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News: Der Ruf der Natur

Nicht alle Vögel ziert ein auffällig buntes Federkleid. Die meisten gefiederten Zeitgenossen leben unscheinbar im Verborgenen und bestechen insbesondere durch ihre wundervollen Gesänge. Mit ihren charakteristischen, eigentümlichen Klängen locken die begnadeten Sänger einen Partner an, markieren ihr Revier oder geben sich ihrem Nachwuchs zu erkennen. Forscher brachten nun das angeborene Verhalten der Küken, ihre Mutter anhand von Lautäußerungen zu identifizieren, gehörig durcheinander: Junge Hühnchen, denen Gehirnzellen von Wachteln eingepflanzt wurden, folgten oftmals nicht der Glucke, sondern Mutter Wachtel.
Stolz und streitlustig schallt das laute "Kikeriki" des farbenprächtigen Hahns über den Hühnerhof. In Anbetracht dieser dominanten Erscheinung verblasst die wenig auffällige Henne, die keine imposanten Schmuckfedern trägt und deren Stimme sich auf Gackern und Gluckern beschränkt. Mit Hilfe ihrer unverwechselbaren Laute kommen ihre Küken jedoch wie gerufen und scharen sich um die Mutter. Von Natur aus scheinen die gelben Winzlinge die Klänge von erwachsenen Weibchen ihrer Art zu erkennen und zu bevorzugen. In ähnlicher Weise versammelt sich auch der Nachwuchs der ebenfalls zu den Hühnervögeln gehörenden Wachtel (Coturnix coturnix) um das charakteristisch rufende Muttertier.

Um die biologische Basis dieses angeborenen Verhaltens zu bestimmen, führten Evan Balaban und seine Kollegen von der City University of New York ein bemerkenswertes Experiment durch: Sie entnahmen Wachtelembryonen Zellen, die dazu bestimmt waren, Gehirngewebe zu bilden, und pflanzten diese Hühnerembryonen ein. Anschließend untersuchten die Wissenschaftler, wie die geschlüpften Hühnerküken auf Lautäußerungen von Mutter Henne und Frau Wachtel reagieren. Und siehe da, einige Hühnchen zogen die Rufe vom Wachtelweibchen den Geräuschen ihrer biologischen Mutter vor.

Beim Sezieren der manipulierten Kükengehirne stellten die Forscher durch ein unterschiedliches Färbeverhalten von hühnereigenen und -fremden Nervenzellen folgendes fest: In jungen Hühnchen, die das Wachtelweibchen als ihre Mutter ansahen, hatten sich aus den transplantierten Zellen Regionen an der Verbindungsstelle zwischen Mittelhirn und Großhirn entwickelt. Bei jenen Küken, die naturgemäß auf die Rufe ihrer richtigen Mutter reagierten, hatten die eingepflanzten Wachtelzellen hingegen andere Gehirnregionen produziert. Aus diesen Ergebnissen folgerten die Wissenschaftler, dass die angeborene Bevorzugung eines bestimmten Artrufes auf die Regionen an der Schnittstelle zwischen Mittel- und Großhirn zurückzuführen sind.

Kollegen loben die transparente Technik und sind überrascht, dass ein derartig kompliziertes Verhalten wie die Geräuschwahrnehmung so genau lokalisiert und auf eine andere Art übertragen werden kann. "Es ist ein wahrhaftiger Durchbruch in der Erforschung dieser äußerst schwer fassbaren Gehirnregionen", betont Thomas Park von der University of Illinois. Doch die Forscher wissen bislang nicht, wie diese neuentdeckten Gehirnregionen mit den Hörleitungen der Vögel verknüpft sind. "Diese Fähigkeit zu transplantieren ist ein beachtlicher Erfolg, aber nun gilt es herauszufinden, welche Kreisläufe involviert sind", hebt Masakazu Konishi vom California Institute of Technology hervor.

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