmühlen und Aufzügen. Mehr als ein Fünftel der elektrischen Energie in Deutschland durchläuft solche Umrichter, bevor sie verbraucht wird. Der Strom wird dabei von Leistungshalbleitern umgeformt, das sind Silicium-Bausteine, die ähnlich wie ein Ventil funktionieren – sie lassen den Strom entweder durch oder sie blockieren ihn.
Diese Schaltung haben die Chemnitzer Wissenschaftler nun entscheidend verbessert. Ihr "Matrix-Umrichter" – er heißt so, weil bei ihm alle Eingangsphasen mit allen Ausgangsphasen verbunden sind – benutzt zur Umformung des Stroms eine besondere Art von Transistoren, die sich mit wenig Leistung ein- und ausschalten lassen. Solche sogenannten IGBTs (Insulated Gate Bipolar Transistor, etwa: isolierte zweipolige Feldeffekt-Transistoren) sind seit Anfang der neunziger Jahre auf dem Markt. Richtig miteinander verdrahtet, können sie den Strom sowohl hin- als auch zurückspeisen, er kann also in beide Richtungen fließen. Der Matrix-Umrichter kommt deshalb mit weniger Bauteilen aus als herkömmliche Umrichter, bei denen Hin- und Rückspeisung voneinander getrennt sind. Er ist daher wesentlich einfacher aufgebaut. Dennoch ist es schwierig, einen Matrix-Umrichter mit IGBTs zu verwirklichen, weil das Hin- und Herschalten des Stroms (Fachwort: Kommutierung) erhebliche Probleme bereitet. Es darf nämlich weder zu einem Kurzschluß kommen, noch darf der Strom unterbrochen werden. Um zu verhindern, daß die Ströme sich gegenseitig beeinflussen, waren daher bisher teure, besonders aufwendig ausgelegte Netzfilter nötig.
Diese Nachteile vermeidet ein neuartiges Umschaltverfahren, das die Forscher ebenfalls entwickelt und auf den Namen METZI getauft haben. METZI sorgt dafür, daß zu jedem Zeitpunkt – auch während des Umschaltvorgangs selbst – ein Pfad für den Strom bereitsteht. Dabei nutzt das Verfahren aus, daß die einzelnen Ströme gegeneinander phasenverschoben sind. Deshalb werden nicht zu jedem Zeitpunkt alle IGBTs benötigt, so daß der Strom auf die nicht benötigten umgeleitet werden kann. Oder, einfacher ausgedrückt: Das Verfahren verhindert, daß der Strom kurzzeitig unterbrochen wird (was die Transistoren zerstören würde). Dadurch ist es möglich, sehr schnell hin und her zu schalten. Die Chemnitzer Entwicklung kommt daher mit sehr kleinen Netzfiltern aus, und auch die sonst beim Schalten auftretenden Verluste werden klein gehalten.
Angewendet werden soll der neue Umrichter zunächst in Aufzügen von Schindler und Kränen von IDS. Dort findet man auch bisher schon Umrichter, die aber nur in eine Richtung arbeiten. Der Matrix-Umrichter hingegen arbeitet in beide Richtungen und kann daher die Bremsenergie wieder ins Netz einspeisen. Zudem ist er nur halb so groß und auch nur halb so teuer wie bisherige Umrichter. Der Umrichter soll Teil einer völlig neuen Aufzugssteuerung werden, in der die Stromversorgung, aber auch alle nötigen Sensoren für die Stromstärke, die Spannung und die Temperatur sowie alle Sicherheitsfunktionen integriert werden.
Allein die am Projekt beteiligten Firmen Schindler und IDS installieren jedes Jahr etwa 13 500 Aufzüge und Kräne neu oder bauen sie um. Dort hat man errechnet, daß schon dadurch pro Jahr über 85 Millionen Kilowattstunden Strom im Wert von etwa 20 Millionen Mark eingespart werden können. Da aber auch Rohstoffe und Energie für die Produktion der Umrichter eingespart werden, liegt der Effekt noch weit darüber.
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