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Sonne aktuell: Der Süden außer Rand und Band

Zu dem im Sommer 2024 registrierten Hauptmaximum der Sonnenaktivität trug hauptsächlich die Südhemisphäre bei. Besonders beeindruckte das Geschehen im August: So aktiv war die Sonne zuletzt vor mehr als 20 Jahren.
Eine bogenförmige Protuberanz im H-alpha-Licht des Wasserstoffs
Im Spektralbereich der H-alpha-Linie des Wasserstoffs lassen sich leuchtende Protuberanzenbögen über der Sonnenoberfläche beobachten. Die helle Sonne wurde ausgeblendet und erscheint daher links als schwarzer, ausgeschnittener Kreis.

Insgesamt reihte sich die Sonnenfleckenrelativzahl im Monat August gut in das Geschehen ein, das schon seit dem Mai dieses Jahres beobachtet wird: die bisher höchste Aktivität seit 20 Jahren. Während des Sommermonats war die Südhalbkugel führend: Hier waren zeitweise die meisten Fleckengruppen zu sehen (siehe »Hohe Aktivität im Süden«). Das Beobachternetz der Fachgruppe Sonne der deutschlandweiten Vereinigung der Sternfreunde e. V. (VdS) ermittelte eine provisorische Relativzahl von R = 209,8, nach Werten von 198,6 im Juli und 164,2 im Juni 2024. Die Fleckenzählungen zeigen also ganz klar, dass das Hauptmaximum des gegenwärtigen Zyklus in den diesjährigen Sommer fällt und dass ein im Spätfrühling 2023 beobachteter Aktivitätsschub nicht das Hauptmaximum war.

Hohe Aktivität im Süden | Die auffällige Dominanz der südlichen Hemisphäre in den Tagen um den 24. August 2024 wurde von Heiko Ulbricht im Weißlicht dokumentiert. Die Aufnahme gelang ihm mit einer Canon EOS 6D an einem Maksutow-Newton-Teleskop mit 15 Zentimeter Öffnung (f/6) sowie mit einer 2,4-fach-Barlowlinse. Zur Lichtdämpfung diente Objektivfilterfolie von Baader. Die 19 besten Bilder einer Aufnahmeserie mit jeweils 1/400 Sekunde Belichtungszeit bei ISO 100 wurden überlagert, um den Kontrast rauscharm zu verstärken.

Sonnenfleckengruppen besitzen Magnetfelder, die einen Nord- und einen Südpol aufweisen. Hinsichtlich der Magnetfeldkonfiguration war eine große Fleckengruppe bemerkenswert, die am 10. August 2024 den zentralen Bereich der Sonnenscheibe durchlief (siehe »Eine Fleckengruppe läuft über«). Der in Richtung der Sonnenrotation vorausgehende magnetische Pol war in diesem Fall so stark, dass seine Feldlinien in Vorwärtsrichtung ausbrachen und dort untypisch viele kleine, vorgelagerte Flecken erzeugten. Die stärksten Feldbögen dieser Gruppe verliefen hingegen ganz normal in Richtung des nachfolgenden Pols; üblicherweise bleibt die Feldkonfiguration auf diesen Verlauf beschränkt.

Eine Fleckengruppe läuft über | Am 11. August 2024 konnte Oskar Pircher diese aktive Region, die sich auf der Südhalbkugel der Sonne befand, mit allen Einzelheiten im Weißlicht fotografieren. Ungewöhnlich waren die Flecken, die dem in Richtung der Sonnenrotation vorausgehenden Pol vorgelagert waren. Zum Einsatz kamen eine Astrokamera vom Typ ZWO ASI 290MM an einem Newton-Teleskop mit 180 Millimeter Öffnung sowie ein Baader-Kontinuum-Filter und eine Objektivfilterfolie.

Während die Häufigkeit und Ausprägung der Fleckengruppen einem Maximumsmonat erneut voll gerecht wurden, verblieben die solaren Eruptionen (englisch: flares) auf einem moderaten Niveau: Insgesamt traten im August 22 Flares der zweitstärksten Kategorie M auf, aber kein einziges Ereignis der stärksten Klasse X. Auch die bereits erwähnte große Fleckengruppe brachte Flares hervor, was sich im Licht der roten Wasserstofflinie H-alpha innerhalb der Chromosphäre beobachten ließ (siehe »Große Gruppe erzeugt Flares«).

Große Gruppe erzeugt Flares | Am 13. August 2024 näherte sich die große aktive Region, die wenige Tage zuvor den zentralen Bereich der Sonnenscheibe durchlaufen hatte, bereits dem Westrand der Sonne. In der darüberliegenden Chromosphäre verrieten sich die magnetischen Strukturen der Gruppe und kleinere Flares. Zur Aufnahme dieses Bildes im Spektralbereich der roten Wasserstofflinie H-alpha nutzte Michael Schmidt eine Kamera vom Typ Player One Apollo-M an einem SW-Esprit-Apochromaten mit 15 Zentimeter Objektivdurchmesser.

Wie schon im Juli, so zeigte sich auch im August, dass die stärkste Flare-Aktivität nicht mit der fleckenreichsten Phase, sondern eher mit dem Beginn eines Aktivitätsschubs zusammenfällt – und dieser trat im Mai ein. Die dann noch sehr jungen und ungeordneten magnetischen Bögen, die frisch aus den Tiefen der Konvektionszone an die sichtbare Oberfläche der Sonne aufsteigen, weisen zunächst noch komplizierte Feldverläufe auf. In der darauf folgenden Zeit bieten sich viele Gelegenheiten, ihre Feldlinien zu glätten. Jedes dieser Ereignisse setzt Energie frei, die zuvor im Magnetfeld gespeichert war, was zu einer Eruption führt. Die zugehörigen Fleckengruppen erreichen erst etwas später ihre größte Ausprägung, wenn die magnetischen Feldstärken maximal sind. Dann sind die erwähnten Feldbögen bereits geordneter, statischer und produzieren dementsprechend weniger Flares. Eine bemerkenswerte Ausnahme bildete eine ungewöhnlich aktive Fleckengruppe vom Mai 2024, die auch einen Monat später noch sehr eruptiv war.

Vergleicht man den aktuellen 25. Zyklus mit dem vorangegangenen 24. Zyklus, so fällt auf, dass der gegenwärtige Aktivitätsverlauf nicht nur deutlich stärker ist, sondern dass das derzeitige Hauptmaximum den Verlauf auch wirklich dominiert – das Maximum vom Frühjahr 2023 war ja deutlich schwächer. Im 24. Zyklus gab es dagegen zwei fast gleich starke Maxima, die um mehr als zwei Jahre auseinanderlagen: eines im Winter 2011/2012 und ein weiteres im Februar/März 2014. Bereits im vorletzten, dem 23. Zyklus, traten zwei Maxima im Abstand von eineinhalb Jahren auf, im Mai 2000 sowie im November 2001.

Die Maxima des 24. Zyklus sind jedoch bemerkenswert, weil sie von einer auffälligen Nord-Süd-Asymmetrie getragen wurden. Jede der beiden Sonnenhemisphären zeigte sozusagen ihr eigenes Maximum, asynchron zur jeweils anderen Hemisphäre. Im Rahmen globaler magnetohydrodynamischer Sonnenmodelle lässt sich verstehen, dass dieses asymmetrische Verhalten sehr schwache Aktivitätszyklen nach sich zieht. Interessanterweise überwog auch diesmal, im Vormaximum des Frühjahrs 2023, zunächst die Nordhalbkugel und im anschließenden Hauptmaximum der Süden; diese Asymmetrie wurde jedoch nur zeitweise offensichtlich. Hierzu passt, dass der gegenwärtige Zyklus viel stärker als der vorherige ausfällt. Andererseits gab es im vergangenen Jahrhundert wesentlich stärkere Zyklen, bei denen ein direkter Anstieg der Aktivität zum Hauptmaximum führte, ganz ohne Nebenmaxima.

Was wir derzeit auf der Sonne sehen, ist also noch nicht ihre größtmögliche Aktivität. Doch warum konnte sich der gegenwärtige Zyklus überhaupt wieder so gut präsentieren, nachdem es in den Jahren zuvor beinahe nach dem Beginn eines lang anhaltenden Minimums (englisch: grand minimum) aussah? Diese Frage können auch Experten derzeit nicht beantworten. Für sie kam der überraschend große Anstieg der Aktivität im Sommer 2024 eher unerwartet – aber genau das macht die langfristige, systematische Sonnenbeobachtung ja auch so spannend. Praktische Anleitungen hierzu finden Sie auf der Website der Fachgruppe Sonne der VdS unter vds-sonne.de.

Wie geht es weiter? | In den kommenden Monaten verbleibt die Sonnenaktivität auf einem hohen Niveau. Dargestellt ist der Verlauf der Relativzahl gemäß der seit dem 1. Juli 2015 international gültigen Zählweise des Solar Influences Data Analysis Center (SIDC).

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