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News: Der Tuberkulose die Energiezufuhr verweigern

Nach Entdeckung des Krankheitserregers der Tuberkulose hatten die Mediziner schon frohlockt und die Infektionskrankheit für besiegt gehalten. Doch da haben sie sich leider getäuscht, denn mit großen Schritten kehrt die Seuche auch in nahezu befreite Gebiete zurück. Nun haben Forscher einen speziellen Trick des Tuberkels entlarvt, anhand dessen er sich in speziellen Zellen des Immunsystems für längere Zeit verstecken und somit dem Angriff der körpereigenen Abwehr entgehen kann. Um in diesem Dornröschenschlaf seine Lebensfunktionen aufrecht zu erhalten, produziert der Erreger ein spezifisches Enzym, ohne das er nicht lebensfähig ist. Dieses nutzt langkettige Fettsäuren zur Energiegewinnung. Und genau hier könnte ein neuer Therapieansatz einsetzen.
Mehr als ein Jahrhundert liegt die Entdeckung des Tuberkuloseerregers durch Robert Koch nun zurück, und doch ist die tödliche Infektionskrankheit nicht besiegt. Im Gegenteil! Noch immer ist sie eine der am weitesten verbreiteten Krankheiten und erobert sich mit großen Schritten die seit langem davon nahezu befreiten Industriestaaten zurück. Momentan leiden weltweit mehr als 16 Millionen Menschen an offener Tuberkulose, die durch Tröpfcheninfektion verbreitet werden kann, und schätzungsweise kommen jedes Jahr weitere 8 Millionen Fälle hinzu. Doch das ist nur die Spitze des Eisberges, denn noch weit mehr Menschen sind Träger des Erregers, ohne es zu bemerken. Ein Drittel der Weltbevölkerung soll das Bakterium wider Willen beherbergen und bildet somit ein riesiges Reservoir für neue Ausbrüche der Volksseuche.

Ausgelöst wird die Krankheit durch das Mycobacterium tuberculosis, das sich dem Immunsystem gegenüber besonders trickreich verhält. Der körpereigenen Abwehr entkommt es, indem es nach der ersten infektiösen Phase in Makrophagen auf "Tauchstation" geht und sich somit vor weiteren Angriffen des Immunsystems versteckt. Durch dieses "Versteckspielen" fordert Tuberkulose mehr Menschenleben als jede andere bakterielle Erkrankung.

Genau an diesem Punkt der Infektion haben nun Forscher aus drei verschiedenen Arbeitsgruppen gemeinsam ihre Suche nach möglichen Behandlungsmethoden angesetzt. Denn auch wenn sich das Bakterium in den Makrophagen ganz still verhält, so muss es doch seine Lebensfunktionen aufrechterhalten und kann nicht in eine Totenstarre fallen. Um seine Energiereserven aufzufüllen, produziert der Erreger ein Enzym aus dem so genannten Glyoxylatzyklus, mit dem sich Pflanzenzellen und Bakterien langkettige Fettsäuren als Energiequellen erschließen. Durch ein spezielles Enzym, die so genannte Isocitrat-Lyase halten die versteckten Tuberkel ihren Stoffwechsel aufrecht und können solange in den Makrophagen ausharren, bis das Immunsystem ihres Wirtes geschwächt ist, etwa durch eine HIV-Infektion. Dann schlägt der Erreger wieder zu und die Krankheit bricht erneut aus – meist mit tödlichem Ende.

Der Frage, warum der Erreger so genügsam in Makrophagen stillsitzen kann, ist John McKinney und seine Kollegen vom Laboratory of Infection Biology der Rockefeller Universitynachgegangen. Dazu haben sie zwei Bakterienstämme hergestellt, von denen der eine das Enzym Isocitrat-Lyase (ICL) produzieren konnte, der andere hingegen nicht. Hierbei entdeckten die Forscher, dass dieses Enzym zum Überleben der Erreger in seiner latenten Form lebensnotwendig ist. Zwar unterscheiden sich beide Stämme nicht in der initialen Phase der Infektion, während der das Immunsystem den Eindringling heftig angreift und auch seine Population verringern kann,. Aber in der späten stillen Phase wirkt sich das fehlende Enzym für den Erreger ziemlich nachteilig aus: Er kann nämlich nicht ohne es leben (Nature vom 17. August 2000).

Für die Forscher ist dieser Ansatzpunkt für mögliche Therapieansätze sehr vielversprechend. Denn "da ICL weder in Menschen noch in Wirbeltieren präsent ist, sollte das Blockieren seiner Aktivität keine gefährlichen Nebeneffekte im Krankheitsträger hervorrufen", sagte McKinney. Das Bakterium in dieser späten Phase seiner Infektion anzugreifen, würde sich von der bisherigen Therapie stark unterscheiden. Momentan muss bei der Diagnose "Tuberkulose" der Patient mindesten sechs Monate lang Antibiotika einnehmen, was besonders in Entwicklungsländern schwierig durchzuführen ist, denn die Behandlung ist teuer und langwierig. Wird die Einnahme von Antibiotika abgebrochen, dann besteht sogar eine noch größere Gefahr: Der Krankheitserreger kann gegen Antibiotika resistent werden und sich mit dieser Fähigkeit noch stärker durchsetzen und ausbreiten als vorher, denn gegen ihn sind kaum noch Medikamente wirksam.

"Ein Medikament, dass die Aktivität oder Synthese von ICL hemmt, könnte es uns erlauben, die Dauer der Behandlung von sechs Monaten auf nur einige Wochen zu verkürzen," hofft McKinney, "dies hätte eine enorme Auswirkung auf die Heilungsraten und die Zustimmung der Patienten". Anhand der Aufklärung der räumlichen Struktur des Enzyms ICL durch James Sacchettini von der Texas A&M University könnte die Suche nach einem möglichen Hemmstoff schneller erfolgreich sein. So könnten Medikamenten entworfen werden, die räumlich genau an die zu hemmende Struktur der ICL binden und somit ihre Aktivität vermindern (Nature Structural Biology vom August 2000). Bisher wissen die Forscher, dass sich das Enzym in seiner Form stark verändert, wenn es das Substrat bindet: Es schließt sein aktives Zentrum. "Jetzt, wo wir das wissen, können wir Komponenten entwickeln, die das Protein in dieser geschlossenen Form in die Falle locken und das Enzym hemmen", freut sich Sacchettini.

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