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Salamanderpest: Der Salamanderfresser breitet sich aus

Wo Bsal auftaucht, geht es Amphibien schlecht. Der eingeschleppte Pilz tötet derzeit zahlreiche Salamander im Dreiländereck Belgien, Niederlande, Deutschland.
Feuersalamander sind von einem eingeschleppten Pilz bedroht

»Salamanderfresser« lautet der Furcht erregende wissenschaftliche Name des kleinen Pilzes auf Deutsch. Bei Amphibienforschern reicht schon die Abkürzung Bsal, um für Grusel zu sorgen. Denn wo Bsal auftaucht, geht es den Amphibien schlecht, vor allem den Feuersalamandern. Und immer weiter scheint sich die Krankheit in Deutschland auszubreiten. Betroffen ist der Westen der Republik, aber auch angrenzende Gebiete der Niederlande und Belgiens.

Batrachochytrium salamandrivorans, wie der Erreger der Salamanderpest auch genannt wird, oder eben kurz Bsal, stammt aus Ostasien. Dort lebt der mikroskopisch kleine Chytridpilz auf der Haut verschiedener Salamander und Molche, ohne dass diese darunter leiden würden. Norman Wagner, Biogeograf und Amphibienexperte an der Universität Trier, erläutert: »Die Arten dort hatten im Lauf der Evolution ausreichend Zeit, sich aneinander zu gewöhnen, aber unser Feuersalamander und der Bsal-Pilz sind sich völlig fremd.« So kommt es, dass das Immunsystem der Feuersalamander keinerlei Mittel gegen den Pilz aufbieten kann und der Pilz seine Wirtstiere innerhalb weniger Tage oder Wochen tötet, obwohl das der eigenen Verbreitung schadet. Der Pilz ernährt sich von Keratinen in der Amphibienhaut. Das sind dieselben Proteine, aus denen auch Fingernägel, Horn, Federn und Haare aufgebaut sind. Bei der Chytridiomykose, wie Veterinäre die Pilzerkrankung nennen, wuchert der Pilzkörper so stark, dass er die empfindliche Amphibienhaut nachhaltig schädigt. Wer genau hinschaut, kann auf der Haut infizierter Salamander ringförmige Läsionen und Wucherungen erkennen.

Amphibien sind in zwei Welten zu Hause. Sie haben Lungen, atmen aber auch über die Haut und sind mindestens in einer Lebensphase auf Wasser angewiesen. Beim Feuersalamander etwa entwickeln sich die Larven in kleinen Gewässern, wo sie vor räuberischen Fischen geschützt sind. Neben der Aufnahme von Sauerstoff dient die Haut der Lurche zum Austausch von Nährstoffen und zur Flüssigkeitsregulation. Ohne eine intakte Haut können Amphibien also nicht lange überleben.

Feuersalamander in natürlicher Umgebung | Salamander und Molche sind nicht nur äußerst hübsche Tiere, sie sind auch ein wichtiger Bestandteil des Ökosystems, sowohl als Vertilger von Unmengen von Insekten und anderen Kleinlebewesen als auch ihrerseits als Futter für größere Tiere.

Die ersten Opfer der Salamanderpest wurden 2004 in Rott in der Eifel gefunden, ohne dass man damals von der Existenz des Pilzes wusste. Weil ein ortsansässiger Naturschützer zwei der toten Tiere in Formalin aufbewahrte, konnten Forscher kürzlich, nach fast 14 Jahren, die Salamanderpest als Todesursache dieser Tiere bestätigen. Bis dahin galten die Feuersalamander im niederländischen Bunderbos-Wald als erste Opfer des Pilzes. Der Wald liegt im südlichsten Zipfel der Niederlande (Süd-Limburg) nördlich von Maastricht. Es ist ein dichter, feuchter Laubwald mit vielen kleinen Bächen und Quellen, in denen die Salamanderlarven heranwachsen können. Und weil Feuersalamander in den Niederlanden allgemein ausgesprochen rar waren, hatten Biologen die Bunderbos-Population schon vor dem Ausbruch der Salamanderpest genauer im Auge.

Pilz kam wohl mit Terrarientieren nach Europa

Ab 2008 verzeichnete man einen unerklärlichen Rückgang der Bestandszahlen, und es wurden immer mehr kranke und tote Salamander gefunden, bis wenige Jahre später fast alle Bunderbos-Salamander gestorben waren. Man rätselte über die Ursache des Massensterbens, bis 2013 die neue Pilzerkrankung Bsal von der Tiermedizinerin An Martel und Kollegen der belgischen Universität Gent entdeckt und als neue Art beschrieben wurde.

Zu diesem Zeitpunkt war die neue Krankheit bereits nach Belgien und an weitere Orte in Deutschland gelangt. Besonders betroffen sind seither die Eifel und das Ruhrgebiet, wo ab 2016/17 mehrere Massensterben auftraten. Die Gefahr, dass der Pilz in andere Regionen verschleppt wird, ist groß. Jedes Jahr kommen neue Fundorte hinzu. 2019 etwa in der Nähe von Kleve in Nordrhein-Westfalen. Auch die Südeifel ist inzwischen betroffen. Zwischen den bekannten Verbreitungsgebieten liegen immer wieder größere Lücken, was aber auch schlicht am Fehlen einer flächendeckenden Feldforschung liegen könnte, wie Amphibienforscher Wagner vermutet.

Berg- oder Alpenmolche sind weniger stark betroffen | Andere heimische Molcharten können vom Pilz befallen sein. Im Unterschied zum Feuersalamander überleben sie die Infektion jedoch häufiger.

Wie der Bsal-Pilz nach Europa kam, lässt sich nicht mehr eindeutig klären, doch alles deutet auf eine Einschleppung durch den internationalen Wildtierhandel hin. Die Salamanderforscherin Martel und ihre Kollegen und Kolleginnen konnten 2014 in einer Studie nachweisen, dass asiatische Feuerbauchmolche als Reservoir für den Pilz dienen. Diese Tiere wurden neben etlichen anderen exotischen Lurchen jahrzehntelang in Baumärkten und Zoohandlungen verkauft. Joana Sabino-Pinto von der Universität Braunschweig stellte zudem fest, dass Terrarientiere oft Bsal-Träger sind, ohne Symptome zu zeigen. Schon das Ausbringen von Material oder Wasser aus einem Terrarium in die Natur könnte eine Ansteckung von wilden Salamandern oder Molchen verursacht haben, sagt Amphibienforscher Wagner. Die Deutsche Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde (DGHT), deren Mitglieder nicht nur exotische Tiere in Terrarien halten, sondern sich auch vielerorts für den Schutz heimischer Reptilien und Amphibien engagieren, ist alarmiert. Der Verein hat eine Verhaltens- und Handlungsempfehlung (PDF) erstellt und Amphibienhalter dazu aufgerufen, ihre Tiere testen zu lassen.

Nach derzeitigem Forschungsstand verbreitet sich der Pilz hauptsächlich, wenn Tiere etwa bei der Paarung direkten Körperkontakt haben, und über Zoosporen, die sich ähnlich wie Spermien angetrieben durch Geißeln fortbewegen können. Die Pilzsporen können sich aber auch einkapseln und als so genannte Dauersporen mehrere Wochen im Wasser oder Waldboden überleben. So könnte die Krankheit durch andere Tiere oder den Menschen verschleppt werden.

Europa im Zentrum der Salamanderpest

In europäischen Wildbeständen ist der Pilz bislang auf die Niederlande, Belgien und den Westen Deutschlands beschränkt. Die einzige Ausnahme liegt in mehr als 1000 Kilometer Entfernung: In Katalonien hat 2018 ein unverantwortlicher Tierhalter mit Bsal infizierte Anatolische Kammmolche (Triturus anatolicus) in einem Gewässer ausgesetzt. Der Pilz breitete sich schnell auf die heimischen Marmormolche (Triturus marmoratus) aus. Es kam zu einem Massensterben. Im Rahmen eines EU-Projekts haben spanische Behörden sowie Naturschützer und Naturschützerinnen dann versucht, die weitere Ausbreitung des Pilzes mit drastischen Maßnahmen zu verhindern. Sie entnahmen sämtliche Amphibien aus dem Gewässer und seiner Umgebung und riegelten alles ab. Offenbar mit Erfolg, denn die Salamanderpest hat sich bisher nicht weiter ausgebreitet. Allerdings bleibt abzuwarten, ob sich nicht doch irgendwo ein paar Pilzsporen halten konnten. Ganz in der Nähe des Ausbruchsorts lebt der Montseny-Gebirgsmolch (Calotriton arnoldi), der nur in Bächen dieses Gebirges vorkommt und der bei einem Misserfolg der Maßnahmen die erste Art sein könnte, die durch die Salamanderpest von unserem Planeten verschwindet.

In Deutschland sind Feuersalamander am stärksten betroffen, doch man weiß inzwischen, dass sich auch alle anderen heimischen Molche (Berg-, Kamm-, Faden- und Teichmolch) infizieren und so zur Verbreitung der Salamanderpest beitragen können. Insbesondere Berg- und Kammmolche erkranken und sterben teilweise an der Infektion. Im Gegensatz zu den Feuersalamandern überstehen viele Molche die Krankheit, indem sie den Pilz zum Beispiel über die Häutung loswerden. Frösche, Kröten und Unken zeigten bislang keine Symptome, können sich aber auch infizieren und damit den Pilz verbreiten.

Infizierter Feuersalamander mit »Fraßspuren« |

Die kreisförmigen Hautläsionen verraten den Pilzbefall. Bei einer solchen Schädigung der Haut lebt ein befallener Salamander nicht mehr lange, weil Gas-, Wasser- und Elektrolyttransport nicht mehr ausreichend funktionieren.

Zumindest bis Ende des Jahres können aufgefundene tote oder offensichtlich kranke Salamander noch bei den Meldestellen der Universitäten Trier und Braunschweig angezeigt werden. Wie das geht, erfährt man auf den Seiten des Bundesamts für Naturschutz.

Der Pilz gedeiht bei Temperaturen von 10 bis 15 Grad Celsius am besten und stirbt bei über 25 Grad Celsius ab, so dass man Terrarientiere durch eine Wärmebehandlung (oftmals unterstützt durch Fungizide) relativ einfach heilen kann. Den wild lebenden Salamandern, die es gern kühl und feucht mögen, hilft das allerdings wenig. Selbst wenn man sie einfangen und heilen würde, wäre die Salamanderpest in ihrem Lebensraum nicht ausgemerzt. Sie würden sich schlicht aufs Neue infizieren.

Die Forschung steht noch am Anfang, aber das derzeit einzige größere Forschungsprojekt (finanziert vom Bundesamt für Naturschutz) läuft Ende des Jahres aus. Norman Wagner hofft nun, dass es irgendwie doch noch zu einer Fortsetzung kommt, etwa auf Länderebene, damit zukünftig zumindest für die Untersuchung von Verdachtsfällen genügend finanzielle Mittel vorhanden sind. Eigentlich sei ein bundesweites Monitoringprogramm dringend geboten, denn die Gefahr einer Weiterverbreitung in andere Landesteile sei sehr real, gibt Wagner zu bedenken.

Es zeigt sich nun, dass selbst bei einer so übersichtlichen Tiergruppe wie den heimischen Amphibien mit nur rund 20 einheimischen Arten unser Wissen sehr begrenzt ist. Salamander werden erst mit fünf bis sechs Jahren geschlechtsreif, und niemand weiß so richtig, wo sie sich zwischen dem Verlassen ihrer Larvengewässer und der Geschlechtsreife herumtreiben. Feuersalamander können über 20, in Gefangenschaft sogar bis zu 50 Jahre alt werden. Viele Salamander- und Molchpopulationen sind durch den Verlust von Lebensraum, Gewässerverschmutzung und Pestizide ohnehin stark belastet. Sollte die Salamanderpest in den Mittelmeerraum oder nach Nordamerika gelangen, wo die Artenvielfalt von Salamandern und Molchen viel größer ist als in Mitteleuropa und es viele endemische Arten (wie den Montseny-Gebirgsmolch) gibt, wäre das eine ökologische Katastrophe. Der Bsal-Pilz könnte dann eine ähnlich zerstörerische Wirkung entfalten wie seine Schwesterart Batrachochytrium dendrobatidis, die im Lauf des letzten Jahrhunderts zum Aussterben etlicher tropischer Amphibien geführt hat und als schlimmste Wildtierseuche überhaupt gilt.

Chytridiomykose – Eine Amphibien-Pandemie |

Eine andere, bereits länger bekannte Form der Chytridiomykose wird durch Batrachochytrium dendrobatidis (kurz Bd) verursacht. Herpetologen beobachteten seit den 1970er Jahren dramatische Rückgänge bei zahlreichen tropischen Amphibienarten, die sich nicht allein durch Umweltveränderungen oder menschliche Einflüsse erklären ließen. 1998 gelang es, den Bd-Chytridpilz als eine wesentliche Ursache für das Amphibiensterben zu identifizieren. Neuere genetische Untersuchungen sprechen dafür, dass Bd ebenfalls aus Asien stammt und Anfang des 20. Jahrhunderts mit dem Aufkommen des internationalen Tierhandels von der Koreanischen Halbinsel in andere Weltregionen gelangte. In Versuchen hat sie sich nicht nur als besonders ansteckend, sondern auch als besonders tödlich erwiesen. »Das hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass es sich um einen Hybriden aus mehreren anderen Linien handelt«, sagt Dirk Schmeller vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), der an den genetischen Untersuchungen beteiligt war.

Diese Schwesterart der Salamanderpest Bsal ist an wärmere Temperaturen angepasst und gedeiht am besten zwischen 17 und 25 Grad Celsius. Sie ist mittlerweile weltweit verbreitet und hat vor allem in den tropischen Gebieten Amerikas und Australiens für große Verluste unter Fröschen und Kröten gesorgt. Laut einer 2019 erschienenen Studie sind mehr als 500 Amphibienarten stark von der Bd-Pandemie betroffen, wovon 90 wohl bereits ausgestorben sind. Darunter die zentralamerikanische Goldkröte (Bufo periglenes), die zum letzten Mal 1989 in Costa Rica gesichtet wurde, und der australische Mount Glorious Day Frog (Taudactylus diurnus). Auch in Europa wurde Bd auf Amphibien nachgewiesen, schädigt diese aber bisher wohl nicht nachhaltig. Die Forscher halten diese Koexistenz für äußerst fragil. Sie hänge unter anderem von den klimatischen Bedingungen ab und könne etwa durch den Klimawandel aus dem Gleichgewicht geraten.

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