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News: Der Schutt der kalten Schwester

Die Klimaereignis-Geschwister El Niño und La Niña wurden schon für vielerlei Wetterkapriolen verantwortlich gemacht. An der Landschaftsumformung Südamerikas scheinen sie ebenfalls nicht unschuldig.
Aus dem Blickwinkel eines Menschenlebens wirken die tektonischen Kräfte unfassbar langsam, die ein Gebirge entstehen lassen – ebenso wenig merklich wie der stete Tropfen, der es in geologischen Zeiträumen wieder abträgt und einebnet, indem er Mikrogramm für Mikrogramm auswäscht, in talwärts fließende Gewässer einspeist und ins Vorland abtransportiert.

Am Fuße der Berge lässt sich die Dynamik der Sache gelegentlich etwas besser beobachten, zumindest wenn es sich um vom Menschen so unbeeinflusste Gebiete handelt wie die Region zwischen den bolivianischen Anden und dem Amazonasbecken: Hier formen die aus dem Gebirgsmassiv ausgewaschenen Sedimente zwischen zwei Nebenflüssen – dem Rio Beni und dem Rio Mamoré – ein ausgedehntes Schwemmplateau, in dem sich die Masse des in Jahrtausenden lokal erodierten Andenmaterials ablagerte.

Nur rund zehn Prozent des Gebirgsschutt erreichen dabei im Durchschnitt auch tatsächlich den Hauptarm des Amazonas, während der weitaus größte Teil vorher in dem Schwemmland eine wandelnde Landschaft formt: Immer wenn die zuführenden Flussbetten versanden, bahnt sich der Strom beim nächsten Hochwasser dammbruchartig einen neuen Weg zwischen den selbstaufgeworfenen Sedimentwällen und verändert so das Gesicht der gesamten Flusslandschaft. Der Rio Beni etwa, der vor wenigen tausend Jahren noch nahe der Anden in seinen Schwesterstrom Mamoré mündete, verlagerte sich seitdem um hunderte Kilometer.

Eine Forschergruppe um Rolf Aalto von der University of Washington interessierte nun, ob die Überschwemmungen – und damit die Sedimentablagerung – im Schwemmland zwischen den mäandrierenden Flussläufen irgendeiner zeitlichen Periodik folgen. Sie untersuchten daher die übereinandergeschichteten Ablagerungen der ufernahen Regionen auf ihren Gehalt an 210Pb. Dieses Blei-Isotop entsteht durch den langsamen radioaktiven Zerfall von Radon, einem natürlichen Bestandteil des erodierten Andengesteins. Sein Gehalt in einer Sedimentschicht lässt darauf schließen, wann sich die Überschwemmung ereignete, bei der die Schicht abgelagert wurde.

Bei einer häufigen Überschwemmung der Uferbereiche, durch die immer wieder dünne Sedimentschichten entstehen, nehmen die Isotopenkonzentrationen von oben nach unten kontinuierlich ab. Dieses Bild hatten die Forscher erwartet, doch das Ergebnis ihrer Messungen erwies sich "alles andere als erwartungsgemäß," so Aalto: Demnach hatten sich nur selten, dafür aber unerwartet mächtige Sedimentschichten abgelagert – aber auch dies durchaus regelmäßig: Alle acht Jahre etwa kam eine neue dicke Lage dazu.

Einen achtjährigen Zyklus zeigt auch bekanntes Klimaphänomen: die Luftdruckschaukel der südlichen Oszillation (ENSO) im Pazifik, die vor allem durch El-Niño-Ereignisse und deren kleine Schwester, La Niña, von sich reden macht.

Tatsächlich zeigten die Wissenschaftler, dass die Sedimentablagerungen im bolivianischen Schwemmland stets mit solchen Ereignissen zusammengefallen waren: Immer wenn die mit einer La Niña einhergehenden, heftigen Niederschläge an den Anden abregneten, wuschen große Fluten größere Mengen von Sedimentmaterial in die überschwemmten Landschaften zwischen den ausufernden Strömen.

Ereignisse dieser unberührten Dynamik seien im übrigen, meint Aalto, kaum mehr sonst irgendwo auf der Erde zu beobachten: Fast überall sorgt menschliche Besiedlung für die Eindämmung der natürlichen Unbeherrschtheit von Flussläufen. Ein Fluss wie der Beni – der sein Bett innerhalb einer menschlichen Generation durchaus um zehn oder dreißig Kilometer verlagern könne – sei in modernen besiedelten Naturräumen jedenfalls kaum mehr vorstellbar.
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