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News: Der über den Gletscher fliegt

Eisschilde und Gletscher schrumpfen und heben den Meeresspiegel. Doch wie stark das geschieht, ist recht spekulativ. Glaziologen in Alaska überwachen ihre Gletscherwelt nun von einem Spezialflugzeug aus und erkennen in ihr eine globale Gefahr.
Malaspina-Gletscher
Grönland und die Antarktis tragen fast die gesamten Eismassen unserer Erde. Gebirgsgletscher außerhalb dieser Eisschilde kommen zusammen lediglich auf einen Anteil von ungefähr drei Prozent. Gerade mal ein Achtel dieser Gletscher schlängelt sich in Alaska talwärts.

Doch was auf den ersten Blick verschwindend gering erscheint, erstreckt sich immerhin über eine Fläche von 90 000 Quadratkilometern. Damit könnte man fast die gesamten neuen Bundesländer unter einer Eisdecke verschwinden lassen. Außerdem sind die Gebirgsgletscher Alaskas ihrer Exponiertheit wegen wesentlich anfälliger für Umweltveränderungen als zusammenhängende Eisschilde.

Allerdings fehlten bislang zuverlässige Berechnungen, wie schnell sich die Gletscher zurückziehen und welche Auswirkung dies auf den Meeresspiegel hat. Denn gründlich beobachtet wurden meist nur die leichter zugänglichen und von der Größe her überschaubaren – ungefähr 40 von über 16 000 Gebirgsgletschern weltweit.

Anthony Arendt und seine Kollegen von der University of Alaska in Fairbanks starteten daher eine breit angelegte Vermessung der dortigen Gletscherwelt und entwickelten dafür eigens eine neue Messmethode. Keith Echelmeyer – ein Glaziologe aus Arendts Forschungsgruppe und nebenbei ausgebildeter Pilot – hatte sich Anfang der neunziger Jahre mit Elektrotechnikern und Maschinenbauern an seinem Institut zusammengesetzt und eine altimetrische Laser-Messapparatur gebaut. An den Bauch seines Fliegers angebracht und mit den Daten des GPS-Systems kombiniert, konnte er damit die Topografie der Gletscher berechnen.

Seither fliegt Echelmeyer regelmäßig über die Gletscher Alaskas. Wichtig ist dabei, dass er mit seinem Laser immer ungefähr die gleichen Spuren abtastet, damit die Daten der einzelnen Flüge auch miteinander verglichen werden können. Die Forschungsgruppe achtet sogar darauf, dass derselbe Gletscher innerhalb der gleichen Kalenderwoche wie in den Jahren zuvor abgeflogen wird – um auch jahreszeitliche Schwankungen möglichst auszuschließen.

Weitere Vergleichswerte lieferten schließlich topografische Karten des U.S. Geological Survey, die in den fünfziger und siebziger Jahren anhand von Luftbildaufnahmen angefertigt wurden. Daraus rekonstruierten die Forscher nun die Entwicklungsgeschichte der Gletscher Alaskas innerhalb des letzten halben Jahrhunderts - und stellten Erschreckendes fest.

Bis auf ganz wenige Ausnahmen befinden sich fast alle Gletscher dramatisch auf dem Rückzug. Nahm die Mächtigkeit der Gletscher von 1950 bis 1990 noch durchschnittlich um einen halben Meter pro Jahr ab, schnellte dieser Wert in den neunziger Jahren auf fast zwei Meter pro Jahr. Berechnet man daraus das Volumen an Eis, das jährlich abschmilzt und in die Meere fließt, hat sich die Rate innerhalb der letzten zehn Jahre schlichtweg verdoppelt.

Alaskas Gletscher heben den Meeresspiegel derzeit um rund einen zehntel Millimeter pro Jahr. Das mag nicht spektakulär klingen, entspricht aber in etwa dem derzeitigen Abschmelzen des gesamten grönländischen Eisschildes.

Ob dafür allerdings der globale Klimawandel verantwortlich ist, bleibt für die Forscher noch ungeklärt. Gerade Gletscher, die direkt in den Ozean münden, sind sehr stark von lokalen klimatischen Bedingungen abhängig. Außerdem empfindet Echelmeyer den Beobachtungszeitraum einer Dekade als zu kurz, um schon jetzt die ganze Geschichte erzählen zu können.

Zwar hat er mit seinem Spezialflugzeug bereits über 100 Gletscher kartiert, doch ist das erst gut ein Fünftel von Alaskas schwindender Gletscherwelt.

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